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Down Under Olympia-Form finden

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Von: Jens Priedemuth

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Kurze Stippvisite an alter Trainingsstätte. Mittelstreckler Marc Reuther (Königsteiner LV) im Frankfurter Leistungszentrum in der Hahnstraße. Auf der Bahn des Bundesstützpunktes hat der zweifache deutsche 800-Meter-Meister unzählige Einheiten absolviert. Nach der Hallensaison geht es nun wieder zur neuen Trainingsgruppe nach Australien. In Melbourne steht dann die Vorbereitung auf die Freiluftrennen an. © Jens Priedemuth

Hochtaunuskreis (kie). Beim Computer würde man von einem Reset sprechen. Auch Marc Reuther führte einen kompletten Neustart durch. Der künftig für den Hochtaunus-Club Königsteiner LV antretende Mittelstreckler (bisher Eintracht Frankfurt) hat eine durchwachsene Saison 2022 hinter sich.

Zwar gelang dem 800-Meter-Spezialisten die Qualifikation zur WM in Eugene und auch für die Heim-EM in München. Doch weder in Amerika, noch in Bayern lief es nach Plan. Bei den beiden Jahreshöhepunkten kam jeweils bereits im Vorlauf das Aus. Mit der Jahresbestzeit von 1:45,94 Minuten war der Eintrachtler zweitbester Deutscher. Im europäischen Ranking sieht die Sache mit Rang 41 dann schon ganz anders aus. Wie eng es mittlerweile auf der klassischen Mittelstrecke zugeht, zeigt ein Blick in die Statistik. Alleine im Bereich von 1:45,00 bis 1:45,99 Minuten tummeln sich auf dem Kontinent 22 Athleten!

Bereits während der Saison, spätestens aber nach München, war für Reuther klar, dass sich etwas ändern muss. Zu groß war der Aufwand, zu gering die sportliche Ausbeute. Nach der Sommerpause machte der 26-Jährige dann Nägel mit Köpfen. Er brach (vorerst) alle Zelte in Deutschland ab und orientierte sich komplett neu. Gut 15000 Kilometer betrug die Distanz zwischen Frankfurt und seinem neuen Standort Melbourne. Der Neustart bedeutete auch eine Trennung von seinem langjährigen Trainer Georg Schmitt, der Marc seit der Jugendklasse fast durchgehend betreute. »Wir haben nach München einen sauberen Schnitt gemacht und können uns nach wie vor in die Augen schauen«, sagt Reuther.

Der neue Mann fürs Coaching ist nun Justin Rinaldi, früher selbst ein Mittelstreckler und zweifacher australischer Meister. »Vom Sehen kannte man sich von größeren Wettkämpfen. Der Kontakt wurde dann per Mail intensiviert. Ich habe meine Situation hier geschildert und wir haben uns auf eine Zusammenarbeit geeinigt. Es war aber von Anfang an klar, dass ein Training aus der Ferne nicht funktioniert. Ich habe mir wirklich viele Gedanken um meine Zukunft gemacht. Das war nun die Chance, etwas ganz anderes zu machen. Australien bot die Möglichkeit, diesen Schritt zu gehen. Also raus aus Deutschland«, erinnert sich der gebürtige Düsseldorfer.

Gesagt - getan. Die Wohnung in Frankfurt wurde aufgelöst und der erste größere Trainingsblock von rund zwei Monaten Dauer in »Down Under« ist bereits absolviert. Die Trainingsgruppe ist international aufgestellt, unter anderem mit Läufern aus Schottland, Australien, Neuseeland und eben jetzt aus Deutschland. »Die Stimmung dort ist ganz anders. Alle sind durchweg positiv drauf. Das steckt an und sorgt für ein tolles Flair. Wir pushen uns im Training gegenseitig. Ich bin von der Truppe toll aufgenommen worden. Man unternimmt nach dem Training manchmal auch noch Dinge gemeinsam oder geht an den Strand. Die gelebte Gastfreundschaft hier hat mir auch für den Kopf gut getan«, fasst der zweimalige deutsche Meister (Freiluft) seinen ersten Australien-Trip zusammen.

WM im Blick

Ende Dezember kehrte Reuther zurück in die alte Heimat und absolvierte dann im neuen Jahr zwei harte Trainingswochen bei seinem Teamkollegen Guy Learmonth (Bestzeit 1:44,73 min.) im schottischen Glasgow. In Kürze geht es wieder für zwei Monate auf den fünften Kontinent zur finalen Vorbereitung auf die Freiluftsaison. Auch die Trikotfarbe hat sich für den ehemaligen Adlerträger geändert. Seit Jahresbeginn trägt Reuther das weinrote Trikot des Königsteiner LV - also auch in Sachen Verein ein Neustart. »Beim KLV herrscht ein familiäres Klima bei professioneller Vereinsführung. Man merkt schnell ein ernsthaftes Interesse des Clubs an seinen Athleten. Da passt einfach alles zusammen. Ich würde hier gerne auch eine Staffel laufen. Mal wieder so ein richtiges Team-Ding machen. Durch die Startgemeinschaft mit Groß-Gerau ist das ja auch möglich. Hinzu kommt, dass ich die Sportliche Leiterin Judith Wagemans privat seit meiner Jugendzeit kenne«, erläutert Reuther den Vereinswechsel.

Im Sommer ist dann die WM in Budapest das große Ziel. Klar ist aber auch, dass man einem Wechsel in der Trainings-Systematik etwas Zeit geben muss und sich hier nicht unter Stress setzen darf. Wenn alles klappt, soll es dann in Richtung einer tiefen 1:45er Zeit gehen, nach Möglichkeit auch etwas darunter. Das Fernziel ist ganz klar Olympia in Paris. »Ja, der Traum lebt noch. Um auf diesem Level dabei und konkurrenzfähig zu sein, ist Topform gefragt. Die liegt so im Bereich von 1:44,0 bis 1:44,5 Minuten. Ziel muss es auch sein, von den gestrickten Rennen mit mehreren Tempomachern wegzukommen. Die gibt es nämlich bei großen Meisterschaften nicht. Da muss man alle taktischen Spielarten beherrschen«, bestätigt der Neu-Königsteiner, der die Qualifikation für Tokio nur hauchdünn verfehlte. Dass Reuther für schnelle Zeiten fähig ist, belegt ein Blick auf seine Bestmarke. Die notiert auf der klassischen Mittelstrecke bei 1:44,71 Minuten.

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