Als Märchenoma die Kinder in Ahausen, Hirschhausen und Kubach glücklich machen
Ihren Kindern und Enkelkindern hat Brita Hoffmann aus Ahausen immer gern vorgelesen, so wie es ihre Großmutter damals mit ihr selbst gemacht hat. Seit 15 Jahren schlüpft die heutige 77-Jährige jede Woche in die Rolle der Märchenoma, um Kinder glücklich zu machen.
Von Olivia Heß
Redakteurin Weilburg
Die Aufmerksamkeit der Kinder in der Ahäuser Kindertagesstätte gehört ganz der Märchenoma. Zur Belohnung fürs Zuhören verteilt sie Brezeln. Foto: Olivia Heß
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WEILBURG-AHAUSEN - Wer glückliche Kinder sehen will, der muss zur Märchenoma gehen. Der Nachwuchs in der Ahäuser Kindertagesstätte der Wirtschaft "Unterm Sternenland" liefert jeden Monat den Beweis dafür.
Schon Tage, bevor die Märchenoma in die Einrichtung kommt, sind die Kinder aufgeregt, die Vorfreude ist groß. Und wenn Brita Hoffmann dann mit grauer Perücke, in ihrer weißen Bluse, den rot-schwarzem Schal über die Schultern gelegt, und langem, schwarzen Rock als Märchenoma vor den Kindern sitzt, gehört ihr all deren Aufmerksamkeit.
Figuren lassen Geschichten lebendig werden
Im Halbkreis sitzen die "Großen" mit der Märchenoma am Tisch. Und dann wird es spannend. Was holt sie heute aus ihrem Korb? Es ist ein handgroßer Teddybär, und schon beginnt die Geschichte.
Die Jungen sitzen eine halbe Stunde lang still, hängen an den Lippen der Märchenoma und interagieren mit ihr und ihren Figuren. Es wird gesungen, geklatscht und geredet.
Danach kommen die Jüngeren dran, für sie vereinfacht die 77-jährige Ahäuserin die Geschichte etwas. Eines der Mädchen, das ihr gegenübersitzt, ist erst anderthalb Jahre alt und seit zwei Wochen in der Kita. Für sie ist es die Märchenoma-Premiere. Und wie die erfahreneren Kinder bleibt auch sie ruhig sitzen und hört gespannt zu.
Rituale gehören zum Besuch der Märchenoma dazu. Anfangs stimmt sie mit den Kindern das Lied "Wer will glückliche Kinder sehen, der muss zur Märchenoma gehen" an. Als "Belohnung" fürs Zuhören dürfen die Kleinen zum Ende mit den Tieren und Puppen kurz spielen und es gibt Brezeln, bevor zum Abschluss noch einmal gemeinsam gesungen wird.
Seit 2010 kommt Brita Hoffmann einmal im Monat an einem Vormittag in die Betreuungseinrichtung. In der Kubacher Kita "Kubelix" und in der Hirschhäuser Kita "Sonnenschein" ist sie einmal pro Woche als Märchenoma unterwegs. Ihre Vorliebe für das Erzählen von Märchen und das Vorlesen von Geschichten hat Hoffmann ihrer Großmutter zu verdanken.
Durch ihre eigenen Enkelkinder kam sie im Jahr 2004 zu diesem ehrenamtlichen Engagement, als diese die Kita in Kubach besuchten. Denn auch zu Hause las Brita Hoffmann ihren Enkeln viel vor, ebenso wie früher ihren beiden eigenen Kindern. "Ohne Bücher geht es nicht", sagt sie.
Alle Generationen in der Familie greifen gern zu Lektüre, bei Brita Hoffmann dürfen es am liebsten Sachbücher oder Biografien sein. Und ihr Lieblingsmärchen? Die Antwort kommt schnell: "Der Froschkönig". Für die Ahäuserin, die seit 1968 mit ihrem Mann in dem Weilburger Stadtteil lebt, ist die Lektion aus dieser Geschichte bedeutsam: "Was man versprochen hat, muss man auch halten."
In ihrem Haus hat sie Regalreihen gefüllt mit Kinderliteratur, die sich über die Jahre angesammelt hat. Auf die Auftritte als Märchenoma bereitet sie sich gut vor. Sie wählt die Geschichten mit Bedacht aus: Passen sie zum Alter der Kinder? Zur Jahreszeit? Erscheinen ihr Wörter zu kompliziert, schreibt sie sich Alternativen mit Bleistift dazu. Und dann schaut sie in ihrem großen Fundus nach den geeigneten Utensilien, um die Geschichte lebendig werden zu lassen - Tiere, Puppen, Autos, Bauklötze und vieles mehr. Für das Märchen "Der süße Brei" stellt sie sich auch mal an den Herd und kocht den Kindern Hirsebrei. Eines ist Hoffmann besonders wichtig: Dass die Kinder mitmachen und gefördert werden.
Eine sichere Bank sind bei den Kindern Tiergeschichten. Aber auch beim Kasperletheater vergessen die Kleinen das Drumherum. "Die Kinder sehen mich dann nicht mehr, so fokussiert sind sie auf die Figuren", lacht Hoffmann.
Beate Schick, Leiterin der Kita in Ahausen, ist glücklich, dass sie die heute 77-Jährige vor neun Jahren dazu überreden konnte, auch die Einrichtung "Unterm Sternenland" zu besuchen. "Sie hat einen guten Blick auf die Kinder und macht das aus gutem Herzen heraus, ohne dafür die Hand aufzuhalten." Bei der Märchenoma seien "Kinder, die uns nicht so gut zuhören, so fasziniert", freut sich Schick. Und der Besuch wirkt beim Nachwuchs nach: Die Geschichten, die die Märchenoma vorträgt, spielen die Kinder anschließend nach oder malen etwas dazu.
Für das Erzieherteam sei ihre Anwesenheit eine große Unterstützung. Hoffmann schenke als Märchenoma den Kindern ihre ungeteilte Aufmerksamkeit und ziehe sie in ihren Bann. Das bereichere den Kita-Alltag.
"Es macht mir so viel Freude. Es lohnt sich, sich mit Kindern zu beschäftigen. Wenn sie Zuwendung bekommen, reagieren sie sofort darauf", sagt die 77-Jährige, die auch noch eine Senioren-Parkinson-Gruppe betreut und 32 Jahre lang das Kinderturnen in Weilburg leitete. Im Flur werde sie fröhlich begrüßt, die Kinder umarmen sie und wollen ihr beim Tragen des Korbes helfen.
Und für ihre Märchenoma basteln und malen die Ahäuser Kinder regelmäßig. Dass die Basteleien dann gut sichtbar an der Eingangstür und in den Fenstern von Hoffmanns haus hängen, freue die Kinder bei jedem Spaziergang, sagt Kita-Leiterin Beate Schick: "Das ist eine besondere Wertschätzung."