Das Trio „Textmacher und Wunderklang“, das es in dieser Formation erst seit einem Jahr gibt, gastierte in der evangelischen Kirche in Waldems-Reinborn.
Von Marion Diefenbach
Drei Freunde, die sich gut genug kennen, um miteinander zu spielen: Uli Christlein (Saxophon, Klarinette und Querflöte), Martin Stock (Texte und Vortrag) und Jörg Remmer Müller (Percussion und Klangatmosphäre/von links) bei ihrem Auftritt in der evangelischen Kirche in Reinborn.
(Foto: Stefan Gärth)
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REINBORN - So konzentrierte Zuhörer hatte die kleine Kapelle hinter der 1000-jährigen Linde wohl selten erlebt. Pfarrerin Miriam Lehmann und das Ehepaar Reusch hatten die drei Musiker von „Textmacher und Wunderklang“ aus Wiesbaden eingeladen, die das Publikum auf Anhieb in ihren Bann zogen. Bereits als die sanft-jazzigen Klarinettenklänge zum Auftakt den Kirchenraum ausfüllten, breitete sich eine andächtige Stimmung aus. Dann setzte das elektronische Schlagzeug ein und das musikalisch „freche“ Ende steigerte noch die Erwartungen an das Folgende.
Mit dem Gedicht „Wie ich ein Gedicht zu schreiben versuchte“ begann Martin Stock seinen Textvortrag. Er ist ein begabter Erzähler: Mit ruhiger, tiefer Stimme rezitierte er, nach jeder Strophe musikalisch bestärkt, selbst verfasste Texte voller Poesie und Strahlkraft. Dazu gehörte die Geschichte von der „braunen Mollenhauer“, deren Beherrschung die „blonde Susanne“ ihm als Kind vermitteln sollte. Vom anfänglich „erbärmlichen Herumgepiepse“ bis zur „Vielflöterei“ um die Weihnachtszeit schilderte Stock ebenso ironisch und sarkastisch wie inbrünstig kleine Begebenheiten, die ihm Lacher und Sympathiepunkte einbrachten.
„Musikalisches und Unappetitliches“ hatte der Texter zu Beginn angekündigt. Und während Jörg Müller am minimalistischen Schlagzeug (zwei kleine Platten mit Sticks und ein Fußklöppel) und Uli Christlein an Querflöte oder Klarinette und Saxofon die Atmosphäre zu jedem Text so akzentuierten, dass man sie im Magen spüren konnte, las Stock aus seiner Gedichtsammlung „Völlegefühle“ die bitterböse Mär vom Menschenfresser. Der hat sich an Augapfelgelee überfressen, von einem Menschenauflauf die „fette Oberschicht“ gegessen und sich vom Buffet die Leckerbissen geschnappt, nämlich Raucherbein und -lunge.
Formation gibt es erst seit einem Jahr
Untermalt von den immer punktgenauen Improvisationen der Musiker wechselten wunderbar alberne Zwei- und Vierzeiler wie etwa die „Besudelung“ („Kot gehorcht Schwerkraft. Oh. Auf die linke Schulter.“) mit philosophisch angehauchten „Jahresgedichten“ und Geschichten wie „Als Friedrich und ich einen Igel ausstopfen wollten“ (da Igels Bauch dem Fahrtenmesser widersteht, wird er schließlich vergraben). Auch aus der Zugabe „Wurzeln, Flügel und falsche Bescheidenheit“ spricht tiefe Nachdenklichkeit und das federleichte Musikstück zum Abschluss war im Gegensatz zu den vorwiegend rhythmisch geprägten Einlagen sehr melodisch und erntete Sonderapplaus.
Die drei Freunde, die erst seit einem Jahr in dieser Formation auftreten, hatten sichtbar Spaß an dem, was sie taten („Ich lebe entspannt im Bier und Jetzt“), und die Zuschauer und -hörer waren beeindruckt von der ungewöhnlichen Performance. „Das war fantastisch“, sagte eine Kirchenbesucherin, „viel zum Nachdenken und viel zum Lachen.“