In Teil zwei der Windkraft-Serie äußern sich Anwohner des Windparks Weilrod

Seit Ende 2014 sind die Windkraftanlagen in Weilrod am Netz (oben). Rund um die Windkraftstandorte sind die zum Bau abgeholzten Flächen wieder aufgeforstet worden. Karl Volkwein mit den Töchtern Clara (links) und Emma, Ehefrau Tanja mit Johanna, sowie die Söhne Michel und Paul (rechts), aus Cratzenbach steht dem Ausbau der Windkraftgewinnung im Taunus positiv gegenüber. Fotos: Neugebauer Foto:
WEILROD - Insgesamt sieben Windkraftanlagen drehen sich zwischen Riedelbach, Bad Camberg, Dombach und Cratzenbach. Mit einer Höhe von rund 200 Metern sind sie von Weitem schon zu sehen. Der erste Windpark im Kreis war ein Projekt der WPE (Tochterunternehmen von ABO Wind und Mainova), der Gemeinde Weilrod und von Hessen-Forst. Seit Ende 2014 sind die Anlagen am Netz und können eine Gesamtleistung von 16,8 Megawatt produzieren. Im Rahmen einer kleinen Serie schildert der UA die Erfahrungen mit der Anlage. Im ersten Teil hatte der Betreiber Bilanz gezogen; heute kommen Privatleute zu Wort.
Karina Jeck (Hasselbach): „Ich bin neutral gegenüber den Windrädern. Vor 45 Jahren haben meine Familie und ich uns bewusst für Strom entschieden. Wir wollten mit Strom heizen, um nicht vom Öl abhängig zu sein. Damals gab es zu der Zeit eine Ölkrise. Strom aber kam aus der Steckdose, war also sowieso da. Er wurde in Atom- und Kohlekraftwerken produziert. Es haben sich Leute in der Politik und Wirtschaft für diesen Strom entschieden, die leider nicht zu Ende gedacht und zum Beispiel die Frage beantwortet haben, wo wir den Atommüll lagern wollen. Das konnten ich und andere zu der Zeit leider nicht ändern. Auch nicht, wenn ich diesen Strom nicht genutzt hätte.
Heute entscheidet die Politik klüger, gegen Atomkraftwerke und für Windräder, das kleinere Übel. Mit meiner Wahl habe ich die Partei beauftragt zu handeln und für mich zu entscheiden, im Nachhinein muss es mir recht sein, wie sie handeln. Störend an den Windrädern sind die roten Lichter, aber auch die haben ihre Berechtigung.“
Michael Sommer (Hasselbach): „Es ist schon eine merkwürdige Situation. Wir werden ringsum eingekesselt. Schön ist was anderes. Wenn man aus der Haustür, aus dem Hof kommt, hat sich der Anblick stark verändert. Wo sonst nur Wald war, sind jetzt die Windräder. Man hat sie optisch immer im Blick. Allerdings gibt es von den Riedelbacher Windrädern keinen Schattenwurf und keine Geräuschkulisse, wie es von den Windrädern am Kuhbett zu erwarten ist.“
Heidemarie Kretzschmar (Riedelbach): „Bis heute besteht keine Möglichkeit, die gewonnene Energie zu speichern. Meines Erachtens müsste erst diese Technologie entsprechend reif sein, um Windkraft erfolgreich zu nutzen. Um Schwankungen bei der Stromgewinnung auszugleichen, müssen jede Menge Kohlekraftwerke am Laufen gehalten werden. Trotzdem werden bereits heute viele Wälder verspargelt. Dafür wird viel Waldfläche gerodet, werden lange Zufahrts- und Zulieferwege verbreitert und verfestigt. Unsere schönen Taunuswälder werden zu Industrieparks umfunktioniert, weder schön für die Menschen noch für die Tiere, die zum Teil elendigl umkommen. Eiswurf im Winter, Brandgefahr – diese Riesen kann man nicht löschen, und Waldbrandgefahr droht. Wenn Windräder, dann bitte auf freien Flächen, ohne Ortschaften oder Wälder in der Nähe!
Die gesundheitlichen Folgen für Mensch und Tier werden ebenfalls missachtet. Geräusche und Schlagschatten belästigen Anwohner und machen auf die Dauer viele krank. Durch den Infraschall kann es zu Müdigkeit, Atembeschwerden, Schwindel, Angstgefühlen, Bluthochdruck, Tinnitus und Schlafbeschwerden kommen. Auch ich leide unter vermehrten Schlafstörungen, die ich in drei Wochen Urlaub nicht hatte.“
Tanja Volkwein (Cratzenbach): „Ich wohne mit meinem Mann und fünf Kindern (zwischen elf Jahren und acht Monaten) in Cratzenbach. Wir haben mit viel Neugier den Bau der Windkraftanlagen in unserem Wald beobachtet. Die Strecken rund um die Windräder sind Ziel vieler Spaziergänge und Radtouren. Wir kommen oft mit Wanderern ins Gespräch, die sich nach den Belastungen durch die Windräder erkundigen und berichten immer positiv. Gerne laden wir auch Freunde und Bekannte ein, mit uns zu den Windrädern zu gehen, um sich vor Ort davon zu überzeugen, dass sie keine Belastung sind. Gesundheitliche Beeinträchtigungen haben wir bisher nicht bemerkt.
Von unserem Haus hören wir an lauen Sommerabenden auf unserer Terrasse – wenn gerade kein Auto fährt – manchmal den Luftzug der Rotorblätter oder die Klimaanlage des Rotorhauses surren, aber nur, wenn man ganz genau hinhört und der Wind von den Windrädern in unsere Richtung weht. Ich glaube, das ist aber auch nur in Cratzenbach so, denn wo sonst hört man mal kein Auto fahren? Die Geräuschkulisse in direkter Nähe der Windräder empfinden wir keineswegs als Belastung, die Betriebsgeräusche gehören einfach dazu. Eisbruch haben wir bisher nicht erlebt. Wir sehen von unserem Wohnzimmer täglich die Windräder und die Kids beobachten genau, ob sie sich drehen und wie schnell. Auf unseren Erkundungen im Cratzenbacher Wald sehen wir nach wie vor viele Waldtiere (große und kleine), auch der Vogelzug wird von uns genau beobachtet und wir können seit der Errichtung der Windräder über keine Änderung berichten.
Die Kinder haben in der Schule (und im Kindergarten) heiß mit ihren Freunden über das Thema diskutiert. Unsere Buslinie geht durch Hasselbach an den Plakaten der Windkraftgegner vorbei und die Kinder hinterfragen die Problematik sehr intensiv: Warum sind die Hasselbacher denn dagegen und machen so viele Plakate?
Wir haben auch die tollen Infomöglichkeiten von ABOWind genutzt (Eröffnungsfest, Windenergielehrpfad), haben auch schon mal bei ABOWind nachgefragt und stets freundliche und kompetente Auskunft bekommen; zum Beispiel wie oft gewartet wird oder warum die Räder stehen, obwohl viel Wind ist. Die Baustellen am Kuhbett haben wir schon mehrfach besucht und den Baufortschritt zu beobachten, waren in den Ferien schon nachts im Roder Kreisel um die Schwertransporte zu beobachten. Der Bauleiter der dortigen Baustelle war auch sehr freundlich und auskunftsfreudig.
Ich finde es sehr schön, den Kindern zu erklären, dass WIR in Weilrod „grünen“ Strom erzeugen. Und auch noch direkt vor unserer Haustüre. Wäre direkt in unserem Wald ein Atommüllendlager errichtet worden, hätten wir ein wirkliches Problem!“
Friederike Schulze (BUND Neu-Anspach): „Mir tut jeder Rotmilan und jeder Schwarzstorch leid, der am Windrad zerschreddert wird. Aber wenn wir den Klimawandel nicht in den Griff kriegen, brauchen wir uns um Rotmilane keine Sorgen mehr zu machen“.
Karen Nelson (Besitzerin des Daubhauses): „Drei Jahre umzingelt von der Windindustrieanlage Weilrod-Riedelbach, errichtet von der Firma ABOWind, instandgehalten durch die Firma ABOInvest. Rehwild wurde nun ein Jahr, nachdem die knarrende, heulende Turbine gewartet wurde, vereinzelt, grasend auf der Wiese gesichtet. Grasendes oder kreuzendes Rot- oder Muffelwild wurde weiterhin nicht mehr erblickt. Im Gegensatz zur Erholung des Rehwilds bin ich weit entfernt von Erholung. Tinnitus, der bis vor Kurzem immer verschwand beim Verlassen des Einflussbereiches der Windturbinen, ist nun mein ständiger Begleiter. Ein Besuch beim Arzt gab mir keine Hoffnung, dass Linderung möglich ist. Mir wurde erklärt, dass ein beidseitiger Tinnitus kaum therapierbar ist. Tief in meinem Schädel strahlt nun ein summendes, pfeifendes Geräusch in Richtung beider Ohren.
Diese Geräusche übertönen die Geräusche der Windturbinen nicht. Als ob dies nicht genug wäre, ist mein Blutdruck überraschenderweise 153/86. Dieser Befund hat mich überrascht, weil mein Blutdruck bis jetzt bei 110/70 lag. Ein Blutdruck über 145 ist eindeutig erhöht und aus jahrzehntelanger beruflicher Erfahrung weiß ich, dass ein solcher Blutdruck therapiert werden sollte, um Herzkreislaufschäden zu verhindern. Soll ich jetzt Medikamente nehmen? Zeit meines Lebens habe ich einen gesunden Lebenswandel geführt – gesunde Ernährung, reichlich körperliche Bewegung, Medikamenteneinnahme nur im äußersten Notfall (sonst nicht beherrschbare bakterielle Infekte).
Meine Gesundheitsbeeinträchtigungen resultieren nicht aus einer ständigen Beschallung. Mir wurde das Wohnrecht im Daubhaus entzogen, und ich wohne jetzt nicht ständig im Daubhaus. Aber das Daubhaus steht unter Denkmalschutz und muss zusammen mit einem 1,5 Hektar großen Park ringsherum instandgehalten werden. Mehrmals wöchentlich verbringe ich dort viele Stunden, um Haus und Grundstück instandzuhalten.
Zu meinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen kommt die nackte Angst. Sie fing an mit der Drohung, mein Haus abzureißen, womit ich nur kontern konnte, indem ich das Haus unter Denkmalschutz stellen ließ. Bei der Gerichtsverhandlung, in der ich ein Wohnrecht mit entsprechendem Schutz vor Emissionen zu erlangen versuchte, stand ich chancenlos gegenüber dem Triumvirat ‚ABOwind - Regierungspräsidium Darmstadt - Justiz‘. Mein Wohnrecht wurde verneint. Ohne Wohnrecht keinerlei Schutz vor Emissionen. Drei 200 Meter hohe Windkraftanlagen in derart geringer Entfernung sind furchteinflößend. Als die Turbinen nicht sachgemäß gewartet wurden und mich mit lautem unregelmäßigem Knarren und Heulen beinah in den Wahnsinn trieben, habe ich weder Hilfe vom Bürgermeister noch von der Ortsvorsteherin bekommen. Die Angst vor der Zukunft setzt mir besonders zu. Welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen werden noch dazu kommen? Welche Repressalien kann ich erwarten? Fazit: Wenn es mir schon so ergeht, wie mag es der immer steigenden Zahl der Kinder, Frauen und Männern ergehen, die keine Möglichkeit haben, sich den Auswirkungen solcher riesigen Anlagen zu entziehen? Immer häufiger mehren sich Berichte über Gesundheitsprobleme von Anwohnern in der Nähe von Windkraftanlagen. Es wird den Taunusbürgern nicht anders ergehen, wenn weiterhin die Regierungspräsidien Darmstadt und Gießen koalieren mit Gemeinderegierungen, um die Windindustrie zu fördern und riesige Windkraftanlagen in unmittelbarer Nähe zu Wohngebieten zu platzieren. Unsere Gesundheit zählt bei dieser Industrialisierung genau so wenig wie der Schutz des Ökosystems Wald.“