Traditionstour der Possenreißer auf Drahteseln

Wehrheim (mai). Noch schnell an der Zapfstelle des Oranienhofs eine Flasche Milch geholt, dann konnte sie losgehen, die »Tour de Pokulage« 2022. 11.41 Uhr war der genaue Startzeitpunkt, aber auch wenn Verspätungen mit Strafbier geahndet werden, geht es meist nicht ganz pünktlich los. Kurzfristiges Absagen wird sogar mit einem ganzen Kasten Bier berechnet.
Vor dem Oranienhof erregten zwei Schlümpfe, ein Tiger, ein Rennfahrer, ein Cheerleader, ein deutscher Boxmeister, eine Ballett-Tänzerin mit Tutu, ein Ritterfräulein in blau-samtenem Gewand und viele andere kostümierte Radler das Aufsehen von Spaziergängern und Milchzapfern. Ein Mitglied der Hells Angels und ein Rennradler waren auch dabei. Der Hells Angel hatte sich viel Mühe gemacht und seinen ganzen Tretesel samt Bierkasten vor dem Vorderrad in schwarzem Lack angemalt. Eine nachträgliche Faschingsveranstaltung war das allerdings nicht. Im wahren Leben sind die mehr als 20 Jungs, die sich wie jedes Jahr im Mai zur Tour de Pokulage treffen, Fußballer der drei Mannschaften der Fußball-Spielgemeinschaft Wehrheim/Pfaffenwiesbach, und der diesjährige Ausflug war der sechste. Sie waren aber nicht nur kostümiert, sondern mit dem Fahrrad gekommen, um die Kneipen zwischen Wehrheim und Anspach zu erkunden. Ein Tandem hatten sie auch dabei, aber ob damit derjenige transportiert wird, der am Ende nicht mehr treten kann, verrieten die Jungs nicht.
»Es wird alles gesittet zugehen«
Allerdings so viel: »Es wird alles gesittet zugehen, wir trinken nicht zu viel und fahren nur Nebenwege.« In jeder Gaststätte, vom Bahnhofskiosk über das Getränke-Domizil, die Talmühle, eine der Gaststätten in Obernhain, das Griechische Restaurant am Bahnhof in Wehrheim und das Löwenherz gebe es für jeden nur ein Getränk. So richtig losgehen sollte die Feierei am Ziel der Radtour, der Gaststätte »Zum Bizzenbachtal« im Wehrheimer Schwimmbad.
Viel Spaß gehört dazu, denn nicht umsonst trägt der Ausflug den Namen »Tour de Pokulage«, ein Begriff, der aus dem Französischen kommt und ein altes Wort für possenreißerisches Gelage ist. Das Possenreißen haben die Jungs wirklich gut drauf. »Diese Tour ist immer eine Riesengaudi.«
Schon die Nummern und Namen auf den Rückenschildern treiben manchem die Lachtränen in die Augen. Da fährt die »Parkuhr« vor dem »Ladyboy«, gefolgt vom »Radler 21«, neben einem Biker mit der Aufschrift »Dumm« und seinem Kollegen »PPPPP«. Dahinter versteckt sich eine der Hauptpersonen der Tour dieses Jahres - Philipp Velte. Ihn möchten seine Fußballkumpels schon seit vielen Jahren verkuppeln, doch jetzt scheint es gelungen zu sein. Mit glücklichem Lächeln verriet er: »Das ist heute mein Junggesellen-abschied. Der Glückliche ist Dominic Tourish, wann die Hochzeit ist, soll aber nicht verraten werden. Umweltfreundlich ist der Abschied allemal, denn: »Andere machen eine Tour nach Malle.« Die Fußballer aus Wehrheim dagegen radelten insgesamt knapp 15 Kilometer durchs Usinger Land, und statt auf dem Ballermann endete ihre Tour im Bizzenbachtal. Hund Collim hätten sie im Flieger auf jeden Fall nicht mitnehmen können, aber der hatte sichtlich seine Freude daran, sich mit den radelnden Fußballer mal so richtig auszutoben.