Bei „Maybrit Illner“: Von der Leyen platzt mitten in den Ampel-Zoff – „Gewinne abschöpfen!“

Die Energiepreise bereiten Sorge. Bei „Maybrit Illner“ platzt Ursula von der Leyen mit einer FOrderung in den Ampel-Streit. Auch ein FDP-Minister bekommt sein Fett weg.
Berlin – „Preise stoppen, aber wie? Die Ampel steht unter Druck; hat sie überhaupt eine Strategie in dieser Energie- und Klimakrise?“, fragt sich Maybrit Illner zu Beginn ihres ZDF-Talks am Donnerstag. Das Kabinett tagte diese Woche auf Schloss Meseberg. Konkrete Entlastungen angesichts der steigenden Energiepreise beschloss die Minister-Riege vorerst aber nicht. Nun soll am Wochenende ein drittes Entlastungspaket auf den Weg gebracht werden.
Eva Quadbeck: Klingbeil hat die Nerven verloren
Doch zuvor möchte Illner von der Journalistin Eva Quadbeck wissen, ob Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) „vom Poster- zum Patzer-Boy“ geworden ist. „Man darf sich von Friede, Freude, Eierkuchen im Schloss Meseberg nicht täuschen lassen. Habeck hat einen groben handwerklichen Fehler gemacht mit der Gasumlage“, sagt Quadbeck. Dennoch ist sie über die Reaktion der SPD irritiert, die sie als „Schadenfreude und Erleichterung“ bezeichnet. Erleichterung darüber, dass dem aktuell beliebtesten Politiker in Deutschland auch nicht alles gelingt. „Bemerkenswert ist, dass die Kritik nicht nur aus der zweiten Reihe kommt, sondern von den Parteivorsitzenden. Auch Klingbeil hat da die Nerven verloren“, sagt die RND-Journalistin.
Bei der Fragen nach den benötigten Maßnahmen lässt Grünen-Chefin Ricarda Lang keinen Spielraum für andere Ansichten: „Wir brauchen Direktzahlungen für den Herbst und Winter, außerdem eine Anschlussregelung für das Neun-Euro-Ticket.“ Am Erfolg des Neun-Euro-Tickets lässt auch Christian Dürr keine Zweifel. „Es ist das unkomplizierteste ÖPNV-Ticket in Europa, daran gilt es anzuknüpfen“, sagt der Fraktionsvorsitzende der FDP im Bundestag. Dass das nicht für 9 Euro gehe, sei aber klar. Die Kosten müssten ansonsten aus Steuergeldern finanziert werden, was derzeit keine Option sei.
„Maybrit Illner“ - diese Gäste diskutierten mit:
- Ricarda Lang (Grüne) – Parteivorsitzende
- Christian Dürr (FDP) – Vorsitzender der Bundestagsfraktion, zugeschaltet
- Ursula von der Leyen (CDU) – EU-Kommissionspräsidentin, zugeschaltet
- Karl-Josef Laumann (CDU) – Minister für Arbeit und Soziales in NRW, zugeschaltet
- Luisa Neubauer – Klimaaktivistin, Fridays for Future
- Eva Quadbeck – Journalistin beim Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND)
Ein Einspieler soll veranschaulichen, wie sich die jährlichen Gaspreise über den Daumen gepeilt entwickelt haben. Für einen Single-Haushalt von 430 Euro auf 1.073 Euro, für einen Zwei-Personen-Haushalt von 888 Euro auf 2.463 Euro und für eine Familie von 1.258 Euro auf 3.633 Euro. Dürr schlägt deshalb einen Inflationsausgleich durch Steuerentlastung vor, „dies kommt direkt bei den Menschen an“.
Klimaaktivistin Luisa Neubauer gibt zu, dass sie selbst beunruhigt ist. Ihr kommt in der Diskussion um künftige Reaktionen aber die Frage zu kurz, wie es so weit kommen konnte. „Das ist die Folge von jahrzehntelangem Missmanagement, das wir erlebt haben in der Energiepolitik.“ Deshalb sei Deutschland in Abhängigkeit von Kohle und Gas Wladimir Putins geraten.
Lang erinnert an das „Osterpaket“: „Wir haben das Tempo für den Ausbau erneuerbarer Energien verdreifacht. Wir haben endlich das Zwei-Prozent-Ziel festgelegt, also dass zwei Prozent der gesamten Fläche für erneuerbare Energien genutzt werden müssen. Wir werden in diesem Winter schwierige Entscheidungen treffen, aber der Weg in die Unabhängigkeit, das sind die erneuerbaren Energien.“
Neubauer: Was schützen wir gerade, das Koalitionsklima oder das Weltklima?
Widerrede gibt es ausgerechnet von Neubauer, der das nicht genug ist. Es gebe Solaranlagen, die fertig sind, aber nicht angeschlossen werden, weil Zertifikate fehlten. Man könne noch deutlich schneller sein. „Und die Frage ist auch, was wird sonst noch gemacht?“, sagt Neubauer. Es werde „ein bisschen erneuerbare Energien ausgebaut“ und es sei „durchaus schneller als es mal war“.

„Gleichzeitig wird in anderen Ministerien Arbeitsverweigerung betrieben“, behauptet Neubauer, um sich dann das Verkehrsministerium vorzuknöpfen. Dieses weigere sich, Klimaschutzziele einzuhalten und Klimapläne vorzulegen. Dabei geht sie mit dem FDP-Minister hart ins Gericht: „Das ist so gravierend, was da Volker Wissing gerade produziert, das wäre in jedem anderen Berufsfeld ein Kündigungsgrund.“ Teile der Regierung würden es zwar versuchen, ließen sich aber von anderen Teilen unterwandern. Auch die Partei, der Luisa Neubauer angehört, kommt nicht ungeschoren davon: „Auch Grüne müssen sich fragen: Was schützen wir gerade, das Koalitionsklima oder das Weltklima?“
Dürr springt seinem Parteikollegen zur Seite. „Volker Wissing hat gerade im Rahmen von Klimaschutz einiges vorgelegt“, lautet seine pauschale Antwort. Dürr wirbt für mehr Kreativität: „Wie wäre es denn, wenn unsere 42 Millionen Autos in Deutschland CO2-Neutral auch als Verbrennungsmotoren fahren könnten? Da sollten wir uns in Europa für einsetzen, Stichwort: klimaneutrale Kraftstoffe.“ Interessant ist dabei auch Dürrs Antwort auf weitere Vorwürfe aus der Runde. „Volker Wissing hat eine Hypothek von seinem Vorgänger geerbt“, sagt Dürr und verpasst damit dem Amtsvorgänger Andreas Scheuer (CSU) einen Seitenhieb.
Von der Leyen: Gewinne werden abgeschöpft
Die für fünf Minuten aus Brüssel zugeschaltete Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigt an, die Europäische Union werde sich dafür einsetzen, dass sich das teure Gas nicht weiterhin auf den gesamten Strompreis niederschlägt, sondern dass auch der günstigere Strom in den Haushalten ankommt. Von der Leyen wird sogar überraschend deutlich und liefert ein deutliches Plädoyer für eine Übergewinnsteuer: „Das heißt, einen Teil der Gewinne, mit denen die Stromerzeuger niemals gerechnet haben, werden wir abschöpfen. Es ist selbstverständlich, dass auch die Stromerzeuger der schmutzigen Energien ihren Beitrag leisten müssen.“
Als sich Illner nach der Übergewinnsteuer erkundigt, weicht Dürr der Frage aus. Stattdessen fordert er analog zu von der Leyen ein neues Strommarktdesign. „Dass das teure Gas den Preis bestimmt, das funktioniert so nicht mehr.“ Lang hofft auf einen „Winter der Solidarität, statt Winter der Wut“.
Klar ist aber, dass mehr Energie benötigt wird. Fraglich ist dabei bloß, wo diese herkommen soll. Karl-Josef Laumann (CDU) betont, auch die Union wolle einen massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien. Dann erklärt der Minister, warum das bislang nicht zufriedenstellend geklappt hat: „Die Vorgaben waren so, dass die Genehmigung einer Windkraftanlage wenigstens zwei, drei Jahre dauerte. Es gibt auch ganz einfache Probleme. Finden Sie gerade mal einen Handwerker, der Ihnen die Photovoltaik-Anlage installiert.“ Bis Erneuerbare Energien den Bedarf decken, möchte Laumann auf Kohle und Atomkraft zurückgreifen: „Es gibt in Deutschland keinen, der vom Grundsatz aus der Kohle auszusteigen, weg will. Nur muss der Ausstieg nun langsamer erfolgen. Auch die drei Atomkraftwerke weiterzubetreiben, die wir zur Verfügung haben, ist für einen begrenzten Zeitraum moralisch vertretbar.“
Fazit des „Maybrit Illner“-Talks
Während sich die politischen Gäste allesamt diplomatisch äußern – es gibt keine Zweifel an einem schnellen Umstieg auf erneuerbare Energien – positioniert sich Luisa Neubauer deutlich. Überraschend sprict sich Ursula von der Leyen für eine Übergewinnsteuer aus. Auch Ricarda Lang hofft auf einen „Winter der Solidarität“, während Christian Dürr davon nichts wissen möchte. (Christoph Heuser)