Wie rechtsextrem ist die Hessen-AfD?

Alexandra Walter: Verdacht der Nähe zur NS-Ideologie. Nikolaus Pethö: Polizist im Clinch mit Ausländerbeirat. Andreas Lichert: Sympathien für neu-rechtes Netzwerk. Robert Lambrou will eine bürgerliche AfD. Fotos: AfD
WIESBADEN - Die AfD in Hessen könne nach wie vor nicht als rechtsextrem bezeichnet werden, sagt Reiner Becker vom Demokratiezentrum Hessen. Doch gebe es, wie immer bei der AfD, auch in Hessen Einzelfälle. Und die summierten sich – bundesweit betrachtet – auf eine Menge, „die zusammengenommen Ausdruck des Richtungsstreits sind, den es innerhalb der Partei gibt“.
Ostdeutsche Rechtsaußen bei Wahlkampfauftritten
Rechtsextreme Einzelfälle versus bürgerlicher Mainstream? Das ähnelt der Einschätzung von Robert Lambrou, Vorsitzender der Hessen-AfD. Als „bürgerlich-konservativ“nimmt er seine Partei wahr. Auch die „Einzelfälle“ bestätigt Lambrou. Es hätten ja alle Parteien Leute, „die kernig drauf sind“, sagt er.
Da gibt es den künftigen Abgeordneten Klaus Gagel. Der Vorsitzende der AfD im Rheingau-Taunus hatte die – selbst in der AfD umstrittenen – Rechtsaußen Björn Höcke und André Poggenburg zu Wahlkampfauftritten eingeladen.
In der neuen AfD-Fraktion wird auch Andreas Lichert sitzen. Der Bad Nauheimer hatte im Gespräch mit dieser Zeitung Sympathien für die Identitäre Bewegung eingestanden. Der Haken dabei: Das neu-rechte Netzwerk wird zum einen vom Verfassungsschutz beobachtet. Zum anderen gibt es einen Beschluss des AfD-Bundesvorstandes, nach dem es keine Zusammenarbeit mit den Identitären geben darf.
Aus Lich wird Nikolaus Pethö für die AfD in den Landtag einziehen. Der Polizeibeamte ist zwar Mitglied der Gewerkschaft der Polizei. Doch das hat die GdP zum Anlass genommen, einen Unvereinbarkeitsbeschluss zu prüfen. Pethö hatte sich in der Vergangenheit immer wieder gegen den Ausländerbeirat im Kreis Gießen positioniert. Am Ende musste er eine empfindliche juristische Niederlage gegen den Beirats-Vorsitzenden einstecken, den aus den Niederlanden stammenden Krankenpfleger Tim van Slobbe: Der darf nach einem Urteil des Landgerichts Gießen weiter sagen, dass alle Aktionen der AfD immer unter ihrer „rechtspopulistschen bis rechtsextreme Ausrichtung zu betrachten sind“. Pethö habe sich im Wahlkampf nur deshalb zurückgehalten, weil es für ihn als Beamten ein Mäßigungsverbot gebe, glaubt van Slobbe. Abgesehen davon laufe bei der AfD nahezu alles über Facebook. Und dort hat er durchaus „kernige“ Aussagen entdeckt. Wegen kerniger Äußerungen auf ihrer Facebook-Seite war die künftige Landtagsabgeordnete Alexandra Walter in die Schlagzeilen geraten. Weil dort unter anderem zu lesen war, ein verurteilter Kriegsverbrecher sei ein „toller Mensch“, ging der AfD-Landesverband zu ihr auf Distanz. Sie habe „den Verdacht der Nähe zur NS-Ideologie nicht hinreichend“ ausräumen können und mit ihrem Verhalten die Partei stark beschädigt.
Noch hat sich die AfD-Landtagsfraktion nicht konstituiert. Sobald das im Januar der Fall sein wird, wird sie zu entscheiden haben, ob Walter in ihren Reihen sitzen darf.
Peinlich für die bürgerlich-konservativen Kräfte in der AfD war der Post auf der Facebook-Seite der Hochtaunus-Kreistagsfraktion. Dort war im August zu lesen: „Bei uns bekannten Revolutionen wurden irgendwann die Funkhäuser sowie die Presseverlage gestürmt und die Mitarbeiter auf die Straße gezerrt“. Die AfD hat in diesem Fall schneller reagiert als die Justiz: In der Kreistagsfraktion hat es deshalb personelle Konsequenzen gebeben. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt aber, bei der etliche Strafanzeigen eingegangen waren, hat noch nicht einmal entschieden, ob der Post einen Anfangsverdacht begründet.
Vor diesem Hintergrund geht es für die AfD in Hessen um sehr viel mehr als um die Frage, ob sie im Landtag rechts von der CDU oder zwischen CDU und FDP sitzen wird. Von allzu kernigen Äußerungen hat sich der Landesverband zwar stets distanziert. Doch werden es die Einzelfälle sein, die das Landesamt für Verfassungsschutz an das Bundesamt in Köln geschickt hat. Dort wird derzeit Material gesammelt, auf dessen Basis entschieden wird, ob die Partei „Prüffall“ wird – was eine Vorstufe zu einer Beobachtung darstellt.
Unterdessen wirbt Landesvorsitzender Lambrou beharrlich für das „bürgerlich-konservative“ Image der Partei. Er verspricht, die Landtagsfraktion werde nicht die geschürten Erwartungen bestätigen, wonach sie eine „dumpfe Rechtsaußentruppe“ sei. Die Äußerung von Thorsten Schäfer-Gümbel, der von „zwei waschechten Faschisten“ in der künftigen AfD-Fraktion spricht, nennt Lambrou „beleidigend“ und „nicht zutreffend“.