Der FC Neu-Anspach möchte den Gruppenliga-Hit genießen

Fußball-Gruppenliga: Im Interview mit den Trainern des Spitzenduos SF Friedrichsdorf und FC Neu-Anspach zeigen sich die Verantwortlichen vor dem Spitzenspiel zuversichtlich.
Hochtaunuskreis . Mehr Spitzenspiel geht nicht. Um 15.30 Uhr steigt am Sonntag in der Fußball-Gruppenliga Frankfurt West das Gipfeltreffen schlechthin. Die Sportfreunde Friedrichsdorf, mit 56 Punkten aus 25 Spielen Spitzenreiter, empfangen den FC Neu-Anspach, mit 55 Zählern aus 26 Partien Zweiter. Viel Zündstoff steckt in diesem Taunusderby, geht es doch um Titel und Vizemeisterschaft mitsamt der Teilnahme an den Aufstiegsspielen.
Vorab sprachen wir mit den beiden Trainern, Sportfreunde-Coach Alexandros Theodosiadis (34) und seinem Anspacher Kollegen Salvatore Cirrincione (46).
Ein einziger Zähler trennt Ihre Teams sieben Spieltage vor Saisonschluss. Man fühlt sich unweigerlich an das Bundesliga-Fernduell zwischen dem FC Bayern München (59 Punkte) und Borussia Dortmund (57) erinnert. Sie auch?
Theodosiadis: Ja, dort wird es wohl auch bis zum Schluss ganz spannend bleiben.
Cirrincione: Überhaupt nicht - weil wir der VfL Bochum sind und ich mich in diesem Vergleich nicht mit Verfolger Dortmund identifizieren kann. Wir haben sehr viele angeschlagene Spieler, darunter auch Langzeitverletzte. Beim 3:2 gegen Fechenheim kamen mit Naoufal Akil und René Gilles noch zwei Gelb-Rote Karten für tragende Säulen unserer Manschaft hinzu. Das alles macht uns leider nicht stärker. Wir sind daher am Sonntag der absolute Underdog.
Sie beide blicken auf einen nervenaufreibenden Spieltag zurück: die Sportfreunde nach 4:1-Führung am Ende ein enges 4:3 in Bad Nauheim, die Anspacher auf den letzten Drücker nach 1:2 noch 3:2-Sieger über Fechenheim. Im Gegensatz zum Bayern und BVB zeigten Ihre Teams aber Nervenstärke.
Theodosiadis: Na ja, in den vorangegangenen Spielen waren unsere Auftritte nicht so überzeugend - etwa beim 2:5 gegen den FC Karben. Ich denke aber, dass meine Jungs jetzt wissen, dass es um einen guten Endspurt geht, um das Ganze erfolgreich über die Ziellinie bringen zu können.
Cirrincione: Ich bin froh, so ein Spiel wie das gegen Fechenheim erlebt zu haben - und kein von uns dominiertes Spiel. Dieser Krimi hat uns alle noch einmal mehr zusammengeschweißt und enger zusammenrücken lassen. Das Drehbuch zu diesem 3:2-Drama hätte man wirklich nicht besser schreiben können.
Ob in Bad Nauheim oder gegen Fechenheim: Um wie viele Jahre sind Sie in der Schlussphase gealtert?
Theodosiadis: Es war ja schon gegen die Bosnier eng bis zum Schluss. Damals haben wir in der 90. Minute das 3:2 geschossen. Ganz ehrlich, ich habe mich auch jetzt in Bad Nauheim nach dem Spiel gefühlt, als sei ich um zehn oder 15 Jahre gealtert.
Cirrincione: Gealtert? Gar nicht. Schon als Spieler und auch jetzt als Trainer genieße ich solche Spiele, die auf der Kippe stehen, die emotional vieles bieten. Dafür gehen die Leute doch ins Stadion und auf den Sportplatz. Auch Fechenheim hat ein echtes Topspiel abgeliefert. Es hat Spaß gemacht, ihnen zuzuschauen. Ich jedenfalls habe diese Partie komplett genossen.
Auf wen können Sie sich in den kritischen Phasen eines Spiels besonders verlassen?
Theodosiadis: Schwierig, da einzelne Spieler zu nennen. Es gibt nicht den Ruhepol schlechthin, aber in solchen Phasen baue ich auf die erfahrenen Spieler, etwa auf Masih Saighani.
Cirrincione: Bei uns war es wie ein kompletter Block. Wie eine unsichtbare Leitung, die alle angezapft haben - angefangen bei unserem Sportlichen Leiter Martin Schmidt über Torwart Kai Klug bis hin zu Lisa Korpeo, unsere Physiotherapeutin. Es war eine komplette Teamleistung.
Worum beneiden Sie Ihren Trainerkollegen?
Theodosiadis: Er hat in Anspach schon ein tolles Team übernommen. Dazu wünsche ich ihm natürlich viel Glück.
Cirrincione: Beneiden wäre das falsche Wort. Ich empfinde eher Hochachtung vor ihm, dass er so eine mit Stars gespickte Mannschaft führen und zufriedenstellen kann. Das muss man erst mal hinkriegen. Ich könnte das nicht, denn ich stelle es mir extrem schwer vor, ein Team mit so vielen Häuptlingen zu leiten. Für mich haben die Sportfreunde die Gruppenliga zugleich extrem aufgewertet - und alle anderen Teams zu Höchstleistungen angetrieben. Deshalb: von mir höchste Anerkennung und großes Lob!
Die Konkurrenten FC Kalbach, Spvgg. Fechenheim und Türk. SV Bad Nauheim ließen allesamt Federn und liegen jetzt um fünf respektive sechs Punkte zurück. Machen Ihre beiden Teams Aufstieg und Aufstiegsrunde folglich unter sich aus?
Theodosiadis: Wir könnten uns am Sonntag mit einem Sieg eine komfortable Ausgangsposition verschaffen, hätten dann vier Punkte Vorsprung und noch ein Spiel mehr gegenüber Anspach in der Hinterhand. Abschreiben würde ich aber die hinter uns platzierten Teams wie Karben oder Fechenheim noch nicht. Da ist noch ziemlich alles offen.
Cirrincione: Nein, gerade der FC Karben wird bis zum letzten Spieltag mitreden. Auch Kalbach darf nicht abgeschrieben werden - und die Fechenheimer haben es allemal drauf, sämtliche Spiele bis zum Saisonende zu gewinnen. Das Rennen um Platz zwei bleibt für mich daher offen.
Die Sportfreunde an der Spitze, der FC Neu-Anspach direkt dahinter - und trotzdem ist die Mannschaft der Stunde eine andere. Der FC Karben hat seine sämtlichen sieben zurückliegenden Spiele gewonnen (bei 33:8 Toren) und ist sogar seit nunmehr 14 Spielen am Stück ungeschlagen.
Theodosiadis: Wenn die Karbener ihr Niveau halten können, dann dürften sie in der kommenden Gruppenliga-Saison eine richtig gute Rolle spielen. Sie sind ein verschworener Haufen und können auf eine supergute Jugend zurückgreifen.
Cirrincione: Das bestätigt doch meine These bei Ihrer vorherigen Frage: Alles wird da oben erst am letzten Spieltag entschieden. Beim FC Karben macht man in puncto Jugendarbeit im Moment sehr, sehr, sehr viel richtig. Wir gehen diesbezüglich in eine ähnliche Richtung.
Im vergangenen Spätsommer hatte einer Ihrer Trainerkollegen prognostiziert, die Sportfreunde würden schon im November zwölf Punkte Vorsprung schreiben. Warum ist es bis zum heutigen Tage dazu nicht gekommen?
Theodosiadis: Das liegt daran, dass wir zu inkonstant sind und uns schon zu viele Unentschieden, die nicht sein mussten (fünf - Anm. d. Red.), geleistet haben. Da hatten wir zum Teil Führungen verspielt und Spiele noch aus der Hand gegeben. Gute Namen, die man aufs Papier schreibt, garantieren noch keine guten Leistungen. Daher schlägt Mentalität des Öfteren auch mal Qualität.
Cirrincione: Die Sportfreunde haben viel investiert und damit sich und die gesamte Liga enorm attraktiv gemacht - von mir absolut kein Neid, sondern Anerkennung dafür! Dadurch haben sie zugleich alle anderen Vereine zu Höchstleistungen gepusht. Die leisten - auf ihre ganz spezielle und individuell verschiedene Weise - ebenfalls hervorragende Arbeit, was das gesamte »Konstrukt Gruppenliga« so spannend und attraktiv macht.
Glauben Sie, dass in vier Monaten Sportfreunde und Anspacher auch in der Verbandsliga Süd um Punkte spielen werden?
Theodosiadis: Ich hoffe, dass wir es in die Verbandsliga schaffen. Was die Anspacher angeht - ich wünsche jedem viel Glück.
Cirrincione: Es ist viel zu früh, sich dahingehend ein Urteil bilden zu können. Die Meisterschaft wird jedenfalls nicht am morgigen Sonntag entschieden. Wer morgen verliert, für den ist noch nichts gegessen - ebenso wenig für die Nummern drei, vier und fünf der Liga.
2023/24 - weiterhin mit Ihnen auf der Trainerbank?
Theodosiadis: Mal sehen, was in den nächsten Wochen passiert. Es spricht aber sehr viel dafür, dass ich Trainer bleibe.
Cirrincione: Schauen wir doch einfach, wie die kommenden Wochen laufen. Dann sehen wir weiter. Natürlich läuft mein Vertrag auch für die nächste Saison - natürlich bleibe ich, ist doch klar. Aber im Fußball, das wissen wir doch alle, ist vieles so schnelllebig. Ich bin nun mal kein Freund, der weit in die Zukunft blickt.
Welche(n) Spieler vom morgigen Gegner könnten Sie sich auch in Ihrem Team gut vorstellen?
Theodosiadis: Die Anspacher haben viele gute Spieler - sie werden aber momentan noch immer von Ausfällen geplagt. Wie zum Beispiel Maziar Namavizadeh. Er wäre ein Typ Stürmer, der uns auf alle Fälle weiterhelfen würde.
Cirrincione: Wo soll ich anfangen? Mit wem soll ich die Aufzählung beenden? Ich hätte die Qual der Wahl. Ob ein Saighani, ein Talijan, ein Babic - ob Hofmeier oder Koyun, die ich beide schon beim FC Kalbach trainiert habe - die Liste wird ellenlang. Aber: Ich tausche meine Mannschaft nicht aus. Weil meine Jungs - so wie sie sind - richtig gut sind. Wir sind eins!
Müssen Sie eigentlich auch am Sonntag personelle Abstriche machen?
Theodosiadis: Turgay Akbulut fehlt nach seiner Gelb-Roten Karte in Bad Nauheim. Und Joschua Lyzcarz ist gestern in Urlaub gefahren. Ich hoffe, dass Deniz Topcu, der nach seiner Rückkehr zuletzt in Bad Nauheim mit Adduktorenprobleme zur Pause raus musste, wieder spielen kann.
Cirrincione: Durch die beiden Ampelkarten gegen Fechenheim ist unsere Liste an Ausfällen noch einmal länger geworden. Stand Mittwochabend hatte ich für Sonntag inklusive eines zweiten Torhüters gerade mal 16 Mann beisammen - und vier Feldspieler für die Bank, wobei hinter einem noch ein Fragezeichen steht. Schade, dass dieses Spiel schon morgen kommt.
Was wäre am Sonntag der kapitalste Fehler, den Ihr Team machen könnte?
Theodosiadis: Wenn wir überheblich ins Spiel gehen und keine 100 Prozent geben würden. Klar, vor einem solchen Topspiel ist jeder ein bisschen nervös - das müssen wir aber schnell ablegen.
Cirrincione: Wenn wir in der Kabine bleiben würden. Spaß beiseite: Wir dürfen uns nicht auf ein offenes Spiel einlassen. Natürlich werden wir uns morgen nicht einbunkern, sondern wollen den Zuschauern ein attraktives Spiel, ein Spektakel bieten. Nervös werden wir nicht sein - vielmehr werden wir es genießen, gegen eine solche Klassemannschaft wie die Sportfreunde um Platz eins der Tabelle spielen zu dürfen.
Gesetzt den Fall, es klappt mit dem Aufstieg: Was wäre das Ziel in der kommenden Verbandsliga-Saison 2023/24?
Theodosiadis: Die Gegner werden jedenfalls stärker als jetzt sein, aber wenn man den SC Dortelweil sieht, so tummelt der sich nach dem Aufstieg jetzt eine Klasse höher im Mittelfeld. Punktuell müssten wir wohl noch nachbessern, um auch in der Verbandsliga vorne mitmischen zu können.
Cirrincione: Mehr als den Klassenerhalt ins Auge fassen zu wollen, wäre utopisch. Wenn wir eine solch gute Saison wie der SC Dortelweil als Verbandsliga-Neuling spielen könnten, wäre das traumhaft. Das ist aber alles Zukunftsmusik.
Und wie endet der morgige Gruppenliga-Gipfel?
Theodosiadis: 1:0 für uns.
Cirrincione: Ich bete für ein 1:1. WOLFGANG BARDONG