Mit sensibler Burschikosität

Schmitten. Pflegeberufe sind in der Corona-Zeit in das Rampenlicht getreten. Personalknappheit, Überlastung, schlechte Bezahlung und dann noch die Frage nach der Impfpflicht wurden diskutiert. Im Fokus standen dabei die Pflegeberufe in Krankenhäusern aber auch in Alten- und Pflegeheimen. Aber es gibt auch Pflegeberufe, die im Schatten der genannten Einrichtungen wirken, und dies ist alles andere als Dienst nach Vorschrift.
Detlef Wecke ist ein solcher Pfleger, der nach zehn Jahren im Niederreifenberger Hospiz Arche Noah in den Ruhestand geht. In einem Haus, wo gelebt wird, aber der Tod unweigerlich das letzte Wort hat, zu arbeiten, ist sicher nicht mit anderen Arbeitsstellen zu vergleichen.
Sinnvoller und sinnstiftender Beruf
Leid, Verzweiflung aber auch Freude, Dankbarkeit und innerer Frieden sind hier Seite an Seite spürbar, und in diesem Kräftefeld zeigt Wecke eine erstaunliche Gelassenheit. Eine sensible Burschikosität könnte man seine Haltung beschreiben. Aber dahinter steckt eine Zufriedenheit, denn der Beruf kann wie kein anderer erfüllend sein: »Es ist ein schöner Beruf, sinnvoll und sinnstiftend.« Gelassenheit und Haltung zeichnen auch die Lebensgeschichte Weckes aus, der aus dem Südharz kommt, einen technischen Beruf gelernt hatte, aber mit dem Gesellschaftssystem und Staatsapparat der DDR nicht zurechtkam und sich nicht arrangieren wollte. »Zwei Mal wollte ich flüchten, zwei Mal ist es schiefgegangen, und dafür saß ich auch im Gefängnis.
Er kann anderen etwas geben
Die Bundesrepublik hat mich freigekauft. Im Knast habe ich gemerkt, dass ich anderen Menschen etwas geben kann«, so der bekennende Christ. 1982 kam er »rüber« und beendete drei Jahre später seine Ausbildung zum Altenpfleger. Nach verschiedenen Stationen in Usingen, Möttau und Wetzlar verließ er aber doch den Bereich Altenpflege, denn ein Wermutstropfen, der ihn bedrückte, war der zeitlich durchgetaktete Arbeitsablauf: »Hier im Hospiz gehen die Uhren anders«, sagt er.
Auch hier habe man zwar alle Hände voll zu tun und Schichtdienst, aber man könne sich bei Bedarf Zeit für die Gäste nehmen, »Dann übernimmt halt die Kollegin«, und in einem anderen Fall laufe es umgekehrt. »Man muss auch mal Zeit zum Heulen, Schimpfen oder Lachen haben.«
Wecke kann Geschichten über das Leben und den Tod erzählen, und die positiven Erlebnisse sprudeln nur so aus ihm heraus: So erzählt er von den leuchtenden Augen eines Diabetikers, dem er ein Stück seiner Lieblingstorte hingestellt hatte, oder dem Strahlen im Gesicht eines Gastes, der sich ein Vollbad gewünscht und ein Wellnessbad bekommen hatte, oder den Ausflügen, denn viele wollen noch einem dorthin, wo es ihnen immer so gut gefallen hat. Eine Strandparty wurde auch einmal organisiert und ein Segelflug war einmal, ein letzter Wunsch, den man erfüllen konnte.
»Hier ist nicht nur Heulen und Zähneklappern, hier wird auch mal ein Witz gemacht, auch wenn es einer über den Tod ist«. Die Angst vor dem Ende wird sanft gedämpft, denn wo der Tod zu Hause ist, kann gerade Geborgenheit den Abschied erleichtern. Das wissen auch die Angehörigen zu schätzen. Mit seiner Familie wohnt er in einem Häuschen in Weinbach, 38 Kilometer von Schmitten-Niederreifenberg weg, 170 000 Kilometer, hat Wecke mal ausgerechnet, ist er zur Arbeit und wieder zurückgefahren. Das nimmt er auch noch weiter in Kauf, denn so ganz will Wecke mit dem Dienst am Nächsten noch nicht aufhören.