Im Rahmen der Reihe "Hauskonzert Feldberg" haben Bariton Holger Falk und Julius Drake am Klavier in Oberreifenberg exklusiv das Programm ihrer kommenden US-Tournee präsentiert.
OBERREIFENBERG - Erstmals an einem Dienstagabend öffneten Esther und Ralf Groh diese Woche ihren Wohnraum für ein Konzert mit zwei absoluten Ausnahmekünstlern: Bariton Holger Falk gab mit Julius Drake am Klavier das Programm ihrer kommenden US-Tournee. "Wenn uns solche Stars anbieten, extra an den Großen Feldberg zu reisen, machen wir natürlich jeden Termin möglich", freuen sich die Veranstalter und nennen diese außergewöhnlichen Ergänzungen des Konzertkalenders "Plus-Konzert". Dass dieses Plus gar nicht groß genug geschrieben werden kann, bewiesen Holger Falk und Julius Drake aufs Eindrucksvollste.
Über den perfekten, präzisen Vortrag selbst größter Schwierigkeiten braucht hier selbstverständlich nichts weiter ausgeführt zu werden - die Mühelosigkeit ihres Spiels öffnete alle Sinne für die herzergreifende Gestaltung und Hingabe, die jeden im Publikum erfasste. Im ersten Teil erklangen Franz Schuberts Lieder nach Johann Gabriel Seidl und Hanns Eislers Hollywooder Liederbuch und Hollywood Elegien. Deren deutsche Texte brauchte auch niemand mitzulesen, denn Holger Falk artikulierte sie mit einer Prägnanz, dass förmlich jeder Buchstabe unter die Haut ging.
In den von Schubert in seinen letzten Lebensmonaten vertonten Liedern über Liebe, Sehnsucht, Abschied und Tod setzte der Bariton zunächst ganz auf die Vielfalt seiner Stimme. Ob zärtlich säuselnd, verführerisch schmeichelnd, gehässig plärrend, wütend schnaubend oder traurig sinnierend, man wurde ergriffen von Wort und Ton. Julius Drake war dabei ein ebenbürtiger Partner und Anstifter, der diese klangliche Vielgestalt am Flügel verstärkte. Energisch zupackend und mit unglaublicher Feinheit in der Ausführung gerade auch in den leisen Passagen.
Mit Eislers Liedern aus dem amerikanischen Exil in den 40er-Jahren wurde es thematisch noch düsterer. Verzweiflung, Abscheu und Unverständnis über das Geschehen in Europa, aber auch Befremdlichkeit gegenüber einer als unerträglich oberflächlich empfundenen amerikanischen Kultur werden in Eislers Vertonung der Brecht-Texte zu einem breiten Fächer aus musikalischen Stilen von der Romantik ins impressionistische, expressionistische und schließlich Anklängen von Schlager und Blues. Mühelos geht es vom tiefen Bass bis ins höchste Falsett. Julius Drake treibt die Rhythmen, legt den mal düsteren, mal dramatischen, mal ironischen Klangteppich, in dem ganz subtil viel mehr Töne erklingen, als zunächst offensichtlich ist. Holger Falk offenbart sich jetzt als Schauspieler, macht seine kleine Standfläche zwischen Flügel und erster Reihe zur großen Bühne. Jeder im Publikum wird zum Mitspieler, sogar der Notenständer. Seine Mimik ist expressiv, Julius Drakes Züge entrücken in die Musik, spiegeln jedes Detail seines Spiels wider.
Nach der Pause kamen im französischen Teil des Abends die Liederzyklen Banalités und Caligrammes von Francis Poulenc sowie dazwischen Ludions von Eric Satie zur Aufführung. Hier steht bewusst nicht "zu Gehör" oder "wurden gespielt", denn es war eine wahre Aufführung mit und für alle Sinne. Das Spiel mit dem Publikum steigerte sich ins orgiastische. Drake und Falk entrückten sich immer weiter, steigerten sich in die Musik, in die Texte, waren pure Emotion gemeinsam mit dem Publikum. Wie sie dabei auch noch die geradezu akrobatische Artikulation in immer wieder halsbrecherischem Tempo bewerkstelligten, das wissen die Sterne. Wer die Übersetzungen im Programmheft nicht vor-gelesen hatte, konnte kaum folgen. Auch Drake ließ die Sterne funkeln aus den unendlich vielfältigen Stimmen des Flügels. Ebenso genoss er die unendlichen Weiten in den lange ausklingenden Schlussakkorden und spannenden Generalpausen.
Das letzte Lied "Voyage" (Reise) endet übersetzt mit den Worten "Die Mondnacht, voller Sterne, Es ist Dein Antlitz, das ich nicht mehr sehe." So war es auch am späten Dienstagabend: Die Sterne zogen weiter Richtung Elbphilharmonie und später nach New York. Wann wird man ihnen wieder so nahe kommen?