Kriegsverlauf in Karten: Wie zwei Wochen Invasion die Ukraine heimsuchten

Was für einen Verlauf hat Putins Krieg gegen die Ukraine genommen? In Karten und einer Chronologie werden die ersten zwei Kriegswochen und die russische Invasion nachvollziehbar.
Kiew - Vor zwei Wochen begann der russische Krieg in der Ukraine. In dieser Zeit brach großes Leid über die Bevölkerung herein. Darüber hinaus brachte der Vormarsch von Putins Armee viel Zerstörung für Stadt und Land und an sensible Orte wie die Holocaust-Gedenkstätte in Kiew. Auch wenn nach zwei Wochen kein Ende des Ukraine-Krieges* abzusehen ist: Wir wollen hier versuchen, die ersten Tage und den Verlauf des Krieges nachzuzeichnen. Dies kann naturgemäß immer nur ein unvollständiger Ausschnitt des Geschehens sein.
In unseren Karten in diesem Artikel können Sie exemplarisch den Verlauf russischer Angriffe seit dem ersten Tag nachvollziehen. Hier werden auch die geographischen Dimensionen deutlich: Die Ukraine ist flächenmäßig fast doppelt so groß wie Deutschland. Wir koppeln die Karten zugleich bewusst an eine kurze Chronologie eines jeden Kriegstags, die die Dimensionen dahinter kenntlich macht: Zerstörung, Tote, Gewalt und Verbrechen. Gleichzeitig bleibt der Fokus auf die politisch-militärische Dimension eines Krieges, der Schockwellen in die ganze Welt hinaus sendet - und auch nach Russlands selbst, das wohl zumindest in Form von Wladimir Putin auf ein sehr schnelles militärisches Ende des Krieges gesetzt hatte.
Wir verlassen uns bei der Darstellung von Karten unter anderem auf überprüfte Daten des Instituts for the Study of War. Ein bewusster oder unbewusster Fokus auf die US-amerikanische Perspektive des Krieges kann nicht ausgeschlossen werden. Dennoch veröffentlicht das Institut nach unserer Einschätzung bis heute die mit Abstand besten militärischen Analysen des Ukraine-Krieges. Wenig verlässlich in diesen Tagen hingegen sind viele der zigtausenden Meldungen und Beiträge über Angriffe oder Militärbewegungen, die auf Social-Media-Plattformen wie Twitter das Licht der Welt erblicken. Viele lassen sich nicht unabhängig überprüfen oder werden mit einem bestimmten Interesse veröffentlicht. Auch bei diesem Krieg ist die Wahrheit das erste von vielen Opfern. *FR.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.
Chronologie in Karten: Putins Krieg gegen die Ukraine
- Dienstag, 22. Februar: Der Krieg fängt an, bevor er Krieg genannt wird. Putin erkennt die Volksrepubliken Donezk und Luhansk an – aber über ein Gebiet, das weit darüber hinaus geht. Es umfasst zudem sehr nennenswert auch ukrainisches Territorium. Gleichzeitig kann Putin nun bis auf Weiteres in jeder Dimension uneingeschränkt militärische Operationen durchführen.
- Donnerstag, 24. Februar: Der großangelegte Krieg Putins gegen die Ukraine beginnt. Dieser soll zu einem schnellen Sturz der Regierung genauso wie der Besetzung der gesamten Ukraine führen. Das ist schon jetzt das Ergebnis westlicher Analysen. Demnach wird Putin binnen Tagen oder wenigen Wochen die vollständige Kontrolle über das Land übernehmen können. Die erste Welle mit zahlreichen Luftangriffen und Vorstößen beginnt.
- Freitag, 25. Februar: Die russische Armee dringt zum ersten Mal in viele Stadtgebiete vor, wie etwa die von Kiew. Generell sind die Geländegewinne im Norden größer als im Süden, was der unterschiedlich organisierten militärischen Führung zugeschrieben wird. Die ukrainischen Truppen sind offenbar schon jetzt wehrhafter als von Putins Russland erwartet. Es gibt hohe Verluste und viele Tote.
- Samstag, 26. Februar: Russland scheitert vorerst mit der Isolierung der Hauptstadt Kiew. Zahlreiche russische Vorstöße scheitern wegen des hohen ukrainischen Widerstands. Dennoch sind die Vorstöße im Süden die größte Gefahr für die ukrainische Armee. Dass der Geländegewinn der russischen Armee dennoch nicht größer ausfällt, erklären Experten mit massiven logistischen und organisatorischen Problemen Russlands.
- Sonntag, 27. Februar: Weil die Strategie eines kräftemäßig limitierten gezielten Einmarschs und dann einer schnellen ukrainischen Aufgabe gescheitert ist, führt Russland massiv neue Truppen zu. Nach Beobachtern sammeln sich derzeit die Truppen und sortieren sich neu, bis mit neuen Angriffen und vermehrten Attacken aus der Luft ausgegangen wird. Dennoch sind Städte wie Mariupol bereits eingekreist. Eine Flucht ist unmöglich oder extrem schwierig.
- Montag, 28. Februar: Die russische Artillerie wird großflächig eingesetzt. Die russischen Truppen marschieren vor allem in vier Achsen voran: Kiew, die Nordost-Front, Donbas/Mariupol und die Krim-Kherson-Linie im Süden. Das russisch-kontrollierte Gebiet verändert sich aktuell nur wenig. Viele Bilder zeigen dennoch liegengebliebene, verlassene oder zerstörte russische Einheiten.
- Dienstag, 1. März: Die weitere Verstärkung und Ausrüstung russischer Truppen nördlich und westlich von Kiew schreitet voran. Nach Analysen westlicher Institute wie dem Institute for the Study of War bleibt das vorrangige Ziel der russischen Armee die Kontrolle über die Hauptstadt. Kurz bevor scheint der Lückenschluss stehen bei Mariupol, nachdem Russland von der Krim bis hin zur Donezk-Luhansk-Region einen durchgehenden Korridor kontrollieren würde. FÜr die Bewohner wird das Schlimmste befürchtet.
- Mittwoch, 2. März: Die russische Armee kommt wesentlich langsamer voran, als viele Beobachter es ursprünglich erwartet haben. Die Geländegewinne bleiben überschaubar, und auch die Hauptstadt Kiew ist noch nicht eingenommen. Satellitenbilder zeigen jedoch, wie nördlich von Kiew eine kilometerlange Kolonne von Militärfahrzeugen aufzieht. Gleichzeitig bewegen sich russische Truppen vom Osten auf Kiew zu.
- Donnerstag, 3. März: Die Einkreisung Kiews und Kharkiv durch Russland erfolgt bislang nicht. Die Armee scheint sich auf mehrere gleichzeitige Vorstöße zu konzentrieren, ist damit aber nur begrenzt sehr erfolgreich. Dennoch schreitet der Krieg und das Gebiet russischer Kontrolle voran – wie etwa Mariupol ganz im Süden. Von überall aus in der Ukraine flüchten die Menschen und versuchen, sich in Sicherheit zu bringen.
- Freitag, 4. März: Vom Osten und Norden her rückt die russische Armee immer weiter an Kiew heran. Hier erwarten Beobachter Schlimmes, sobald die Armee auf nennenswert bewohntes Gebiet trifft. Auch in Mariupol kommt es zu heftigen Gefechten. Die Wasserversorgung ist unterbrochen: „Das alte Mariupol gibt es nicht mehr“.
- Samstag, 5. März: Gegen große Städte wie Kiew oder Kharkiv im Südosten des Landes werden keine größeren Angriffe gemeldet. Weitere russische Vorstöße gibt es kaum. Dennoch gibt es massiv Berichte über Angriffe auf Zivilisten und zivile Gebäude. Nach Einschätzung von Beobachtern war Russlands Strategie und Vorbereitung schlicht und ergreifend nicht für groß angelegte Offensiven und Kampagnen ausgelegt.
- Sonntag, 6. März: Ein Tag, der bei bloßer Betrachtung der Karte von wenig Veränderung des Krieges kündet. Doch tatsächlich geschehen massive tödliche Luft- und Raketenangriffe auf Zivilisten und zivile Infrastruktur; sogar Evakuierungskorridore wie die der Stadt Mariupol im Süden werden beschossen. „Sie haben die anfängliche Invasion verpfuscht„, sagt Militärexperte Michael Kofmann.
- Montag, 7. März: Den Einwohnern Kiews droht die Katastrophe: Aus mehreren Himmelsrichtungen bereiten sich die Truppen Putins auf einen Sturm auf die Hauptstadt innerhalb der nächsten Tage vor. Im Süden gibt es mehrere parallele russische Vorstöße, aber keine vereinten Angriffe.
- Dienstag, 8. März: Russische Truppen konzentrieren weiter ihre Kräfte rund um Kiew. Ein Sturm auf die Hauptstadt wird mehr denn je für die kommenden Tage erwartet. An den anderen Fronten gibt es hingegen eher wenig Bewegung, gerade im Osten und Südwesten. Gleichzeitig wird die humanitäre Lage immer kritischer und zehntausende fliehen.
- Mittwoch, 9. März: An Tag 14 setzt die russische Armee die Umzingelung von Kiew fort. In Mariupol kommt es zu massiven Bombardierungen mit vielen Toten, auch in der Zivilbevölkerung. Erwartet wird. dass Russland seine Truppen erst einmal weiter zusammenzieht. Berichte von der Front zeigen, dass die Armee immer weniger Rücksicht auf Zivilisten nimmt und auch völkerrechtlich fragwürdige Waffensysteme einsetzt. Ein Ende des Krieges ist auch nach Tag 14 nicht in Sicht.
Unsere Daten, Quellen und Methoden
Auch wenn wir in den Anfangstagen vor allem mit LiveUAMap als Basis für unsere Datenkarten gearbeitet haben, basiert der hier dargestellte Verlauf des Krieges auf Arbeiten und Analysen vom US-amerikanischen Institute for the Understanding of War in Washington D.C. Dieses wird inzwischen unterstützt durch das AEI Critital Threats Project. Diese werten eine Vielzahl an Quellen aus und verdichten diese in Geodaten des Kriegsverlaufes, die wir mit Absprache als Ausgangsbasis für einige Kartenprojekte nehmen. Sämtliche Darstellung kann aber bei aller Überprüfung und Recherche naturgemäß nur eine Annäherung an die Wirklichkeit sein. Die Kartenbasisdaten haben wir aufbereitet, in eine Chronologie überführt und auch in die Karten in diesem Artikel integriert.