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Von Weiberwagen und peinlichen Rollkoffern

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Erst nach langem Anlauf eine Selbstverständlichkeit: Auch Männer wissen Rollkoffer zu schätzen. © dpa

Ein neues Sachbuch zeigt, wie viele nützliche Erfindungen zunächst am falschen Stolz der Männer scheiterten

Berlin -Bereits vor 120 Jahren schien es so, als gehörten Elektroautos die Zukunft. Kein Wunder, sie waren sauber, leise und relativ leicht zu bedienen. Benziner dagegen mussten umständlich mit einer schweren Handkurbel gestartet werden. Weil die E-Autos ohne lästiges Kurbeln auskamen, waren sie bei Frauen beliebt. Aber genau das besiegelte ihr vorläufiges Ende.

In dem Moment, als Elektroautos als "Weiberwagen" abgestempelt waren und man sie mit Schnickschnack wie Blumenvasen und plüschigen Polstersitzen auf feminin getrimmt hatte, verloren sie für männliche Käufer ihren Reiz. Ein Versuch von Detroit Electric, ein elektrisches Männermodell auf den Markt zu bringen, floppte 1910 spektakulär. Das war es dann für die nächsten 100 Jahre mit dem Elektroauto.

Die Geschichte des Elektroautos ist ein Beispiel dafür, wie gute Ideen scheiterten oder verspätet realisiert wurden, weil sie gegen Vorstellungen von Männlichkeit verstießen. In "Die Mutter der Erfindung" bietet Katrine Marçal einen erfrischend neuen Blick auf die Geschichte von Innovationen - die meist als die Geschichte großer erfindungsreicher Männer geschrieben wird und die Rolle der Frauen ausblendet.

Das Buch gibt Antworten auf Fragen wie: Warum plagten sich Generationen von Reisenden mit schweren Koffern herum, bevor jemand den Rollkoffer erfand? Die Antwort: Die Idee gab es, Männer fanden das Gefährt aber unter ihrer Würde - als hätten sie nicht genug Muskelkraft! Erfinder John Allan May wurde für seine Idee 1932 ausgelacht. 1972 meldete der Amerikaner Bernard Sadow ihn als Patent an.

Aus ähnlichen Gründen scheiterte die Idee von Einkaufswagen in Lebensmittelmärkten. Als Sylvan Goldman in den 1930er Jahren die ersten entwickelte, um Hausfrauen das Einkaufen zu erleichtern, empfanden Männer das als Affront. Traute man ihnen nicht zu, Einkaufskörbe für ihre Frauen zu tragen? Dass manche für Frauen sehr nützliche Erfindungen so lange brauchten, um sich durchzusetzen, liegt an der fehlenden weiblichen Finanzkraft, mit der ihre Interessen hätten durchgesetzt werden können. Diesem Aspekt widmet die Autorin ein eigenes Kapitel.

Noch heute wird 97 Prozent des Wagniskapitals an Männer vergeben. Geldgeber haben nach wie vor viel zu wenig Vertrauen in Gründerinnen.

Die Mutter der Erfindung

Katrine Marçal, Rowohlt, Berlin, 304 Seiten, 22 Euro

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