1. Startseite
  2. Politik

Orbán-Wahlkampf auf Kosten der Ukrainer? Augenzeuge schildert Ungarns harten Kurs an der Grenze

Erstellt:

Von: Aleksandra Fedorska

Putin konnte sich bislang der Unterstützung Ungarns und Serbiens sicher sein - auch im Ukraine-Konflikt?
Putin konnte sich bislang der Unterstützung Ungarns und Serbiens sicher sein - auch im Ukraine-Konflikt? © Alexander Zemlianichenko/dpa

In Ungarn stehen am 3. April die Parlamentswahlen an. Orban hält an seinem prorussischen Kurs fest. An den Grenzen spitzt sich die Situation aber zu - gerade für Frauen und Kinder.

Petea/Warschau - Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán verärgert immer wieder Partner in der EU - so auch nun im Ukraine-Konflikt*. Denn Orbáns spezielles Verhältnis zum Kreml scheint weit über das Energiegeschäft hinauszureichen. Dabei riskiert der ungarische Regierungschef viel. Erst kürzlich erklärte er - ganz im Sinne der Moskauer Propaganda - in einem Interview, Polen wolle die Grenzen des Westens bis nach Russland verschieben.

Die letzten verbliebenen Sympathien in Warschau dürften damit passé sein. Vor der anstehenden Ungarn-Wahl am 3. April dürften Viktor Orbán* aber alle Mittel des Stimmenfangs recht sein. Zuletzt deutete er etwa auch einen möglichen EU-Austritt an. Doch ein rigider Kurs Orbáns zeigt auch ganz praktische Auswirkungen. Etwa für Menschen auf der Flucht, wie ein Augenzeuge IPPEN.MEDIA berichtet.

Ukraine-Krieg und Ungarn-Wahl: Orban mauert an den Grenzen

In der Nacht von Donnerstag auf Freitag (10./11. März) stand der polnische Helfer Maciej Bienert an der rumänisch-ungarischen Grenze im Dörfchen Petea. Bienert hatte Hilfsgüter in die südliche Ukraine gebracht und war auf dem Weg zurück nach Polen. Rumänien engagiert sich stark in der Hilfe für das kriegsgebeutelte Nachbarland. Dabei spitzt sich die Situation in dem Land selbst zu. Es fehlt an Treibstoff. Bei längeren Fahrten wird aus Kanistern getankt, denn entlang der Schnellstraßen haben Tankstellen kein Benzin mehr.

Ungarn lässt unterdessen ukrainische Bürger lange an der Grenze warten - nicht nur an jener mit der Ukraine, wie Betroffene berichten. Sondern eben auch am Übergang zu Rumänien. Dabei sind die Ankommenden fast nur Kinder und Frauen - ebenso wie in Deutschland*. Ganze Busse, Transporter und PKW mit kleinen Kindern ohne sanitäre Anlagen erreichen die rumänisch-ungarische Grenze.

Folgen des Ukraine-Konflikts: Lange Schlangen Wartender an der ungarisch-rumänischen Grenze.
Folgen des Ukraine-Konflikts: Lange Schlangen Wartender an der ungarisch-rumänischen Grenze. © Maciej Bienert/fkn

Laut Augenzeugen haben ungarische Beamte ein Schild ausgehängt, demzufolge es in dem Grenzgebäude keine Toiletten gibt. Verzweifelte Mütter hätten die ungarischen Grenzer gebeten, ihnen zumindest das Verrichten der Notdurft zu ermöglichen. Grenzer sollen sie auf die Nutzung von Gehsteig und Straße verwiesen haben. Es fehlt auch an Hygieneartikeln und Windeln. Polnische Helfer haben laut Bienert bereits begonnen, Windeln zu verteilen. „In den vielen der Pkws, die häufig von den Frauen allein gefahren werden, saßen vier bis fünf Kinder“, berichtet er.

Ukraine-Konflikt: Ungarn fährt harten Kurs an der Grenze

Einige dieser Schutzsuchenden wurden von den ungarischen Grenzbeamten zurück nach Rumänien geschickt. Die Grenzbeamten sagten ihnen, dass Rumänien für sie verantwortlich ist, weil Rumänien das erste Land war, dessen Grenzen sie überschritten haben.

Als er die Situation am Grenzübergang mit Filmaufnahmen dokumentierte, hätten die Grenzschützer beim Gespräch mit wartenden Ukrainern Sturmhauben aufgezogen, berichtet Bienert. Auf der ungarischen Seite der Grenze warteten einzelne freiwillige private Helfer. Sie bauten einen kleinen Campingtisch mit Lebensmitteln und Getränken auf. Aber das Angebot dürfte nach Einschätzung des polnischen Helfers nicht einmal für einen Bruchteil der frierenden Wartenden reichen.

Putin muss sich vor Ungarn-Sanktionen nicht fürchten - Orbán erklärt vorsichtigen Kurs

Ungarns Politik gegenüber Russland hat sich nicht einmal nach dem Überfall auf die Ukraine verändert. Die überwiegend staatstreuen ungarischen Medien sollen die Wähler davon überzeugen, dass nur die regierende Fidesz-KDNP-Koalition Ungarn vor dem Krieg retten kann. Bei den Wahlen am 3. April muss sich Orbán einem gemeinsamen Oppositionskandidaten stellen, Peter Marki-Zay*.

Die Regierung will auch keinen Transit von Waffen für die Ukraine durch ihr Hoheitsgebiet zulassen. Weil das, wie die Behörden sagen, das Leben von Landsleuten in Ungarn selbst und in der ukrainischen Region Transkarpatien gefährden könnte. In der Ukraine leben etwa 150.000 ungarnstämmige Menschen. Laut der Regierung Orbáns ist die Politik der Regierung dem Schutz der Bürger vollständig unterzuordnen.

Ungarn vor der Wahl: Orbán bremst beim Thema Energie-Embargo - wie auch Deutschland

Orbán selbst sagte zuletzt ausdrücklich: „Die ungarischen Familien sollen nicht für den Krieg bezahlen“. Eine entschiedene Russlandpolitik Ungarns würde den Verzicht auf gemeinsame ungarisch-russischen Wirtschaftsprojekte bedeuten. Davon wäre - wie auch in Deutschland - insbesondere die Energieversorgung betroffen*. Ungarn profitiert aktuell von relativ günstigem russischen Gas. Die Suche nach alternativen Quellen für diesen Rohstoff zu einem attraktiven Preis könnte in diesem Fall schwierig werden.

Orbán deutete aber auch schon an, Europa werde sich nach dem Krieg in der Ukraine mit Moskau verständigen müssen. Hier bringt er sich offenbar bereits als Vermittler in Stellung. Der einzige osteuropäische Spitzenpolitiker ist er damit allerdings nicht. (Aleksandra Fedorska) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

Aktuelle Informationen zur Lage im Ukraine-Krieg finden Sie in unserem News-Ticker.

Auch interessant