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Donezk und Luhansk: Die abtrünnigen Republiken in der Ukraine - und was Putin dort will

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Von: Nail Akkoyun

Der Ukraine-Konflikt eskaliert, Wladimir Putin schickt russische Truppen in die abtrünnigen Gebiete Luhansk und Donezk. Doch was liegt Russland an den Regionen?

Donezk/Luhansk – Am Abend des 21. Februar erreichte der Ukraine-Konflikt* eine neue Eskalationsstufe, nachdem der russische Präsident Wladimir Putin* die Unabhängigkeit der selbst ernannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk anerkannt hatte. Zuvor appellierten die Separatistenführer der beiden abtrünnigen Oblaste an Putin, die Regionen in der Ukraine offiziell als unabhängig anzuerkennen, „um kein massenhaftes Sterben der Menschen“ zuzulassen.

Inzwischen hat Russland erste Truppen in die Ostukraine entsendet, „zur Wahrung des Friedens“. Die formelle Anerkennung der ukrainischen Gebiete ist dabei nicht nur ein Verstoß gegen das Minsker Abkommen, sondern könnte Russland* einen Vorwand bieten, mit dem Nachbarland in den Krieg zu treten. Erste Konsequenzen, wie das vorläufige Aus der Gas-Pipeline Nord Stream 2, folgten schon am Dienstag (22.02.2022). Doch was liegt Wladimir Putin an den abtrünnigen Gebieten?

Ukraine-Konflikt: Bereits mehr als 14.000 Menschen nach Gefechten gestorben

Vor den gewalttätigen Auseinandersetzungen im Donbass galt die Region als treibende Kraft der ukrainischen Industrie. Große Bergbau- sowie Stahlproduktionsstätten und große Kohlereserven kurbelten die Wirtschaft an. Doch seit der russischen Invasion und der anschließenden Annexion der Halbinsel Krim im Jahr 2014 werden die Gebiete Luhansk und Donezk von blutigen Gefechten gezeichnet.

Beide Oblaste bestehen sowohl aus ukrainisch-regierten Bezirken als auch aus pro-russischen „Volksrepubliken“. Die Kämpfe kosteten Berichten zufolge bislang circa 14.000 Menschenleben. Mehr als 2 Millionen Menschen seien in den letzten acht Jahren geflüchtet. Sowohl der Westen als auch die Ukraine warfen Russland vor, die Separatist:innen mit Waffen zu beliefern und zu unterstützen. Moskau weist die Anschuldigungen jedoch bis heute von sich.

Russland und die Ukraine: Unübersichtliche Lage in Donezk und Luhansk

Die Separatist:innen beanspruchen beide Oblaste gänzlich für sich, kontrolliert wird von ihnen aber nur knapp ein Drittel der Regionen. Eine exakte Angabe der Bevölkerungsanzahl ist schwierig, die Washington Post schätzt die Zahl zwischen 1,5 und 2,3 Millionen Menschen – viele von diesen Personen besitzen bereits eine russische Staatsbürgerschaft. In den „Volksrepubliken“ hätten schon mehr als 870.000 Menschen einen russischen Pass, sagte Viktor Vodolatsky, Mitglied der russischen Staatsduma*, gegenüber der Nachrichtenagentur TASS in der vergangenen Woche.

Im von Kiew regierten Teil des Donbass will ein Großteil der Bevölkerung, dass die abtrünnigen Gebiete wieder vollständig Teil der Ukraine und vom Staat regiert werden. In den Separatistenregionen hingegen will über die Hälfte der Befragten künftig ein Teil Russlands werden, zum Teil mit oder auch ohne Autonomierechte. Dies zeigt eine Erhebung der Washington Post aus dem Jahr 2021. Ein Zeitpunkt, zu dem der Konflikt im Osten seit Jahren lief, aber noch nicht derart eskalierte.

Ukraine hofft seit Jahren auf Nato-Eintritt – Putin pocht auf gemeinsame Vergangenheit

Historisch verbindet die beiden Staaten sehr viel. Selbst wenn man die frühere Sowjetunion außen vor lässt, lässt sich die gemeinsame russisch-ukrainische Geschichte bis ins neunte Jahrhundert zurückverfolgen. Die Ukraine ging damals, genau wie Belarus und Russland, aus dem historischen Reich des Kiewer Rus hervor. Eine Verbindung, die Präsident Putin gerne immer wieder erwähnt. Schon im Juli 2021 hatte er einen Aufsatz zur „Historischen Einheit von Russen und Ukrainern“ verfasst.

Pro-russische Anwohner der Oblast Donezk feiern die vom russischen Präsidenten Putin anerkannte Unabhängigkeit.
Pro-russische Anwohner der Oblast Donezk feiern die vom russischen Präsidenten Putin anerkannte Unabhängigkeit. © Taisiya Vorontsova/Imago

„Die heutige Ukraine ist ganz und gar von Russland erschaffen worden“, sagte Wladimir Putin in einer Fernsehansprache am 21. Februar. Dabei ging er auf die Sowjet-Vergangenheit der beiden Länder ein und erweckte mit seinen Aussagen teils den Eindruck, als dürfe die Ukraine in ihrer heutigen, unabhängigen Form so gar nicht existieren. Die Zustände im Osten der Ukraine sei auf „Russenfeindlichkeit“, auf intolerante Ukrainer:innen zurückzuführen, die pro-russisch denkende Menschen dazu gezwungen hätten, zu den Waffen zu greifen.

Moskau betrachtet die Ukraine als eine Pufferzone zwischen Russland und dem Nato-Gebiet. Häufig erinnerte Präsident Putin an vermeintlich getätigte Aussagen westlicher Politiker, die Russland gegenüber zugesichert haben sollen, dass die Nato keine Osterweiterung plane. Seit dem Ende der 1990er-Jahre wurde die Nato allerdings stetig um weitere Mitgliedsstaaten erweitert, dazu gehören Polen, Tschechien und Nordmazedonien. Auch die Ukraine hat entsprechende Ambitionen, im Februar 2019 wurde das Ziel eines Nato- sowie eines EU-Beitritts sogar in der Verfassung festgeschrieben.

Ukraine-Konflikt: EU kündigt erste Sanktionen gegen Russland an

Erste wirtschaftliche Folgen der neusten Ereignisse machen sich bereits bemerkbar. So erreichte der Ölpreis am 22. Februar den höchsten Stand seit 2014, als die Spannungen zwischen Russland und der Ukraine ebenfalls eskalierten. Aus Sorgen um das Angebot stieg der Preis damals auf beinahe 100 US-Dollar pro Barrel (Ölfass), nach aktuellem Wechselkurs wären das 88,15 Euro – eine Marke, die bisher mit rund 90 US-Dollar aber noch nicht ganz erreicht wurde.

Die USA* sowie die Europäische Union haben indes scharfe Sanktionen gegen Russland angekündigt. So könnte die EU unter anderem den Handel mit russischen Staatsanleihen verbieten. Dies geht aus einem Entwurf der Europäischen Kommission hervor, in dem auch das Einfrieren von Vermögenswerten bestimmter Personen thematisiert wird. Außerdem sei man bereit, „zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen, falls dies angesichts der weiteren Entwicklungen erforderlich ist“, heißt es in einer Pressemitteilung der EU. (nak) *fr.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

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