»Es macht unfassbar viel Spaß«

Hochtaunuskreis . Was Punktspiele angeht, haben die Fußballerinnen der SG Westerfeld (Gruppenliga) und des 1. FFV Oberursel (Kreisoberliga) am Wochenende spielfrei. Zeit zum Ausspannen und Regenerieren bietet sich den beiden Teams dennoch nicht. Ganz im Gegenteil: Von 15.30 Uhr an steht man sich am Sonntag in Westerfeld im Endspiel des Hochtaunus-Kreispokals gegenüber.
Im Vorjahr angelten sich die Westerfelderinnen den Pott. Nach zwei 2:0-Siegen gegen den 1. FFV Oberursel und EFC Kronberg hatte sich die SGW vor Jahresfrist die Trophäe am Obernhainer Weg geholt. In der Saison 2020/21 lag der Pokalwettbewerb coronabedingt auf Eis - im Jahr davor hatte der 1. FFV Oberursel den Pott geholt und im Finale die Kronbergerinnen mit 7:0 in die Schranken gewiesen.
Im Vorfeld des Endspiels am Sonntag standen die beiden Übungsleiter, Oberursels Coach Maurice Privat (46, Rechtsanwalt, Schwerpunkt Arbeitsrecht) und SG Westerfelds Trainer Henry Lang (21, in Ausbildung zum Physiotherapeuten) zum UA-Interview bereit.
Ihre Mannschaften bringen unterschiedliche Ergebnisse ins Pokalfinale mit - Westerfeld musste sich in der Gruppenliga mit 0:4 beim SV Niederursel beugen, Oberursel kommt mit einem 1:0-Sieg über den FC Gudesding.
Lang: Ja, zudem konnte ich das Spiel wegen einer Corona-Erkrankung nicht miterleben und wurde gegen Niederursel von unserem Westerfelder Männer-Trainer Michael Riemann vertreten. Ich drücke mir selbst ganz fest die Daumen, dass ich am Sonntag wieder testnegativ bin - andernfalls würde Michael nochmals einspringen. Unsere Männer spielen ja schon am Samstag.
Privat: Wir konnten bisher noch kein Spiel in derselben Startformation bestreiten. Dafür aber läuft’s recht gut. Das im Training Erarbeitete setzt die Mannschaft im Spiel prima um - wenn uns auch wegen vieler fehlender Mädels noch die Konstanz abgeht.
Was würde eigentlich beim 1. FFV Oberursel passieren, wenn Sie als Trainer krankheitsbedingt ausfielen?
Privat: Da wäre ich relativ entspannt. Es würde entweder mein Bruder Jerome oder aber der Papa (Klaus Privat - Anm. d. Red.) an der Seitenlinie stehen - mit der gleichen Idee von Fußball, wie ich sie habe.
Apropos Ausfälle: Wie sieht es bei Ihren Teams personell für den Sonntag aus?
Lang: Wir können unter Umständen in Bestbesetzung auflaufen. Aktuell laboriert lediglich Larissa Gailing, unsere Kapitänin, noch an Knieproblemen und befindet sich im Aufbautraining. Vielleicht klappt es aber bis Sonntag mit ihr.
Privat: Vergleiche ich unsere jetzige Mannschaft mit der aus dem Vorjahr, fehlen uns am Wochenende vermutlich acht Spielerinnen: Aylin Witt, Ce- line Braun, Lara Kaiser, Ronja Quoos, Jana Steden, Miri Anders, »Lulu« Kassner und Paula Späth, die aus unseren B-Juniorinnen kommt und sich im Damenbereich sehr schnell akklimatisiert hat.
Mit welchem Saisonziel waren Ihre Teams eigentlich in die Runde eingestiegen?
Lang: Wir wollen die Runde in der Gruppenliga einfach nur bestmöglich abschließen. Wobei ich fest an einen Top-5-Platz glaube. Um den Klassenverbleib sollten wir uns keine Sorgen machen müssen.
Privat: Ich bin froh darüber, wenn unsere Mädels um den Aufstieg zur Gruppenliga spielen möchten. Das zeigt mir, mit wie viel Engagement in die Spiele gegangen wird. Klasse! In unserem Team steckt auch genügend Potenzial, um guten Fußball zu zeigen. Als Trainer richte ich die Blicke vorsichtshalber erst mal eher nach unten. Können wir den Schritt nach oben aber schneller als gedacht machen, umso besser.
Die SG Westerfeld ist am Sonntag Gastgeber, Titelverteidiger und der Klassenhöhere. Und damit zugleich auch der Favorit?
Lang: Darauf antworte ich nur sehr ungern. Ich werde meiner Mannschaft auf alle Fälle nicht die Favoritenrolle zuschieben. Zumal Oberursel eine gute Mannschaft hat. Das haben die vergangenen Jahre stets bewiesen. Ich sehe beide Teams am Sonntag eher auf Augenhöhe.
Privat: Westerfeld verfügt über eine eingespielte Gruppenliga-Mannschaft. Die Qualität im Team passt, sodass unser Gegner für mich deutlich favorisiert ist. Wir wollen aber am Sonntag nicht bloß als nette Gäste auftreten, sondern einen echten sportlichen Wettkampf abliefern.
Auf welche Spielerin sollte Ihre Mannschaft besonders achten?
Lang: Der FFV wird über seine mannschaftliche Geschlossenheit gefährlich. Darum will ich an dieser Stelle auch nicht auf nur eine spezielle Spielerin eingehen.
Privat: Auch ich versuche erst gar nicht, die Frage an einzelnen Spielerinnen festzumachen. Für mich ist Lorena Lagona aber immer in der Lage, für die SG Westerfeld den Unterschied zu machen. Dazu reichen ihr oftmals auch nur kurze Einsätze.
Glauben Sie, Ihr Trainerkollege kann Sie am Sonntag personell oder taktisch überraschen?
Lang: Nein, wobei ja jedes Spiel an sich ohnehin immer Unwägbarkeiten und Überraschungen birgt.
Privat: Die Spielerinnen beider Mannschaften kennen sich untereinander gut. Wir haben in den vergangenen Jahren schon so viele Meter Rasen gemeinsam umgewälzt. Ich denke mal, dass man auf beiden Seiten auf alles vorbereitet ist.
Der 1. FFV Oberursel hat durch einen kampflosen 3:0-Erfolg beim SV Seulberg das Endspiel erreicht, die SG Westerfeld benötigte zum Sprung ins Finale nur den 1:0-Sieg beim TV Burgholzhausen. Gestaltet sich der Kreispokal aus Ihrer Sicht als Farce?
Lang: Die Mädels haben ebenso wie die Männer das Recht auf einen Kreispokal-Wettbewerb. Wir haben stets genügend Spielerinnen zur Verfügung - das Gleiche gilt für den 1. FFV Oberursel. Somit liegt es an den anderen Mannschaften, ihre personelles Probleme besser zu lösen.
Privat: Sagen wir mal, dass es ein wenig unglücklich im Pokal gelaufen ist. Für die Auslosung haben ja neben unseren beiden Teams auch der SV Seulberg, TV Burgholzhausen und EFC Kronberg gemeldet. Kronberg verfügt über genügend Spielerinnen, auch der TVB wirkt stabil. Bei Seulberg sieht es vielleicht ein wenig knapper aus. Durch die späten Ferien waren im Vorfeld viele Testspiele kurzfristig abgesetzt worden. Viele Spielerinnen hatten die Chance auf Urlaub nach einer coronabedingt langen Zeit der Entbehrung. Das muss man verstehen.
Im Zuge der Frauen-Europameisterschaft war die Hoffnung auf einen Boom im weiblichen Fußball-Bereich groß. Natürlich würde sich ein solcher Boom erst nach vielen Jahren »oben« im Frauenbereich bemerkbar machen. Aber mal ganz konkret gefragt: Hat sich seit den starken Auftritten von Popp, Oberdorf und Co. in Ihren Clubs schon was getan?
Lang: Tatsächlich sind in unseren Jüngstenteams einige neue Gesichter dazugekommen. Die entscheidende Frage aber ist: Bei allem aktuellen Spaß am Fußball - wie sieht es in fünf Jahren aus? Sind dann alle bei der Stange geblieben, die sich jetzt nach der EM-Euphorie angemeldet haben? Was unsere Damenmannschaft angeht, die 15 bis 18 Spielerinnen umfasst, sind immerhin vier aus der letztjährigen U16 aufgerückt. Das stimmt mich positiv.
Privat: Wir sind in Oberursel mit Neuanmeldungen über die Jahre regelrecht verwöhnt. Wir müssen nicht wie andere am personellen Minimum herumkrebsen. Im Jugend- und Jüngstenbereich herrscht durch die EM ein zusätzlich sehr reges Interesse. Der Zulauf an fußballbegeisterten jungen Mädels ist echt gut - wenn das auch natürlich nicht von jetzt auf gleich Früchte tragen kann.
Weshalb fiel Ihre Entscheidung, eine Fußballmannschaft zu trainieren, eigentlich pro Frauen und kontra Männer aus?
Lang: Vor vier Jahren bin ich vom FC Neu-Anspach als Spieler zur SG Westerfeld gekommen. Ich lernte dann Maik Reinhold, den damaligen Westerfelder Frauen-Trainer, kennen. Es bereitete mir von Anfang an unfassbar viel Spaß, ihn als Co-Trainer der Damen zu unterstützen. Und als er sich nun vor der aktuellen Saison dazu entschloss, eine Auszeit zu nehmen, stand für mich zu 1000 Prozent fest, dass ich mich der Aufgabe sehr gerne alleine stellen werde. Weil die Mädels mir echt sehr am Herzen liegen. Sie nehmen die Übungen interessiert auf, ziehen super mit. Dadurch, dass ich bei uns in Westerfeld unter Michael Riemann bei den Männern trainiere, nehme ich aus seinem Training sehr viel mit und kann Trainingsinhalte für die Damen eins zu eins kopieren.
Privat: Über meine Schwester Chantal hatten sich für mich erste Berührungspunkte zum Frauenfußball ergeben. Die Aufgabe, ein Frauenteam zu trainieren, fühlte sich für mich von Anfang an gut an. Für mich, ganz ehrlich, hat sich auch nie eine andere Option ergeben. Da bin ich vollkommen monogam veranlagt. Wenn ich bei Männertrainings zuschaue, fällt mir als Erstes auf, dass dort ein anderes Gefüge und ein völlig anderer Ton herrschen - und es meist einen oder mehrere Leitwölfe gibt. Bei den Frauen ist der Fußball dagegen auf die Gruppe ausgelegt, es wird auf Fairness und Austausch Wert gelegt - und es wird deutlich mehr nachgefragt über den Sinn und Zweck von Trainingsinhalten und Übungen. Das hat mir schon immer imponiert.
Maurice, Sie trainieren seit der Saison 2003/04, sind also aktuell im 18. Trainerjahr.
Privat: Ja (lacht verschmitzt), und damit noch ein Stückchen länger als Metin Yildiz, der Trainer des FSV Friedrichsdorf (Yildiz ist in der 16. Saison Trainer des FSV - Anm. d. Red.). Mit Metin habe ich gemeinsam die Schulbank an der Philipp-Reis-Schule in Friedrichsdorf gedrückt.
Welchen Rat würden Sie als »Dauerbrenner« einem Trainer-Novizen wie Henry Lang mit auf den Weg geben?
Privat: Man sollte dieser Aufgabe nachgehen, solange man Spaß an ihr hat. Ich tat über die ganzen Jahre immer gut daran, offen zu sein für Veränderungen, was das Training angeht. So entwickelt man sich stets weiter und nutzt sich eigentlich nie ab.
Seit 18 Jahren also Coach des 1. FFV Oberursel: Henry, könnten Sie sich vorstellen, nachdem Sie im Sommer Ihr erstes Trainerjahr angetreten haben, eine ähnlich lange Zeit als Westerfelds Frauentrainer zu verbringen?
Lang: Auf alle Fälle. Ich bin ein sehr vereinstreuer Mensch. Ich hatte 13 Jahre lang in Anspach gespielt, nachdem ich mit fünf Jahren beim JFC Neu-Anspach begonnen und seit der F-Jugend durchwegs im Tor gespielt habe. Als mir die Vereinsführung dort nicht mehr so zusagte, wechselte ich zur SGW, bei der ich mittlerweile auch schon seit vier Jahren bin. Also, wenn mich die SG Westerfeld auch in Zukunft will - gerne.
Ihr Tipp: Wie geht das Pokalfinale am Sonntag aus?
Lang: Ich erwarte ein relativ offenes Spiel und hoffe, dass es ein sehr sehenswertes Match wird - natürlich mit dem besseren Ende für uns. Wie viele Tore fallen werden, haben die Mädels selbst in der Hand.
Privat: Ich wünsche mir nettes Wetter, ein gutes Spiel von beiden Seiten und erwarte einen knappen Ausgang. Am liebsten zu unseren Gunsten. Aber das wird schwer genug. WOLFGANG BARDONG