Lanz zur Kommerzialisierung im Sport: „Der Zug für den Fußball ist abgefahren“

Ex-BVB-Star Neven Subotic schließt im ZDF mit seiner Zeit im Profi-Fußball und seinen alten Werten ab: „Empfinde Scham, dass ich diese Figur war!“
Hamburg – Mit einem Geständnis beginnt die verspätete und verkürzte Lanz-Sendung am Mittwochabend. „Fußball ist nicht mehr die Lebensrealität, in der ich mich befinde“, sagt der Ex-Fußballstar Neven Subotic. Er überzeugt an diesem Abend mit Tiefgang und Selbstreflexion. „Wenn jetzt Fußball im Fernsehen läuft an so einem Abend wie heute, schauen Sie da gar nicht hin?“, fragt Markus Lanz. Subotic antwortet knallhart: „Null! Und das ist auch nicht erst seit gestern so.“
Mit Markus Lanz diskutierten diese Gäste:
- Neven Subotic (Ex-Fußball-Profispieler, Innenverteidiger des BVB)
- Gordon Repinski (Journalist, „The Pioneer“)
Mit seinem alten Leben als Fußballer hat er abgeschlossen. Verständnis zeigt er für jeden Fan, der „in seinem Alltag ein bisschen Ablenkung benötigt“, aber er selbst „brauche das nicht“. Er habe andere Werte für sich entdeckt und sich mittlerweile ganz der Entwicklungshilfe verschrieben. Das Leben von damals sei auch „so weit entfernt von der Not, die wir hier im Lande haben“.
Journalist Gordon Repinski: Robert Habecks Unwissen ist „ein großer Klops“
Politik-Journalist Gordon Repinski hat einen ähnlichen Hintergrund. Er arbeitet zwar im politischen Berlin, war jedoch jahrelang in der Entwicklungshilfe tätig. Zunächst geht es bei Lanz noch um Repinskis politische Einschätzung. Seine Meinung zu Kanzler Olaf Scholz will Lanz wissen, Repinski Antwort fällt klar aus: Scholz müsse trotz der emotionalen Rede, die er an diesem Mittwoch im Bundestag gehalten habe, „deutlich besser werden“.
Auch Vizekanzler Robert Habeck sei abgestürzt. Bislang habe der Vizekanzler immer als guter Kommunikator gegolten, doch sein Auftritt am Dienstagabend bei Sandra Maischberger habe vieles kaputtgemacht. Das erschreckende Unwissen, das Habeck mit seinen Aussagen zur Insolvenzwelle vermeintlich offenbarte, sei „ein großer Klops“, moniert Repinski.

Lanz erinnert daraufhin an weitere Momente Habecks, die angesichts der aktuellen Ausrutscher wieder ins Gedächtnis kommen würden. Etwa Habecks Aussage, dass „Thüringen endlich eine Demokratie werden“ müsse. Oder, dass er „die Demokratie nach Bayern bringen“ wollte. Subotic nimmt die Politik in die Pflicht: Man solle endlich „die Dinge beim Namen nennen“ und zugeben, „dass wir hier ‘ne scheiß Zeit vor uns haben“.
Neven Subotic über seine Fußballerzeit: Empfinde Scham, dass ich diese Figur war
Lanz gibt ihm Recht. Es sei „eine bittere Wahrheit, dass dieses Wohlstandsversprechen nicht mehr funktioniert“. Er beklagt das Ende der guten Zeiten - „diese Idee, dass es immer bergauf geht“. Dies sei mit der explodierenden Inflation vorbei.
Wenn Subotic auf seine Zeit als BVB-Verteidiger zurückblickt – „dann empfinde ich Scham, dass ich diese Figur war“. Er sei den falschen Werten verfallen und habe die falschen Berater gehabt. „Solange du diesen Erfolg als Sportler hast, hast du dir das Recht verdient, so rücksichtslos zu sein“ – das sei seine Lebensmaxime gewesen und er bereue es heute. „Mir hat eine Anleitung gefehlt zu dem, was wirklich wichtig ist im Leben“. Er habe einfach die Autos gekauft, die andere Fußballer hatten, um dazuzugehören. „Es gibt keine Anleitung für das Leben. Häufig ist aber die Antwort in einem selbst.“

Heute mache er sich nicht Gedanken über den Status, den ein Auto ausdrückt, sondern über die Rohstoffe, die darin stecken und den Preis, den andere Menschen dafür bezahlen müssen. Lanz hakt ein: Aber mit so einem Autokauf gebe man doch auch den Menschen Arbeit. Und je mehr Audis oder Porsches man kaufe, desto mehr Arbeitsplätze würde man schaffen. Subotic kontert: „Das ist eine sehr isolierte Betrachtung. Man denkt, da kommen auf magische Weise Rohstoffe nach Stuttgart.“ Es gehe um „die Ausbeutung von Ressourcen und die Ausbeutung von Menschen“.
Sehr ergreifend sind die Erinnerungen, die Subotic offenbart. Er spricht von seiner Kindheit, wie seine Familie nach zehn Jahren aus Deutschland rausgeworfen wurde und glücklicherweise in die USA gehen konnte, wo Vater und Mutter sofort integriert wurden. Den Grund sieht Subotic im Imperialismus der USA. „Wenn man viele Waffen in die Welt liefert, lädt man auch mal Leute aus den betroffenen Ländern ein, die dann ins Land kommen dürfen.“ Davon hätten er und seine Familie als Serben glücklicherweise profitiert.
4,5 Milliarden für Transfers – „Der Zug für den Fußball ist abgefahren“
Lanz spricht die exorbitanten Summen im Fußball-Business an. 4,5 Milliarden Euro hätten die größten Vereine allein im Jahr 2021 für Transfers ausgegeben, 1,5 Milliarden mehr als im Vorjahr. Subotic sieht keine Rechtfertigung für derartige Exzesse. „Der Zug für den Fußball ist abgefahren“, sagt er.
Die von ihm 2012 gegründete „Neven Subotic Stiftung“ hat bereits 484 Hilfsprojekte in aller Welt angestoßen, hauptsächlich für Kinder. Auch Repinski war in der Entwicklungshilfe tätig, er arbeitete bereits in der Sahara und in Asien. Er schildert eindrucksvoll das Bürokratiemonster, das sich in der Entwicklungshilfe breitgemacht hat. Wochenlange Diskussionen um Nebensächlichkeiten. Projekte und Workshops, die noch schnell vor dem Ende eines Buchungsjahres durchgeboxt würden, „damit das Geld weg ist“. Das Geld müsse „abfließen“, damit der Bedarf im nächsten Jahr weiterbesteht. „Das ist desillusionierend“, sagt Lanz.
Chinesen haben in Afrika einen pragmatischeren Ansatz
Auch um Aktivitäten von China in Afrika geht es an diesem Abend. „Was macht China besser bei der Entwicklungshilfe?“, will Lanz wissen. Repinski hat eine klare Meinung: „Es ist der pragmatischere Ansatz, der einfachere, der schnellere, der effektivere“, sagt er. „Sie mischen sich nicht politisch ein in die inneren Zustände eines Landes. Sie sagen: Wir sind interessiert an Rohstoffen, dafür bieten wir Infrastruktur.“ Lanz zieht den Vergleich: „Der Europäer investiert vor allem in Moral.“ Er zitiert einen jungen afrikanischen Unternehmer, der ihm einst gesagt habe: „Ich brauche ein stabiles Stromnetz und einen günstigen Kredit, und beides liefern mir die Chinesen.“
Subotic erläutert die Hintergründe: „Wir haben eine bestimmte Sicht auf Afrika, von der wir nicht wegkommen: die Kolonialzeit.“ Ergebnis seien dann peinliche Auftritte wie jener des ehemaligen Außenministers Heiko Maas. „Als der in Namibia war, sagte er, es sei sehr besorgniserregend, wie viele chinesische Unternehmen hier in Namibia sind“, erzählt Subotic. Der Präsident Namibias habe Maas daraufhin zurechtgestutzt - „Mind your business!“
Nach Subotics Ansicht müsse in Deutschland endlich „über den Elefanten im Raum gesprochen“ werden, und das sei die Frage: „Wie gehen wir mit diesem kolonialen Erbe um?“
Fazit des Talks bei Markus Lanz:
Die Sendung war wegen der Champions-League-Übertragung verspätet und verkürzt. Überraschend: Ein Politik-Redakteur und ein Fußballer diskutieren und haben viel mehr gemein als gedacht. Sie haben eine gemeinsame Ebene und eine ähnliche Vergangenheit: die Arbeit in der Entwicklungshilfe. (Michael Görmann)