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Gehirn im Notfallmodus

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Dr. Beate Lotz Ärztin für Psychotherapie © Red

Schmitten. Auch wenn Geflüchtete aus dem Kriegsgebiet in der Ukraine in Deutschland erst einmal einen sicheren Ort gefunden haben, wirken traumatische Erlebnisse noch nach. Gastgeber und ehrenamtliche Helfer sind oft unsicher, wie sie ihren Schützlingen in einer solchen Situation beistehen können. Dr. Beate Lotz, Ärztin für Psychotherapie aus Schmitten, gab auf Einladung der ehrenamtlichen Gruppe »Ukraine - Schmitten hilft« mit ihrem Vortrag »Trauma, Traumafolgen und Erste Hilfe bei Traumasymptomen« Tipps für den Alltag im Umgang mit Geflüchteten aus Kriegsbieten

Zunächst beschrieb die Referentin in Abgrenzung zu psychiatrischen Problemen, die ärztliche Behandlung dringend erforderlich machen, posttraumatische Symptome und sagte: »Bei existenzieller Bedrohung an Leib und Seele an sich selbst und anderen schaltet das Gehirn auf ein Notfallprogramm um.« In der Natur erstarre das Beutetier, wenn Flucht und Kampfbereitschaft nicht zum Ziel führten, der Jäger lasse von ihm ab.

So viel Normalität wie möglich

Den Krieg in der Ukraine bezeichnete Lotz als maximale emotionale Überwältigung, die auch nach der Flucht noch zu einer akuten Belastungsreaktion führen könne. Das Gefühl des Ausgeliefertseins, Unruhe und die Unfähigkeit, Reize zu verarbeiten, könnten das Bewusstsein einengen und Menschen sogar über Stunden in einen Angstzustand mit schneller Atmung versetzen. »Helfende sollten wissen: Je länger dieser Zustand anhält, desto schwieriger ist es, das Nervensystem wieder herunterzufahren. Und je jünger die Betroffenen, desto schwieriger ist die Stressbewältigung«

Bei noch anhaltender körperlicher Erschöpfung lasse die seelische Verzweiflung oft nur langsam nach. Immer wieder komme Angst um die Zurückgebliebenen auf, und es entwickelten sich Schuldgefühle, weil man sie zurückgelassen habe. Bei zwei Dritteln der Betroffenen hielten die posttraumatischen Belastungsstörungen bis zu drei Monate an. »Dann fühlt es sich immer wieder an, als ob die Kriegsereignisse hautnah ablaufen, es kommt zu Unruhe- und Schlafstörungen sowie Depressionen«, erklärte die Ärztin. Dieser Ablauf sei biologisch normal. Wo die Regenerierung des vegetativen Nervensystems nicht möglich sei, brauche es ärztliche Hilfe.

Und wie können Gastgeber und ehrenamtliche Helfer traumatisierten Menschen helfen? »Vermitteln Sie Sicherheit und stellen Sie so viel Normalität wie möglich her«, sagte sie. Am besten gehe das beim gemeinsamen Essen und im besten Fall auch Kochen, beim Spazierengehen oder Aufenthalt im Garten.

Wichtig sei auch der Kontakt zu den Angehörigen in der Ukraine. Negative Nachrichten in den Medien sollten begrenzt werden, um das Drama nicht immer wieder anzuschieben. Zur Beruhigung seien Alkohol und Medikamente nicht tauglich. Vielmehr sollte man die Betroffenen animieren, Atem- und Entspannungsübungen oder Yoga zu machen. Auch Musik und Bilder könnten zur Entspannung beitragen. Über Sport ließe sich überschüssige Energie abführen. »Teilen Sie die Probleme in kleine lösbare Stücke auf«, empfahl sie und konkretisierte: »Versuchen sie nicht, Strategien zu entwickeln, wie der Krieg zu beenden ist, sondern strukturieren sie den nächsten Tag.«

Die eigenen Grenzen erkennen

Wichtig sei es, der Ohnmacht entgegenzuwirken. »Wenn Geflüchtete Gemeinschaft erleben bei Gesprächen beim gemeinsamen Tun wie Singen oder Wandern und auch in der Küche oder im Garten helfen dürfen, fühlen sie sich wertvoll«, ist Lotz überzeugt. Dann entstehe auch Vertrauen. Der schwierigste Punkt sei es, Hoffnung zu vermitteln, wenn das Grauen weiter anhalte. Den Geflüchtete sollte man deshalb immer wieder zeigen, dass sie willkommen sind und nicht allein seien.

Wenn jedoch die Erregungszustände nicht aufhörten, im Ausnahmezustand sogar Essen und Trinken verweigert würden, sei in jedem Fall ein Facharzt hinzuzuziehen. Vor allem sollten die Helfer ihre eigenen Grenzen erkennen und sorgsam mit sich selbst umgehen, vor allem wenn Wohnraum geteilt werde.

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