Corona macht erfinderisch: Ältester Weilroder Ortsteil feiert 900 Jahre mit Alternativ-Veranstaltung / Kinder als Initiatoren
Der Eiswagen vor dem alten Rathaus.: Auch mit Eishunger achten alle Cratzenbacher auf die Abstandsregeln. Fotos: Volkwein
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CRATZENBACH (red). Der älteste Weilroder Ortsteil hatte eigentlich für jeden Monat des Jubiläumsjahres eine Veranstaltung geplant. Im Juni sollte das obligatorische Grillfest der Feuerwehr zu einem zweitägigen 900 Jahre-Grillfest anwachsen, doch Corona machte einen Strich durch die Rechnung. Doch am vergangenen Wochenende sorgten alte Koffer für Aufsehen. So mancher machte sich Gedanken wo sie herkamen und aus welchem Zweck sie überall im Ortsbereich verteilt waren - und was hat das mit den Jubiläumsfeierlichkeiten zu tun? Eigentlich war doch erstmal alles abgesagt?
Emma (14) und Clara 12) wollten dem Coronafrust ein Schnippchen schlagen und organisierten kurzerhand eine Dorfschatzsuche. Das Organisationskomitee stellte erfreut den Preis für die erfolgreichen Schatzsucher zur Verfügung. Jedes Kind konnte die Schatzsuche mit seiner Familie durchführen, die Einhaltung der Abstandsregeln war also kein Problem.
"Ich musste die Stufen vor der Metzgerei zählen, die Bäume am Wasserspielplatz und an der Wasseraufbereitungsanlage den dunkelsten Buchstaben am Gebäude suchen", erzählt Mika (10) begeistert - er war der eifrigste Schatzsucher und absolvierte die kniffligen Fragen in Rekordzeit als erster. Mit dem Zahlencode konnte er einen versteckten Schatzkoffer öffnen, der die nächsten Fragen für ihn bereithielt. Auch Moritz (8) und Nils (7) waren mit Feuereifer dabei. "Wir mussten sogar ganz weit den Berg hinauf, an den höchsten Punkt von Cratzenbach", berichten die Jungs. Am Dorfrand im Gestrüpp sei der zweite Koffer versteckt gewesen.
Die Fragen führten die Kinder quer durch den 200 Seelen-Ort, fast zwei Stunden waren die Schatzsucher unterwegs. Sie zählten Schornsteine, analysierten Schneefanggitter, suchten Katzen ganz oben auf Dächern und Tiere in Vorgärten. Die lange Zahlenreihe auf der Mülltonne der Feuerwehr wies auf den richten Koffercode hin, genauso wie so manche Eigenheit an Cratzenbacher Häusern, die es zu zählen und finden galt. "Es gab auch eine Station mit Schuh-Memory", staunt die 6-jährige Helena, "da haben wir ganz schön gesucht, bis wir den einzelnen Schuhe gefunden haben. Da war die Nummer drauf".
Man konnte alle Stationen an einem Tag bewältigen, oder in mehreren Etappen, was für die kleinsten Schatzsucher ideal war. So konnte auch der einjährige Felix an der Schatzsuche teilnehmen, natürlich von Mama Ann-Katrin im Kinderwagen zu den Stationen geschoben. Fast alle Kinder des Dorfes nahmen erfreut an der Rallye teil und auch für die begleitenden Eltern war es eine abenteuerliche Reise durch die Cratzenbacher Straßen und geheime Wege. Stolz nahmen Marwin (10) und seine kleine Schwester Juna (6) ihren Gewinn entgegen : Einen Eisgutschein fürs fahrende Eisauto vom Eiscafé Arcobaleno in Weilmünster - und die Enttäuschung war groß. "Das Eisauto kommt doch nie nach Cratzenbach!" Denn während andere Orte oft vom Eisauto angefahren werden, findet der Wagen den Weg nach Cratzenbach leider nicht.
Doch das sollte im 900 Jahre-Juni anders sein, denn für Sonntag hatte Eiscafébesitzer Carmelo Magherone eine Erweiterung seiner Tour zugesagt. Der Jubel bei den Cratzenbacher Kindern war groß. So strahlten nicht nur die Kinderaugen der Schatzsucher, als am Sonntagabend die wohlbekannte Hupe des Eisautos ertönte. Das ganze Dorf war informiert und aus allen Häuser kamen erfreute Eishungrige, natürlich in gebührendem Abstand zueinander und in Familien gruppiert. An der alten Dorflinde war richtig viel los, Eisverkäufer Melwin hatte alle Hände voll zu tun. Der Dorfplatz vor dem alten Rathaus bot genug Platz für jeden und das leckere Eis mundete sichtlich. So hatte Cratzenbach zwar kein großes Dorffest im Juni, doch einen besonderen Höhepunkt - für die schatzsuchenden Kinder und auch für die anderen Dorfbewohner.