Bach pur - eine überragende Isabel Gehweiler spielt Bachs Cellosuiten 1 bis 4 beim Hauskonzert Feldberg raumerfüllend und facettenreich.
Von red
Virtuos und voller Klangfarbe: Isabel Gehweiler spielt Bachs Cellosuiten hinreißend anders. Foto: Groh
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OBERREIFENBERG - Im 43. Kammerkonzert bei Hauskonzert Feldberg begrüßten Gastgeber Esther und Ralf Groh die Cellistin und Komponistin Isabel Gehweiler. Sie spielte aus dem Programm ihrer geplanten CD-Einspielung: Johann Sebastian Bachs Suiten für Violoncello solo.
Am Samstag, den 16. März, erklangen die Suiten 1 bis 4, BWV 1007 bis 1010. Entstanden sind diese Cellosuiten wohl in Bachs Weimarer Zeit in den Jahren ab 1713. Genau weiß man es nicht, da kein Autograph (eine eigenhändige Niederschrift eines Verfassers, Anm. d. Red.) überliefert ist. Als gesichert muss hingegen gelten, dass das Violoncello, für das Bach seine Sammlungen aus Tänzen schrieb, ganz anders aussah, als es uns heute geläufig ist. Vermutlich wurde es ähnlich einer Violine am Arm mit Violinfingersatz gespielt und würde heute als Viola da Spalla bezeichnet werden. Und zumindest die vierte und die noch spätere sechste Suite wurden wohl für das gerade neu aufgekommene fünfsaitige "Violoncello Piccolo" konzipiert, das Bach ebenfalls selber spielte. Dadurch ließe sich auch erklären, dass Tonumfang und Komposition den Cellisten auf modernen 4-saitigen Instrumenten bis an die Grenzen fordern und die Werke auch für die höhere Viola in Anspruch genommen werden, wie Isabel Gehweiler in einer kurzen Einführung nach der Pause erläuterte.
Den ersten Teil des Abends gestaltete die Cellistin ausschließlich mit ihrem Instrument und Bachs Musik der ersten drei Suiten. Jede besteht aus einem Prélude gefolgt von sechs barocken Tänzen. Die ersten drei sind stets gleich: Allemande, Courante, Sarabande. Danach folgen je zwei Menuette bzw. Bourrées bevor eine Gigue die Suite beendet. Trotz der verbindenden Form hat Bach natürlich eine vielfältige inspirierende Sammlung geschaffen, die das Publikum über den ganzen Abend fesselte. Für Gänsehaut und viele Gespräche in der Pause und im Nachhall sorgten sowohl Isabel Gehweilers Spiel wie auch ihr Instrument, ein 2009 speziell für sie gebautes Violoncello des Freiburger Geigenbauers Ersen Aycan.
Gleich der erste Ton füllte den Raum in einer Intensität, die kaum einer erwartet hätte. Die Töne (insbesondere die Tiefen) berührten einen fast physisch. Niemand konnte sich dem zupackenden Griff des Cellos und seiner Cellistin entziehen. Mit der unbändigen Kraft geht eine sehr facetten- und obertonreiche, von manchen als herb empfundene Klangcharakteristik einher. Der intime Rahmen des Kammerkonzerts und die sehr transparente Akustik des Raumes regten denn auch etliche Gespräche über diesen frischen, modernen Bach-Sound an.
Isabel Gehweiler kommt er jedenfalls bestens zupass, denn als Komponistin kann sie natürlich nicht einfach nur in der zurückschauenden Reproduktion der rund zweihundertjährigen Kompositionen stehen bleiben. Ohne von den überlieferten Noten abzuweichen setzt sie doch mit ihren Mitteln eigene Akzente. Neben dem enormen Klangspektrum ihres Instruments nutzt sie dazu vor allem die Tempi. Besonders in der besonders anspruchsvollen vierten Suite ignoriert sie die "Tanzbarkeit" und bringt den Barock in die schnelle Neuzeit. Zweite Wiederholungen in den Tänzen streicht sie ganz bewusst, denn alle Gäste sitzen gebannt auf ihren Plätzen. Ihr Spiel bleibt dabei so sauber wie präzise. Die lyrischen langsamen Stücke heben sich so noch mehr heraus. Und doch ist ihr Spiel eine später noch viel diskutierte Provokation für ein Publikum, dessen Hörerfahrung sowohl die romantisierende Sicht der siebziger wie auch die der heute dominierenden Originalklangbewegung umfasst. Hier blickt eine junge Komponistin und Cellistin mit jugendlicher Ungeniertheit neu auf eines der größten Werke für ihr Instrument, das Pablo Casals einmal als "Quintessenz von Bachs Schaffen" bezeichnete. Bach selber sah Casals sogar als "Quintessenz der Musik".
Mit ihren Zugaben zeigte Isabel Gehweiler dann auch in zwei Improvisationen, wie sie diese Quintessenz gerne weiterentwickelt sähe und verband Bachsche Motive mit teils sehr modernen Klängen zu begeisternden Miniaturen. Nicht nur zwei Teenagerinnen im Publikum "fanden die Zugabe heute am besten". "Doch der Höhepunkt waren die 4 Suiten" fanden andere, bedauerten "die vorherigen 42 Kammerkonzerte leider verpasst zu haben" und beschlossen "aber nicht das folgende" zu verpassen.
Dieses findet am 11. Mai statt. Darin gibt der in Wien lebende Konzertpianist Andrej Kasik einen Solo-Klavierabend. Karten je 25 Euro inklusive Nachhall mit hausgemachtem Imbissbuffet und Wein, (Kinder frei). Informationen und Reservierung unter www.hauskonzert-feldberg.de.