Nach Berichten über Missstände in der Psychiatrie im Klinikum Frankfurt-Höchst liegt jetzt ein Gutachten vor. Darin werden die Therapieangebote in der geschlossenen Abteilung kritisiert.
Von Christian Stang
Reporter Politikredaktion Wiesbaden
Die Psychiatrie des Klinikums Frankfurt-Höchst ist ins Gerede gekommen.
(Foto: dpa)
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WIESBADEN - Der hessische Gesundheitsminister Kai Klose hat den Zwischenbericht eines externen Sachverständigen zu Missständen in der geschlossenen Psychiatrie im Klinikum Frankfurt-Höchst vorgelegt. Mit der Ist-Analyse sei man noch nicht am Ende des Prozesses, sagte der Grünen-Politiker am Mittwoch in Wiesbaden.
In einem Beitrag des Fernsehsenders RTL hatte eine verdeckt arbeitende Reporterin im März über die Zustände in der Klinik berichtet. In der Sendung „Team Wallraff“ dokumentierte der Sender unter anderem Fixierungen von Patienten. Sie beschwerten sich in dem Beitrag zudem über Vernachlässigungen durch Ärzte und Pflegepersonal. In der Folge hatten Betroffene im HR geschildert, dass eingekotete Patienten teils nackt auf dem Boden lägen. Tätliche Angriffe in überfüllten Zimmern habe das Pflegepersonal mit einem Achselzucken quittiert. Eine Patientin, die sieben Jahre in Höchst untergebracht war, sprach von der „Hölle“.
Klose berichtete, dass inzwischen die Protokolle über Patientenfixierungen in Höchst und weiteren hessischen Kliniken vorlägen. Vorbehaltlich einer endgültigen Auswertung könne gesagt werden, dass es bei der Protokollierung Verbesserungsbedarf gebe. Möglicherweise werde das Land den Krankenhäusern daher einheitliche Standards dafür vorgeben. Die im hessischen Psychiatriegesetz vorgesehenen fünf Besuchskommissionen für alle psychiatrischen Kliniken im Land hätten ihre Arbeit inzwischen aufgenommen, die ersten Berichte lägen vor, erklärte Klose.
Autor des knapp 200 Seiten starken Zwischenberichts ist der Psychiater Hans-Joachim Kirschenbauer, der am Klinikum Höchst gearbeitet hat. Der Bericht wird in den nächsten Tagen auf der Internetseite des Klinikums veröffentlicht. Der Gutachter hat zu den Zuständen in der Klinik drei Bewertungskategorien nach der Ampelmethode vergeben: Grün („Entwarnung“), Gelb („Achtung“) und Rot („Stopp“). Mit Grün bewertete Kirschenbauer etwa den Zustand der Patienten (Stichwort Verwahrlosung), eine in dem RTL-Beitrag gezeigte Fixierungsszene, die Hygiene oder die Häufigkeit von Diebstählen. In die Kategorie Gelb ordnete der Gutachter die Freundlichkeit des Personals im Umgang mit den Patienten ein. Deutliche Mängel (Rot) werden für Therapieangebote oder die Qualität der Chefarztvisiten aufgelistet. In der geschlossenen Abteilung fehlten Therapieräume, sodass Patienten außerhalb behandelt werden müssten. Das bedeute unter Umständen ein erhebliches Sicherheitsrisiko, sagte Kirschenbauer. Die Chefärzte sollten die Patienten bei der Entscheidung über eine Therapie stärker einbeziehen, anstatt ausschließlich nach fachlichen Kriterien zu entscheiden.
Die Geschäftsführerin des Klinikums, Dorothea Dreizehnter, sagte, die Psychiatrie verstehe sich als modern und den Menschen zugewandt. Ein solches Selbstverständnis funktioniere nur mit Weiterentwicklung, nicht mit Stillstand, der sich „an der einen oder anderen Stelle eingeschlichen hat“. Die Klinik begegne den notwendigen und teils schmerzhaften Veränderungen mit großer Offenheit, es geben keinerlei Tabus.
Der Frankfurter Gesundheitsdezernent Stefan Majer sprach von einer unbequemen Aufarbeitung der Zustände im Klinikum. Der Bericht Kirschenbauers sei eine konstruktive Grundlage für notwendige Qualitätsverbesserungen in der psychiatrischen Versorgung, die zutiefst in die Rechte der Menschen eingreife.