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Streit um Putin-Exklave immer heftiger - Russland-Politiker droht Nato-Staat Litauen offen mit Angriff

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Von: Patrick Mayer

Viktor Astapow, stellvertretender Oberbefehlshaber der russischen Marine, spricht in Kaliningrad zu Soldaten der Baltischen Flotte.
Viktor Astapow (li.), stellvertretender Oberbefehlshaber der russischen Marine, spricht in Kaliningrad zu Soldaten der Baltischen Flotte. © Vitaly Nevar/TASS/dpa

Der Kreml und Litauen streiten über einen freien Transitverkehr in die russische Exklave Kaliningrad an der Ostsee. Ein Moskauer Politiker attackiert den Nato-Staat und ein Bundeswehr-General warnt.

München/Kaliningrad - Drohgebärden aus Moskau sind im Russland-Ukraine-Krieg nichts Neues. Das transatlantische Verteidigungsbündnis Nato reagiert entschieden darauf, baut unter exponierter Beteiligung der deutschen Bundeswehr ihre schnelle Eingreiftruppe (Nato Response Force, NRF) von aktuell 40.000 auf 300.000 Soldaten aus.

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Die nationalen Teilstreitkräfte üben derweil fleißig für den Ernstfall - ganz offensichtlich. So sorgte im bayerischen Selb (Oberfranken) ein tieffliegender Eurofighter der Luftwaffe für Aufsehen. Auch Touristen am südlichen Gardasee konnten zuletzt bei einer Tasse Café Americano tieffliegenden Kampfjets zuschauen - zum Focaccia gab es donnerndes Schallgeräusch.

Zur Erklärung: Der bei deutschen Touristen beliebte Gardasee liegt geographisch zwischen dem lombardischen Militärflugplatz Ghedi bei Brescia, auf dem italienische Tornado stationiert sind, und der Aviano Air Base der US-Luftwaffe in Venetien. Sorgen bereitet der Nato rund um ihren Gipfel in Madrid (29./30. Juni) derweil vor allem ein kleiner Landkorridor im Baltikum an der Ostsee: Die Suwalki-Lücke, die zwischen Wladimir Putins Partner Belarus im Osten und der russischen Exklave Kaliningrad im Westen eine knapp 100 Kilometer lange Grenze zwischen den Nato-Staaten Polen und Litauen bildet.

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Genau hier sieht der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr, Bernd Schütt, die größte Gefahr für eine militärische Eskalation der Nato mit Russland.

Markant: Besagter Grenzstreifen liegt nur rund 130 Kilometer südwestlich der litauischen Stadt Rukla, wo im Rahmen der sogenannte Battlegroup „Enhanced Forward Presence“ 1100 Bundeswehr-Soldaten stationiert sind. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte der Regierung in Vilnius zuletzt zugesichert, das deutsche Kontingent zu verdoppeln.

Liegt zwischen Nato-Staaten an der Ostsee: die russische Exklave Kaliningrad.
Liegt zwischen Nato-Staaten an der Ostsee: die russische Exklave Kaliningrad. © dpa/Grafik: A. Brühl, Redaktion: J. Schneider

Russlands Exklave Kaliningrad: Gefahr einer Eskalation mit der Nato in der Suwalki-Lücke

Generalleutnant Schütt erklärte der Deutschen Presseagentur (dpa) nun, dass im Bereich der Suwalki-Lücke die Gefahr einer Testung des Verteidigungsfähigkeit der Nato recht groß sei. Zuletzt hatte sich die sicherheitspolitische Situation in der Region drastisch verschärft. Grund ist der Marinestützpunkt der Baltischen Flotte Russlands im benachbarten Kaliningrad. Wie viele russische Soldaten dort stationiert sind, ist unklar.

Litauen hatte kürzlich den Transit von Waren über sein Territorium gestoppt, die auf der Sanktionsliste der Europäischen Union (EU) stehen. Darunter fallen Zement, andere Baumaterialien und Metall, aber etwa auch Alkohol und Zigaretten. Laut Kaliningrads Gouverneur Anton Alichanow sind 40 bis 50 Prozent des Warenverkehrs zwischen Russland und Kaliningrad betroffen. Das ruft in Moskau heftige Kritik nach sich.

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Ein Parlamentsabgeordneter legte jetzt harsch nach. „An der Grenze zu Weißrussland - in Kaliningrad - muss eine Militärpräsenz aufgebaut werden. Sie existiert bereits und ist kampfbereit“, sagte der Duma-Politiker Andrej Guruljow in einer Propagandasendung des russischen Staatsfernsehens.

Darüber berichten das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) und Focus Online. Guruljow meinte demnach: „Diejenigen, die mit ihrem Artikel 5 in der Luft herumfuchteln, sollten ihn zusammenrollen und sich in den Allerwertesten stecken. Es ist unser Territorium, und wir werden entscheiden, was wir hineinbringen.“

Kaliningrad

Kaliningrad hieß früher Königsberg und war seit 1724 Königliche Haupt- und Residenzstadt in Preußen sowie bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs im Mai 1945 Hauptstadt der preußischen Provinz Ostpreußen. Mit der Eroberung durch die „Rote Armee“ fiel die Hafenstadt an der Ostsee vom damaligen Nazi-Deutschland an die Sowjetunion. 1946 wurde die Stadt in Kaliningrad umbenannt.

Nach dem Zerfall der UdSSR 1991 verblieb die Region als Exklave außerhalb des Kern-Staatsgebiets bei Russland. Heute leben in der Stadt selbst 430.000 Einwohner und in der gleichnamigen Oblast insgesamt etwa eine Million Menschen.

Güterwaggons stehen auf den Gleisen des Güterbahnhofs in Kaliningrad.
Wegen der EU-Sanktionen? Viele Güterwaggons stehen auf den Gleisen des Güterbahnhofs in Kaliningrad. © Uncredited/AP/dpa

Artikel 5 regelt den Bündnisfall der Nato, sollte ein Mitglied des Militärbündnisses angegriffen werden. Guruljow wettert, während die Oblast Kaliningrad wirtschaftlich unter Druck gerät. Wie das Nachrichtenportal Meduza unter Berufung auf einen Forbes-Artikel berichtet, importierte Kaliningrad zwischen Januar und September 2021 Waren im Wert von 6,5 Milliarden Euro, während es Waren von 1,8 Milliarden Euro exportierte. In dem Bericht wird auf namentlich nicht genannte örtliche Geschäftsleute verwiesen, wonach besonders die Sanktionen im Baugewerbe die Region hart treffen.

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Meduza zitiert ferner Oleg Chernov, den Generaldirektor des „Baltic Metallurgical Cluster“, laut dem bislang 80 Prozent der Metalle per Bahn in die Region geliefert wurden. Versorgt werden muss Kaliningrad mit besagten Gütern nun über die Ostsee, was zu erheblichen Preissteigerungen führen dürfte. Währenddessen bleibt die kleine Exklave zwischen Polen, Litauen und Belarus militärisch ein großes Risiko. (pm)

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