Vom Haupt-, Warn- und Leit-Bruch

Weilrod. Am Sonntag liegt der Schnee in Weilrods Wäldern etwa wadenhoch, als die fünf Jagdschüler die wohlige Wärme der Rondells in Mauloff verlassen. Bereits seit neun Uhr hatten die Teilnehmer des ersten Jagdkurses der ökologischen Jagdschule auf ihren vier Buchstaben gesessen und die Schulbank gedrückt. Nun am Nachmittag geht es hinaus in den Wald.
Neun Teilnehmer besuchen diesen ersten Kurs, dessen Lerneinheiten auf einem ehemaligen Familienferiengelände stattfinden. Zurzeit sind es jedoch weniger - zwei Teilnehmer hatten an diesem Samstag private Termine, zwei andere sind wegen der Corona-Pandemie ferngeblieben. »Sie wollten eigentlich übers Internet am Kurs teilnehmen, doch das hat uns leider im Stich gelassen«, so Marc Pellekoorne, Gründer der Schule.
Über dieses Problem wird er noch einmal nachdenken müssen, damit auch für die Zukunft über die Ferne ein Lernen ermöglicht werden kann. »Die Pandemie ist ja noch nicht vorbei. Oder wir sagen, wir machen die reine Theorie tatsächlich nur übers Internet. Das ginge dann auch von Zuhause, wo vermutlich jeder eine bessere Leitung in Zeiten des Homeoffice hat«, sagt Pellekoorne.
Hornsignal als Warnung
Auf dem Stundenplan stand am Samstag ab neun Uhr zunächst reine Theorie: Wildkrankheiten von Tierärztin Saskia Nemitz und Wildbret-Hygiene von Jäger und Metzgermeister Marc Dreyer. Nachmittags übernahm Pellekoorne selbst den Unterricht und lehrte Wildtierkunde, Jagdbetrieb sowie den Land- und Waldbau. Doch so wichtig die grundsätzliche Theorie beim Absolvieren des Jagdscheins auch ist, es bringt nichts, wenn man das Gelernte nicht auch anwenden kann. Somit waren die fünf Anwesenden »ganz heiß« drauf, endlich ins Gelände zu kommen.
Doch was ist der Grund für die Teilnehmer, überhaupt einen Jagdschein zu machen? »Bei mir gibt es im Freundeskreis ganz viele Jäger, so kann man mitreden« erklären dazu Peter Kreyenhop und Torsten Post, Teilnehmer des Kurses, als sie aus dem Rondell in den tiefen Schnee treten. Bei den anderen ist es vornehmlich persönliches Interesse oder - im Fall von Markus Pfuhl - sogar ein familiäres »Erbe«.
Der Praxisteil fand schließlich in der Nähe von Neuweilnau statt. Bei einer Forsthütte hält der Tross der Wagen an. Gleich um die Ecke findet sich ein Kontrollschussplatz in Form einer langgezogenen Lichtung im Wald, die aufwärts führt. »Der Hang dient als Kugelfang«, betont Pellekoorne. Hier kann der Jäger binnen weniger Schuss schauen, ob das Gewehr präzise reagiert. Wer später einmal schießen will, hat da übrigens keinen großen Spielraum in puncto Treffsicherheit: Lediglich bierdeckelgroß darf die Abweichung vom Ziel bei der Jagdprüfung sein.
Doch das Schießen steht heute nicht auf dem Programm. »Wir schauen uns heute die Jagdzeichen oder - in der Jagdsprache - Brüche an«, erklärt der Dozent und marschiert in Richtung eines Hochsitzes. Hier deutet er auf im Schnee liegende Fichtenzweige. Wenn man genauer hinschaut, so sieht man, dass ein Teil der Rinde mit einem Messer zwischen den Nadeln abgeschnitten wurde. »Dies ist der sogenannte Hauptbruch und dient der Aufmerksamkeitserregung.« Ein Stück weiter hängt am Hochsitz ein zu einem Ring gebundener »Warnbruch«. »Dies ist nicht etwa ein Traumfänger, sondern dient dazu, die Jäger vor einer unmittelbaren Gefahr zu warnen. Beispielsweise, wenn der Hochsitz nicht mehr trittsicher ist«, hält Pellekoorne das merkwürdige Gebilde in die Höhe. Weiter geht es zum nächsten Bruch, der nur wenige Meter daneben liegt.
Leicht zu übersehen
Hier zückt er sein Jagdhorn und demonstriert unterschiedliche Hornsignale. Mit ihnen haben sich Jäger früher - als es noch keine Mobiltelefone gab - untereinander verständigt und gewarnt. Auch heute noch sind diese Signale wichtig: »Sie dienen, neben der Pflege des jagdlichen Brauchtums als Verständigung, sollte es kein Mobilfunknetz geben. Natürlich werden dadurch auch Besucher gewarnt, die im Wald unterwegs sind.«
Auf dem fast dreistündigen Ausflug in den tiefverschneiten Wald lernen die Schüler nicht nur, auf Jagdzeichen zu achten, die sie sonst, bei einem Waldspaziergang, niemals bemerkt hätten. »Das hätte ich ganz leicht für einfach auf den Boden gefallene Tannenzweige gehalten«, sagt eine Kursteilnehmerin.
Natürlich lernen die Schülerinnen und Schüler auch, unterschiedliche Tierlosungen (die Kothaufen) sowie einen Hoch- von einem Niederwald zu unterscheiden und was es mit Fledermauskästen oder aber Borkenkäferfallen auf sich hat.
Dabei geht es nicht auf ausgetretenen Wegen entlang, sondern zum Teil mitten durchs Gelände im tiefen Schnee. Schließlich hat auch der letzte Jagdschüler kalte Füße, da Pellekoorne immer wieder stehenbleibt, um das eine oder andere zu zeigen. Gegen 16 Uhr hat der Dozent ein Einsehen mit den frierenden Schülern und kehrt in Richtung Autos um. Hier gibt es noch eine letzte Feedbackrunde. Nicht jeder der Teilnehmer des Kurses möchte übrigens tatsächlich auf die Jagd gehen. »Die meisten interessiert das Wissen über den Wald und die Tiere. Nur einer möchte später tatsächlich selbst jagen«, sagt Pellekoorne.
Als Naturfreund freut er sich, dass so viel Interesse besteht, einen tieferen Einblick in die ökologischen Zusammenhänge zu bekommen. »Das ist mir eine Herzensangelegenheit - neben dem Naturschutz - Umwelt- und naturbewusste Jäger heranzuziehen, die mit der Natur und ihren natürlich Zyklen arbeiten und nicht gegen sie.«
Dies scheint ihm zumindest bislang gelungen zu sein. Der nächste Kurs der ökologischen Jagdschule startet am 11. März. Weitere Informationen unter www.oekokogische-jagdschule.de
