Bereits am Montag (15. August) hatte Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki mitgeteilt, dass seinen Informationen nach eine „riesige[…] Menge“ von Chemieabfällen in die Oder geleitet worden sei. Betriebe, deren Abwasser in den Fluss eingespeist wird, stehen daher besonders im Visier der Ermittler. Wie der Informationsdienst KK24 mitteilt, habe das Chemieunternehmen Grupa Azoty bereits in einer Stellungnahme versichert, nichts mit dem Fischsterben zu tun zu haben. Wasserproben hätten bestätigt, dass keine Stoffe in erhöhten Mengen vorgekommen seien, die das Unternehmen verwende.
Wie die polnische Zeitung Wyborcza berichtet, werden gegenwärtig auch Wasserproben untersucht, die von dem Toilettenpapierproduzenten Jack-Pol in Oława stammen. Dem Unternehmen, das mit 100 Prozent recyceltem, biologisch abbaubarem und ökologischem Material wirbt, war vom Verein „Alles für Olawa“ bereits im März 2022 vorgeworfen worden, illegal Abwasser in die Oder zu entsorgen.
Update vom 17. August, 14.50 Uhr: Die Umweltkatastrophe bewirkt in Polen ordentliche Wogen in der Politik. Nicht nur Nachbar Deutschland, auch die Bürger des Oder-Anrainers selbst sind über die Handhabung des massiven Fischsterbens verstimmt. Die Opposition, Naturschützer und Einwohner werfen der nationalkonservativen PiS-Regierung Passivität, sowie Arroganz der Macht vor und fordern teils personelle Konsequenzen.
Wegen des schlechten Krisenmanagements im Umgang mit der Naturkatastrophe geraten insbesondere der polnische Regierungschef Morawiecki, das Umweltministerium und der Leiter der Gebietsverwaltung Niederschlesien Obremski in die Kritik. Letzterer hatte trotz der Oder-Katastrophe seinen dreiwöchigen Urlaub fortgesetzt. Die Betroffenen weisen jeglichen Vorwurf allerdings zurück. So äußerte Morawiecki, das Versagen der Informationskette zu den deutschen Behörden sei Schuld der Opposition.
Donald Tusk, Chef der liberalkonservativen Bürgerplattform, habe „Fake News“ verbreitet und unter Bezug auf Informationen aus Deutschland behauptet, Quecksilber sei die Ursache für das Fischsterben. „Die sind richtig aufgeblüht und haben dem Quecksilber die Daumen gedrückt“, spottete Morawiecki über Tusk und seine Anhänger. Die Verfassungsrichterin Krystyna Pawlowicz äußerte indes am Samstag (13. August) via Twitter die Frage: „Wird auch die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass die Oder von der deutschen Seite aus vergiftet wurde?“
Update vom 17. August, 13.05 Uhr: Trotz der dringenden Warnung, das Wasser der Oder zu meiden, erklärte der Landrat des Landkreises Vorpommern-Greifswald, Michael Sack, nun, dass „[a]n den Ostseestränden der Sonneninsel Usedom [...] weiter beste Badebedingungen“ herrschten. Bis zum jetzigen Zeitpunkt sei die Region nicht von den Geschehnissen betroffen. Die Oder mündet in das Stettiner Haff, das mit der Ostsee vor Usedom verbunden ist.
Die Schweriner Landesregierung hingegen rät vom Baden ab, da man trotz fehlender, konkreter Hinweise gesundheitliche Schädigungen nicht ausschließen könne. Grenzübergreifend empfehlen Experten dringend, jeglichen Kontakt mit Wasser, das aus der Oder stammen kann, zu vermeiden; sowohl Angeln, Wassersport als auch Baden sollte unterlassen werden. Gesundheitliche Konsequenzen wurden bei Haustieren bereits vermeldet (s. Erstmeldung).
Erstmeldung vom 17. August, 11.42 Uhr: Stettin – Das Fischsterben in der Oder ist weiterhin ungeklärt. Tausende Kadaver waren hierzulande seit Dienstag (09. August) im Wasser gefunden worden. In Polen hatte man auffallend viele verendete Fische in dem Grenzfluss bereits etwa zwei Wochen zuvor entdeckt. Um die mangelnde Krisenkommunikation zwischen beiden Ländern zu verbessern, wurde mittlerweile eine Taskforce eingerichtet, die die Ursache der Umweltkatastrophe ermitteln soll. Des Weiteren stellt sich die Frage: Wie gefährlich ist das Wasser des Flusses?
Eine Umweltkatastrophe, das ist das Verenden tausender Tiere in der Oder. Auch auf polnischer Seite des Grenzflusses, so focus online, sind die Auswirkungen des Fischsterbens bereits jetzt groß. Gerade die momentanen Temperaturen verführen zur Abkühlung im Fluss – mit fatalen Folgen.
So berichtet die Zeitung über einen Hund, der, nachdem er in der Oder gebadet hatte, mit schweren Krankheitszeichen zu kämpfen hatte. Das Tier sei mittlerweile noch „schwach und ermattet, doch immerhin Erbrechen und Durchfall hätten sich gebessert und auch der Hunger komme allmählich wieder“. Auch deutsche Behörden warnen vor dem Kontakt mit dem, wohl toxischen Flusswasser.
Wie das Onlineportal Wszczecinie berichtet, seien auch Restaurants von der Oder-Katastrophe betroffen. Fischgerichte würden gemieden werden, Fischfabriken bleiben auf ihren Produkten sitzen. Indes stammen die Fische in der Regel nicht aus der Oder. „Aber leider haben die Leute Angst“, erklärte Fischhändlerin Svetlana Szalwa in Trzebież dem Portal die wegbrechende Nachfrage.
Auch Freizeitaktivitäten in dem fragwürdigen Gewässer möchten Touristen nicht mehr unternehmen. Ein Bootsverleiher wies focus online zufolge darauf hin, dass „fast keine Kunden“ mehr vorhanden seien. Die Politik soll sogar prognostiziert haben, dass die Sommer-Saison mit dem Fischsterben ein unerwartet frühes Ende findet. (askl mit dpa)