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Harry Lange: Die Zusage, die Gründe, die Perspektiven

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Von: Michael Nickolaus

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Trainer und Sportlicher Leiter in Personalunion: Harry Lange und der EC Bad Nauheim gehen gemeinsam in die Saison 2023/24. © Red

Der EC Bad Nauheim und Harry Lange gehen gemeinsam in die Zukunft. Wir nennen die Hintergründe der Entscheidung.

(mn). Österreich hat gelockt. Die Heimat. Die Versuchung war groß. Doch: Harry Lange hat abgelehnt. Der 39-Jährige sieht seine sportliche Zukunft beim EC Bad Nauheim in der Deutschen Eishockey-Liga 2. Hier, bei den Roten Teufeln, hat er die Entwicklung auf dem Eis in den vergangenen zehn Jahren geprägt wie kein anderer; als Spieler, als Assistenz-Trainer, als Chef-Coach und Kaderplaner. Wir nennen die Hintergründe seiner Entscheidung.

Die Entscheidung: Trainer oder Sportlicher Leiter? Oder eben beides?! Die Möglichkeit, in Bad Nauheim die Entwicklung als Trainer kurzfristig zu gestalten und als Sportlicher Leiter mittelfristig einzuleiten, hat am Ende den Ausschlag gegeben. »Die Entscheidung ist mir brutal schwergefallen. Ich möchte aber weiterhin noch Trainer sein«, sagt Lange, der dafür ein Angebot als Sportlicher Leiter in der österreichischen Heimat ablehnen musste. Der 39-Jährige hat sich in viereinhalb Jahren als Assistenz- und Chef-Coach bereits einen Namen gemacht; und dies grenzübergreifend. Mehr als zehn Jahre lang spielte er schließlich als Profi in Österreich (mehr als 500 Spiele für Graz und Klagenfurt, seinen Geburtsort), wo er, am Wörthersee, auch den Sommer verbringt.

Das Umfeld : Bad Nauheim ist längst eine zweite Heimat geworden. Hier hat er seine Lebenspartnerin Nina kennengelernt, hier wurde Töchterchen Leni geboren, hier kennt Harry Lange gefühlt alles und jeden, ist ein willkommener Gesprächspartner und für den Klub obendrein ein cleverer Repräsentant in der Außendarstellung. Authentisch, bodenständig, ehrgeizig. Einer, der Probleme anspricht und Lösungen sucht. Lange kennt den familiären Standort; mit all seinen Möglichkeiten, aber auch mit seinen Grenzen. Hier genießt er großes, fast uneingeschränktes Vertrauen. Über seine Tätigkeitsbeschreibung als Chef-Trainer hinaus ist er um maximalen Erfolg bemüht. Fehler werden ihm aufgrund seiner langjährigen Verdienste eher als allen anderen verziehen; das gilt auch bei Niederlagen-Serien. »Das Umfeld hat natürlich eine große Rolle gespielt. Gerade als junger Trainer ist es wichtig zu wissen, dass du nicht gleich beim ersten Fehler angezählt wirst. Hier weiß man, was man aneinander hat und vom Gegenüber bekommt«, sagt Lange.

Die Perspektive: Viertelfinal- (2019) und Pre-Playoff-Aus (2020) unter Christof Kreutzer, Platz elf (2021) als Hannu Järvenpää die Basis gelegt hatte. Vor rund zwei Jahren wurde Harry Lange mehr und mehr die sportliche Verantwortung übertragen - und seitdem geht’s sportlich bergauf. Platz fünf und erste Zweitliga-Halbfinal-Qualifikation seit 18 Jahren wurden im Vorjahr erreicht. Aktuell steht die Mannschaft unter den Top Sechs, obwohl der Kader durch die überraschenden und in dieser Qualität nicht kompensierten Abgänge von Tristan Keck und Stefan Reiter eher geschwächt wurde.

Dass er nach dem eineinhalbjährigen Höhenflug nun angesichts der steigender Erwartungshaltung von außen nur verlieren könne, glaubt Lange nicht. »Ziel muss es sein, für Konstanz zu sorgen und Bad Nauheim als einen sicheren Top-Acht-Klub zu etablieren. Das wäre schon ein Erfolg. Wenn die Mannschaft im Laufe einer Saison dann einmal vier oder acht Wochen überperformed ist vielleicht Platz sechs drin, vielleicht auch mal Platz vier. Aber selbst wenn sie mal unterhalb der Erwartungen spielt, muss Platz zehn für Bad Nauheim immer möglich sein«, sagt Lange.

Das Beispiel Heilbronn zeigt in dieser Saison, wie schnell es gehen kann. Der Vorjahres-Halbfinalist steht auf Tabellenplatz 13. In der kommenden Saison wird der Konkurrenzkampf noch größer werden. Holt Kassel den Titel und steigt auf, kommen zwei Mannschaften aus der DEL herunter, aus der Oberliga drängen ausnahmslos finanzstarke Klubs nach, die Bad Nauheim hinter sich lassen muss. »Jeder muss seinen Teil zur Entwicklung beitragen. Team, Trainer, Gesellschafter, Werbeaprtner und Fans. Und darauf setze ich. An einem Standort wie Bad Nauheim geht’s nur über Zusammenhalt auf allen Ebenen.«

Die Entwicklung : Ja, die Roten Teufel tun seit sich geraumer Zeit schwer. Und ja, gerade gegen Mannschaften aus der hinteren Tabellenregion. Das Spiel des EC Bad Nauheim ist in den Monaten unter der Führung von Lange aber neu definiert worden. Die Trainer-Kollegen blicken mit Respekt und Anerkennung auf den »neuen« EC Bad Nauheim. Laufintensiv, schnell im Umschalten, aggressiv im Forechecking, mit Ideen, mit Linie. Niederlagen basieren oft auf fehlender Effektivität im Abschluss und Konteranfälligkeit. Phasen der Dominanz, wie sie die Mannschaft aber immer wieder auf das Eis bringt, hat man in der Vergangenheit selten gesehen. Beim Publikum kommt dieser Stil gut an. »Das wollen wir weiter verfeinern«, sagt Lange.

Der Kader: Erfolg macht bekanntlich sexy. Und Bad Nauheim hat in Verhandlungen mit Spielern als Standort an Attraktivität gewonnen; trotz einfachster Kabinenverhältnisse, trotz des alten, offenen Stadions. Wenn ein Taylor Vause, vielfach als einer der kompletteste DEL2-Profis bezeichnet, hier mittelfristig seine Zukunft sieht, wenn ein junger Spieler - Fabian Herrmann ist hier das beste Beispiel - den nächsten Schritt geht und in seiner Entwicklung gefördert wird, wird das zunehmend wahrgenommen. Andere, wie aktuell Mick Köhler, spielen sich hier in den Fokus der DEL-Klubs. Das spricht sich in der Szene herum. »Ich denke, Spieler und deren Berater erkennen, was in Bad Nauheim möglich ist. Man kommt mittlerweile ins Gespräch, wo man früher gleich eine Absage erhalten hätte.«, sagt Lange. Er hat seinerseits nun Fakten geschaffen und kann die personellen Planungen vorantreiben.

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