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Die Bagger rollen noch lange nicht

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Von: Alexander Schneider

Die Dimension der Rotorblätter war mit 58,5 Metern schon beim Windpark Weilrod I gewaltig, wie der Größenvergleich mit dem VW-Bus zeigt. Die neuen Flügel sind noch einmal 13 Meter länger.
Die Dimension der Rotorblätter war mit 58,5 Metern schon beim Windpark Weilrod I gewaltig, wie der Größenvergleich mit dem VW-Bus zeigt. Die neuen Flügel sind noch einmal 13 Meter länger. © ALEXANDER SCHNEIDER

Das Regierungspräsidium Darmstadt verspricht eine schnelle Prüfung für neue Windräder - doch auch schnell dauert.

Weilrod -Sieben Windkraftanlagen erzeugen in Weilrod schon seit 2014 Strom, nun will die Abo Wind AG den dortigen Windpark um drei noch leistungsstärkere Anlagen nordwestlich von Riedelbach erweitern. Der Bauantrag wurde am 28. September 2022 beim Regierungspräsidium eingereicht. Politisch ist der neue Windpark, der der Gemeinde beträchtliche Pachteinnahmen bringen wird, längst in trockenen Tüchern. Wann aber wird gebaut?

Das Regierungspräsidium in Darmstadt (RP) prüft laut Anfrage aktuell die Vollständigkeit der eingereichten Unterlagen. Erst dann könne das eigentliche immissionsschutzrechtliche Verfahren eingeleitet werden. RP-Sprecher Matthias Schaider sagt zwar, dass das je nach Verfahrensvariante drei bis sieben Monaten dauern kann, man aber von einer Entscheidung „innerhalb einiger Monate“ ausgehe. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Schaider sagt nämlich auch, dass die vorgeschaltete Vollständigkeitsprüfung alleine acht Monate, bisweilen aber auch drei Jahre dauern könne.

Ziel ist das zweite Quartal 2025

„Innerhalb einiger Monate“ klinge gut, sagte Abo-Wind-Sprecher Alexander Koffka, das sei man so gar nicht gewöhnt, schließlich dauerten Genehmigungsverfahren in Hessen durchschnittlich 56,7 Monate, während es bundesweit „nur“ 24,8 Monate seien. Das Unternehmen werde beim RP kurzfristig noch die Unterlagen zur Umweltverträglichkeitsprüfung nachreichen, „die wir für Weilrod II freiwillig gemacht haben, um die Rechtssicherheit zu erhöhen“, so Koffka.

Aus seiner Sicht sei dann alles beisammen. Wenn das RP das auch so sehe, „müsste eigentlich binnen neun Monaten entschieden werden“. So schnell habe das bisher aber noch nie geklappt. „Wir würden uns freuen, wenn den vielen guten Worten zur Beschleunigung der Energiewende, auch wenn dazu erst ein Krieg in der Ukraine ausbrechen musste, nun auch Taten folgen“, so Koffka. Intern kalkuliere man mit einer Genehmigung bis Ende 2023 und einer Inbetriebnahme im zweiten Quartal 2025.

Ähnlich wie bei „normalen“ Bauvorhaben gibt es auch bei Windkraftanlagen Fristen, binnen deren ein Bauantrag beschieden werden muss. Diese betragen im vereinfachten Genehmigungsverfahren drei, im förmlichen sieben Monate, können aber, wenn bei der Prüfung der Genehmigungsvoraussetzung noch etwas fehlt, immer wieder um jeweils drei Monate verlängert werden.

Der Hauptunterschied liegt darin, dass beim vereinfachten Verfahren im Gegensatz zur förmlichen Variante keine Öffentlichkeitsbeteiligung vorgeschrieben ist. Schaider betont, dass die Fristen erst dann zu laufen beginnen, wenn die Unterlagen komplett sind. Dazu müssen alle etwa 30 beteiligten Fachbehörden Vollständigkeit melden. „Im Fall des Windparks Weilrod II wurde die Vollständigkeitsprüfung am 21. Oktober 2022 eingeleitet“, so Schaider. Die Dauer der Prüfung hänge von der Qualität der Unterlagen und davon ab, was eventuell noch fehle. Gerade in Naturschutz-, Grundwasser- und Bodenschutzbelangen komme es oft zu zeitaufwendigen Nachforderungen. Eine „Genehmigungsfiktion“ bei Überschreitung der Verfahrensfrist führt nicht automatisch zu einer Genehmigung. In Bezug auf den aktuellen Antrag stehe ein abschließendes Gespräch zur Frage, ob es ein vereinfachtes oder förmliches Verfahren geben wird, noch aus.

Klage nach bis zu einem Jahr möglich

Jedoch: Wenn das RP heute einen Bauantrag genehmigt, bedeutet das nicht, dass morgen schon die Bagger rollen und die Motorsägen angeworfen werden können. Gegen die Entscheidung in einem förmlichen Verfahren kann nämlich binnen eines Monats nach Bekanntgabe und zweiwöchiger Auslegung der Genehmigung Klage erhoben werden. Im vereinfachten Verfahren noch nach einem Jahr, so geschehen beim Windpark Weilrod I.

Die sieben Anlagen seien 2014 genehmigt und gebaut worden, das Klageverfahren sei bis heute nicht abgeschlossen, sagte Schaider. „Deshalb wählen Antragsteller ja auch selbst bei geringer Anlagenanzahl, wie hier bei drei Windrädern, freiwillig das förmliche Verfahren.“

70 000 Personen können ihren Strom beziehen

Geplant sind drei Anlagen des Herstellers Vestas Typ V162 mit einer Nabenhöhe von 169 Metern. Die drei Rotorblätter sind 81 Meter lang, wenn eins davon senkrecht nach oben steht, ist die Anlage insgesamt also 250 Meter hoch. Die Nennleistung der Anlagen beträgt jeweils 6,2 Megawatt. Zum Vergleich: Die sieben bestehenden Nordex N117-Anlagen haben eine Nabenhöhe von 141 Metern, 58,5 Meter lange Rotorblätter, eine Gesamthöhe von 200 Metern und eine Nennleistung von jeweils 2,4 Megawatt. Die sieben bestehenden Anlagen produzieren pro Jahr mehr als 45 Millionen Kilowattstunden Strom. Mit den drei zusätzlichen Anlagen wird der jährliche Gesamtertrag der dann insgesamt zehn Weilroder Windkraftanlagen auf mehr als 90 Millionen Kilowattstunden steigen. Das entspricht dem Haushaltsverbrauch von rund 70 000 Personen, das entspricht knapp einem Viertel der Hochtaunuskreisbevölkerung. Bemerkenswert findet Abo Wind-Sprecher Alexander Koffka, dass die neuen Anlagen, die jetzt in Weilrod gebaut werden sollen, jeweils mehr als doppelt so viel Strom erzeugen wie die vor acht Jahren errichteten.

Das dokumentiere den enormen technologischen Fortschritt der Windkrafttechnik, sagt Koffka. Schon der Transport der 58,5 Meter langen Rotorblätter für den Windpark Weilrod I war an vielen Stellen Millimeterarbeit. Die neuen sind dann noch einmal 13 Meter länger. VON ALEXANDER SCHNEIDER

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