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Baubeginn vor 100 Jahren

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Von: Frank Saltenberger

Vor 100 Jahren wurde mit dem Bau des neuen Amtsgerichts begonnen. Nach zwei Jahren wurde es eingeweiht und dient heute der Polizei als Dienstgebäude.
Vor 100 Jahren wurde mit dem Bau des neuen Amtsgerichts begonnen. Nach zwei Jahren wurde es eingeweiht und dient heute der Polizei als Dienstgebäude. © fms

Altes Amtsgericht ist heute Dienststelle der Polizei in der früheren Residenzstadt

Im April vor 100 Jahren wurde mit dem Bau des neuen Amtsgerichtes an der Weilburger Straße begonnen, ein Anlass einmal zurückzuschauen. Heute steht das Gebäude unter Denkmalsschutz, damals selbstredend noch nicht.

Für knapp 100 Jahre hat es sich ganz gut gehalten, aber stilistisch wirkt es dennoch älter, denn es passt nicht in die den Zeitstil der Moderne nach dem Ersten Weltkrieg. Die Neue Sachlichkeit, allen voran das Bauhaus, prägten die Epoche.

Im Geiste der Zeit errichtet

Usingen war noch nicht in der Moderne angekommen, die letzten „modernen“ Bauten waren die der Gründerzeit mit ihrem altdeutschen Touch. Aber es tat sich etwas. Usingen war immerhin Kreisstadt und eine alte nassauische Amtsstadt mit diversen Amtssitzen. Das Postgebäude in der Bahnhofstraße stammt auch aus den 1920er-Jahren und hatte den historistischen Schnörkel schon abgelegt. Das alte Nassauische Landesbankgebäude in der Wilhelmjstraße, heute Zahnlabor, schöpfte noch einmal aus der neobarocken Kiste. Aber Letzteres wie auch das Amtsgerichtsgebäude wurden mit Blick auf die städtebaulichen Rahmenbedingungen geschaffen. Die Landesbank fand sich noch von barocken Häusern umgeben, eines davon das stattliche Wilhelmj-Haus.

Auch das Amtsgericht lag noch im Wirkungsbereich der das Stadtbild prägenden barocken Oberstadt mit dem Prinzenpalais und dem Amtshaus. Hier ist der denkmalpflegerische Aspekt durch den Baumeister selbst verbürgt:

„Die staatliche Bauverwaltung hat sich verpflichtet gefühlt, den Neubau im Sinne und Geiste jener vergangenen Zeit unter bewusstem Verzicht auf neuzeitliche Modeformen und mit einem vielleicht etwas größeren Aufwand, wie er sonst bei gleichen Aufgaben üblich ist, ins Usinger Stadtbild hineinzustellen“, so formulierte es Baumeister Hornemann bei der Einweihung zwei Jahre später, wiedergegeben nach einem lokalen Zeitungsbericht.

Hornemann war Regierungsbaumeister, seine Dienststelle das Hochbauamt Bad Homburg, das in erster Linie eine Genehmigungsbehörde war. Als Planer des Amtsgerichtes hat Hornemann die Bauaufgabe hervorragend umgesetzt.

Die Bauaufgabe war gegeben: Es sollte ein Amtsgebäude entstehen mit Arbeitsräumen für Richter, Gerichtssekretäre, Gerichtsschreiber, Amtsanwälte, der Gerichtskasse, Grundbuch- und Katasteramt, einem Warteraum und einer Zelle für Prozesshäftlinge. Das Gebäude sollte darüber hinaus, das ist bei Amtsgebäuden üblich, die entsprechende Autorität für all diese Funktionen ausstrahlen.

Gemeinsamkeiten mit Kirche

Dazu wählte Hornemann einen langgestreckten Baukörper mit einer imposanten symmetrischen Fassade. Die Mittelachse wird durch einen vorspringenden Gebäudeabschnitt, einem Risalit, betont, der mit einem eigenen Giebel abgeschlossen und dem eine zweiläufige, über Podeste geführte stattliche Treppe vorgelagert ist. Reich mit Rocaillen verziert ist das schmiedeeiserne Geländer mit dem Symbol der Gerechtigkeit in der Mitte: der Waage.

Die Sockelgeschossfenster sowie die Gebäudeecken sind durch aufgeputzte Quader betont, der Risalit sogar doppelt. Hornemann greift den klassizistischen Barock auf, der besonders die nassauischen Länder von Weilburg über Wiesbaden bis Idstein einst prägte.

Verwiesen sei auf die evangelische Kirche in Grävenwiesbach von Hofbaumeister Friedrich Joachim Stengel. Auch diese weist an zentraler Stelle einem Risalit unter einem flachen Dreiecksgiebel auf. Eine solche Front geht auf die antiken Tempel zurück. Dazu kommen andere Merkmale, die Amtsgericht und Kirche gemeinsam haben.

Charakteristisch ist auch die sandsteinrote Fassung der Ecken und Fensterrahmungen, mit der das Amtsgericht zurzeit gerade seine ursprüngliche Farbgebung zurückbekommt. Der Weilburger Baumeister Julius Rottweil und die Wiesbadener Werkmeisterfamilie Bager haben sich dieses Farb- und Formenkanons bedient.

Vor dem Neubau tagte das Amtsgericht in einem Gebäude am Schlossplatz. Nach dem Abzug der Amtsjuristen aus Usingen übernahm die hessische Polizei den Bau an der Weilburger Straße und ist dort würdig untergebracht. VON FRANK SALTENBERGER

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