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Viel Schatten und ein paar Lichtblicke

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Von: Julian Dorn

Die Zahl der Fahrraddiebstähle ist im Kreis stark angestiegen.
Die Zahl der Fahrraddiebstähle ist im Kreis stark angestiegen. © Rainer Fuhrmann - Fotolia

Mehr Straftaten im Kreis 2022. Während sich die Zahl der Fahrraddiebstähle verdoppelt hat, gingen die Fälle der häuslichen Gewalt zurück.

Hochtaunus -Zum ersten Mal seit Langem dürfte in der Polizeidirektion Hochtaunus die Freude über die Ergebnisse der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) etwas verhaltener ausfallen. Dem hessischen Trend folgend, gab es in der Region im vergangenen Jahr wieder mehr Straftaten, und das, nachdem die Zahl sieben Jahre in Folge gesunken war.

Im Hochtaunus wurden im Vergleich zum vorvergangenen Jahr 151 Straftaten mehr registriert; insgesamt verzeichneten die Ermittler im vergangenen Jahr 8809 Taten. Die gute Nachricht: Die Anzahl der bekanntgewordenen Straftaten liegt damit aber noch immer unter dem Vor-Pandemie-Niveau; 2019 wurden 9035 Taten gemeldet.

Auch die Aufklärungsquote ist um 3,1 Prozent auf 60,3 Prozent gesunken, liegt damit zwar noch deutlich über dem Vor-Pandemie-Niveau, jedoch unter dem hessischen Schnitt von 63,7 Prozent.

Gestiegen ist auch ein Indikator, der die Gefährdung in einer bestimmtem Region angibt: die sogenannte Häufigkeitszahl. Sie dokumentiert das Verhältnis zwischen Einwohnern und begangenen Straftaten insgesamt. Auf 100 000 Einwohner kamen im Hochtaunus im vergangenen Jahr 3716 Straftaten, 2021 waren es noch 3649. Doch auch hier liegt die Zahl noch unter dem Vor-Pandemie-Niveau mit 3819 - und deutlich unter der Kriminalitätsbelastung in ganz Hessen von 4537 Taten pro 100 000 Einwohnern 2022.

Straßenkriminalität steigt frappant

Bei einigen Delikten ist der Anstieg der Taten besonders frappant. Eine negative Entwicklung lässt sich etwa bei der Straßenkriminalität feststellen. „Darunter fallen Sexual- und Raubdelikte, gefährliche und schwere Körperverletzung, Diebstahl sowie Sachbeschädigung, die im öffentlichen Raum begangen werden“, so ein Polizeisprecher. Im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Westhessen in Wiesbaden (Main-Taunus, Rheingau-Taunus, Wiesbaden und Hochtaunus) hat der Kreis „den höchsten Fallzahlenanstieg“ zu verzeichnen. So wurden im vergangenen Jahr insgesamt 1993 solcher Delikte angezeigt, das sind 376 mehr als 2021, was einer Steigerung von 23,3 Prozent entspricht. Und auch Fahrraddiebe schlugen in der Region deutlich häufiger zu. So verzeichneten die Statistiker 160 Fälle mehr als 2021, insgesamt 1250 - eine Zunahme von fast 56 Prozent.

Doch es gibt auch Lichtblicke in der Statistik. Denn obwohl im Bereich des Polizeipräsidiums Westhessen nach zwei Jahren sinkender Zahlen die Rückkehr zu vorpandemischer Normalität - die Menschen sind wieder öfters unterwegs, seltener zu Hause - wohl dazu geführt hat, dass die Zahl der Wohnungseinbrüche wieder zunimmt, so stemmte sich der Kreis 2022 erfolgreich gegen diesen Trend. Die Anzahl der Taten nahm im Vergleich zu 2021 sogar um 24 Fälle ab, sie sank von 241 auf 217 Einbrüche. Das ist der niedrigste je erfasste Wert, ein Minus von fast zehn Prozent.

Weniger Einbrüche entgegen dem Trend

Eine positive Entwicklung gibt es auch bei den Fällen häuslicher Gewalt. Noch 2020 hatte es mehr Fälle und einen Höchstwert im Zehnjahresvergleich gegeben - was wohl auch mit der Pandemie und den Lockdowns in Zusammenhang stand. Im Jahr 2021 wurden dann noch 355 solcher Gewalttaten registriert. Dies entspricht einer Abnahme um 9,2 Prozent (36 Taten). Im Jahr 2022 nun sank diese Zahl weiter auf 332 Fälle, ein Minus von mehr als 6 Prozent. Allein: „Die Zahl der Taten liegt weiterhin über dem Wert des Jahres 2019 (326 Fälle), so dass von einer Trendwende noch nicht gesprochen werden kann“, so die Polizei.

All diese Zahlen bieten eine Orientierung für Polizei, Politik und Justiz; sie sind ein Hilfsmittel, um Tendenzen in der Kriminalität zu erkennen und gegenzusteuern. Allein: Gibt die PKS verlässlich Auskunft über die Kriminalitätsentwicklung? Tatsächlich ist ihr Aussagegehalt begrenzt, worauf die Verfasser selbst hinweisen. Die Studie beschäftigt sich nämlich ausschließlich mit dem sogenannten „Hellfeld“ der Kriminalität, also den Fällen, die der Polizei bekannt werden. Nicht erfasst ist das „Dunkelfeld“ der Straftaten, die verübt wurden, ohne von der Polizei entdeckt oder angezeigt zu werden.

„Der Umfang dieses Dunkelfeldes hängt von der Art des Deliktes ab“, schreiben die Statistiker. „Es kann daher nicht von einer feststehenden Relation zwischen begangenen und statistisch erfassten Straftaten ausgegangen werden.“ Kontrolldelikte etwa, die erst durch polizeiliches Handeln aufgedeckt und erfasst werden, können eine hohe Dunkelziffer aufweisen. Dazu gehören etwa Korruption, Schwarzfahren, Rauschgiftdelikte oder Ladendiebstahl. Eine hohe Polizeipräsenz führt also meist zu mehr aufgedeckten Straftaten. Das gibt aber keine Auskunft darüber, ob die tatsächliche Zahl der Straftaten gestiegen ist. Bei sexueller Belästigung oder Kindesmissbrauch halten Kriminologen ebenfalls ein großes Dunkelfeld für sehr wahrscheinlich, da diese Fälle von den Opfern aus Scham oder Abhängigkeit entweder gar nicht oder erst Jahre später angezeigt werden. Auch im Hochtaunuskreis wurden einige dieser Delikte nicht von den Opfern, sondern von Organisationen und Behörden aufgedeckt, etwa vom „National Center for Missing & Exploited Children“ (NCMEC) in den USA. „Das NCMEC übermittelt Hinweise auf Kinderpornografie im Internet, sofern ein Bezug nach Deutschland festgestellt wird, an das BKA“, erklärt die Polizei. Die so mitgeteilten Verdachtsfälle sind verantwortlich dafür, dass die Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch im Kreis 2021 noch um 10 auf 31 Taten angestiegen waren (plus 47,6 Prozent). Im vergangenen Jahr sank die Zahl dann wieder auf 25 zur Anzeige gebrachte Fälle.

Das Anzeigeverhalten in der Bevölkerung, Kontrollintensität und andere Faktoren haben also Einfluss auf die Statistik. Laut BKA bietet die PKS „kein getreues Spiegelbild der Kriminalitätswirklichkeit, sondern eine je nach Deliktsart mehr oder weniger starke Annäherung an die Realität“.

164 Kinder unter den Tatverdächtigen

Der Fall der zwölfjährigen Luise aus Freudenberg, die mutmaßlich von zwei etwa gleichaltrigen Mädchen getötet wurde, bestürzt. Dass Kinder zu Mördern werden, ist extrem selten, Kinder und Jugendliche als Tatverdächtige etwa in Fällen von Ladendiebstahl, räuberischem Diebstahl, Rauschgiftdelikten oder Sachbeschädigung dagegen nicht. Im Hochtaunus waren 22 Prozent aller Tatverdächtigen 2022 unter 21, das waren 838 Personen. 2021 waren es noch 821, ein leichter Anstieg von zwei Prozent. Darunter waren 164 Kinder (unter 14 Jahren), 386 Jugendliche (zwischen 14 und 17 Jahren) und 288 Heranwachsende (über 18, aber unter 21 Jahren). judo

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