Vor 130 Jahren: Anfänge des Wintersports im Taunus

Als Skier noch Schneeschuhe hießen: Karl Breitung von der TSG Niederreifenberg hat in Archiven gewühlt.
Kaum ist der erste Schnee gefallen, zieht es Wintersportler aller Couleur wieder in Scharen auf den höchsten Gipfel im Taunus. Aber seit wann heißt es im Taunus überhaupt „Ski und Rodel gut“? Karl Breitung, Vorsitzender der TSG Niederreifenberg, verbringt seit seinem Ruhestand noch mehr Zeit mit der Erforschung der Lokalgeschichte. Im neuesten Jahrbuch des Hochtaunuskreises hat er sich mit den Anfängen des Wintersports in unserer Region befasst. Die liegen gerade einmal 130 Jahre zurück.
Aus dem Jahr 1891 ist bekannt, dass bei einer Sitzung des Taunusklubs in Frankfurt vorgeschlagen wurde, Schneeschuhe aus Wien zu bestellen. „So werden um diese Zeit die gebogenen Holzlatten bezeichnet, mit denen die Fortbewegung im Schnee nach skandinavischem Vorbild optimiert werden kann“, schreibt Breitung.
Kurse gibt es ab 1910
Schneeschuhe mit Stab inserierte am 2. Dezember 1893 der Bad Homburger Möbelhändler Georg Becker. Anfangs ist laut den Recherchen des Lokalhistorikers der Skilauf mit einem einzelnen massiven Stock betrieben worden. Erst ab circa 1905 habe sich dann die Zweistocktechnik durchgesetzt.
Vom 10. Januar 1895 liegt Breitung ein Bericht vor, wonach Wanderer des Taunusklubs auf ihrer Traditionswanderung zum Großen Feldberg „Schneeschuhläufer in der Kunst des Schnellfahrens und des Purzelbaumschlagens beobachtet“ haben. Zwei Jahre seien es schon deutlich mehr gewesen. Bereits am 22. Februar 1902 richtete der Skiclub Taunus das erste Skirennen auf dem Feldberg aus. „Es war eine Kombination aus Langlauf und Abfahrt, denn die Strecke führte über zehn Kilometer vom Gipfel hinab zum Fuchstanz, weiter zum Sandplacken und wieder steil hinauf zum Plateau. In einer Stunde und acht Minuten kam der Sieger ins Ziel“, so Breitung.
Ab 1910 sind die ersten Angebote zur Abhaltung von Skikursen bekannt. Im gleichen Jahr schilderten Mitglieder des Taunusklubs fünf Skiwege im Taunus aus. Denn es gab bereits ab 1900 erste Beschwerden, dass Skifahrer keine Rücksicht auf die Fußgänger nahmen, weil sie die Wanderwege für ihren Sport nutzten.
Um die Gleitfähigkeit der Schneeschuhe zu erhöhen, experimentierten Skibegeisterte damals mit Seifenlaugen. „Skiwachs oder gar Schlepplifte waren noch Fremdwörter“, so Breitung. Als Kostbarkeiten weckten Schneeschuhe damals Begehrlichkeiten. So wurde 1911 ein Diebstahl von ein paar Schneeschuhen, zwei Meter lang aus Eschenholz mit Patentvorrichtung, aus der Gastwirtschaft Walküre auf dem Feldbergplateau angezeigt.
Breitung hat auch die Entwicklung des Schlittens vom Transportmittel zum Sportgerät nachgezeichnet. Den ersten Hinweis auf das Rodeln fand er in der Polizeiverordnung von 1880 und in einem Bericht aus Bad Homburg von 1883. Demnach wurden abschüssige Straßen zum Schlittenfahren und zum Schleifen genutzt. Kinder glitten auf Hilfsmitteln, die Schubladen oder Wannen ähnelten, bergab.
20 000 Menschen in Sonderzügen
Einen großen Aufschwung erreichte diese Sportart im Taunus durch den Kronberger Hof- und Wagenbauer Jean Kunz, der sich 1907 seinen neuartigen Schlitten patentieren ließ. Die Eschenholzkonstruktion mit Doppelprofileisen und einer Lenkvorrichtung sollte eleganter, stabiler und schneller als die bisherigen Rodel sein. Markenzeichen waren die runden Kufen und ein dunkelroter Sackleinwandüberzug.
Gefördert wurde der Rodelboom vom Frankfurter Rodelclub Taunus, der 1907 bereits 400 Mitglieder zählte. Auf dessen Initiative wurden 1908 die Wege von Ober- und Niederreifenberg zum Feldberg in Rodelbahnen mit einer Länge von bis drei Kilometern umgewandelt. Zur Rodelbahn Schwarzer Weg in Kronberg sollen sonntags bis 20 000 Menschen mit Sonderzügen angereist sein, um die spektakulären Eindrücke rasender Schlittenfahrer live mitzuerleben. Nach den ersten Unfällen standen dort ab 1909 Sanitäter an der Rodelstrecke. Seit 1908 wurden in Kronberg im Wechsel mit der Nordbahn am Hang des Feldbergs Taunusmeisterschaften und Preisrodeln veranstaltet. VON EVELYN KREUTZ