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In den Karriere-Startlöchern

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Spätestens ab Juli, vielleicht aber auch schon bei den Bad Homburg Open, möchte die Merzhausenerin Mara Guth nach dem Abitur voll in der internationalen Profi-Tennis-Welt mitmischen. © Imago Sportfotodienst GmbH

Ausnahmetalent Mara Guth befindet sich als angehende Abiturientin in einer schwierigen Phase ihrer Karriere. Vielleicht schon morgen bei den Bad Homburg Open, spätestens aber ab Juli möchte die 18-jährige Merzhäuserin zeigen, was die Tenniswelt von ihr noch erwarten kann.

Merzhausen (rem). Sie ist ihm schon sehr nahe gekommen, ihrem Idol. Hat ihn beim Aufwärmen vor dem Spiel gesehen oder beim Krafttraining im Fitnesscenter. Bei den Grand-Slam-Turnieren in Melbourne, Paris, Wimbledon und New York sei das auch ganz normal, so Mara Guth. »Für mich ist das aber nicht so normal«, sagt die 18-jährige Tennisspielerin aus dem Usinger Stadtteil Merzhausen mit leuchtenden Augen.

Rafael Nadal anzusprechen, gar ihn um ein Selfie zu bitten? No way. Dafür ist Mara Guth zu schüchtern. Wie ein Teenager halt, dessen Herz für einen Popstar schlägt.

»Es hat mich schon glücklich gemacht, ihn einfach nur zu sehen«, erzählt sie. Und als ihre Mama Nicole sie während der Australian Open, bei denen sie in der Jugendkonkurrenz selbst mitspielte, für die Night Session eines Nadal-Spiels mit Karten überraschte, sei sie auf der Tribüne als Fan begeistert mitgegangen.

Was das über eines der größten Talente im deutschen Damentennis aussagt? Verschiedenes. Zum Beispiel, wie demütig die angehende Abiturientin aus dem Taunus weiterhin ihrer Leidenschaft, dem Tennisspielen, nachgeht. Sie hat schließlich selbst schon bei allen vier Jugendwettbewerben der Grand-Slam-Turniere teilgenommen, war in Paris und in Wimbledon bis ins Viertelfinale vorgestoßen.

Das Schwärmen für ihr Vorbild deutet aber auch an, dass sich Mara Guth noch in einer komplett anderen Welt bewegt als ein Weltklasse-Profi. Dass es für seine Tochter, wie Vater und Karrierebegleiter Michael Guth sagt, ein »extrem langer Weg« sei, um mit dem Sport auch ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

»Ich werde das Feld von hinten aufrollen«, hält Mara Guth ihrem Vater selbstbewusst entgegen. Der hätte freilich überhaupt nichts dagegen, wenn seiner Tochter dies gelänge. Vielleicht fängt sie am morgigen Samstag quasi vor der Haustür, schon damit an. Ihre Teilnahme beim WTA-Turnier Bad Homburg Open war bis zuletzt noch offen.

»Coole Erfahrung«

Schon im Vorjahr hatte die 18-Jährige, die dem »Porsche Talent Team« um Fedcup-Kapitän Barbara Rittner und dem Perspektivkader des Deutschen Tennis-Bundes angehört, als »Local Hero« im Bad Homburger Kurpark eine Chance erhalten. Sie war kurzfristig sogar ins Hauptfeld gerutscht, in dem sie vor allem im zweiten Satz beim 0:6, 3:6 gegen Nadia Podoroska überzeugen konnte. Über »eine richtig coole Erfahrung bei einem richtig schönen Turnier« freute sie sich.

Ihre erste Bewährungsprobe auf der »großen Tour« war so etwas wie das i-Tüpfelchen auf eine erfolgreiche Saison, in der sie bis auf Position 14 der Jugend-Weltrangliste geklettert, mit Julia Middendorf U18-Europameisterin geworden und bis ins Finale um die deutsche Hallenmeisterschaft der Damen vorgestoßen war.

Abitur geht vor

Seit Monaten geht für die mehrfache deutsche Jugendmeisterin aber erst einmal das Abitur vor. So war immer der Plan, der sich von dem der meisten Talente auf ihrem Niveau unterscheidet. In der Regel wird die Schulkarriere zugunsten möglichst vieler Turnierteilnahmen in aller Welt in die Länge gezogen oder der Abschluss zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt.

»Das alles noch mal lernen? Das wäre nicht das Richtige für mich gewesen, ich möchte das jetzt durchziehen«, sagt Mara Guth entschlossen.

Man bekommt beim Interviewtermin überhaupt den Eindruck, dass die junge Frau genau weiß, was sie will. Sie strahlt auch mitten in der Prüfungsphase, die noch bis zum 4. Juli läuft, eine gewisse Lockerheit aus. Ihre Haare hat sie wie auf dem Spielfeld zum Zopf gebunden, sie ist sportlich in Schwarz gekleidet, die Fingernägel sind in unterschiedlichen Farben lackiert.

Ihr Vater Michael ist beim Gesprächstermin auch dabei. Die meiste Zeit spricht jedoch Mara. Ihm gefällt das. Die Ältere zweier Töchter im Hause Guth hätte derzeit eigentlich guten Grund, angespannt zu sein. Ihre Schullaufbahn befindet sich in der finalen Phase, und es dürfte nicht so viele Schüler ihres Jahrgangs geben, die unter einer solchen Belastung ihr Abitur machen. Die Entscheidung für einen Wechsel im Winter 2020 von der Christian-Wirth-Schule im heimischen Usingen an das Privatgymnasium in Schwetzingen, an dem einst auch Alexander Zverev sein Abi machte, war der Merzhäuserin erst einmal schwergefallen.

Schulwechsel, Trainerwechsel

Viel Überzeugungsarbeit, so der Vater, sei dafür notwendig gewesen. Angesichts des bodenständigen Charakters, den seine Tochter hat, weshalb sie weiterhin gerne bei ihrem Heimatverein Usinger THC (UTHC) vorbeischaue, wie sie selbst sagt, und in der Region für Bundesligist TC Bad Vilbel aufschlägt.

Die Privatschule geht maximal auf junge Profisportler ein. Reitsportlerinnen, Eiskunstläuferinnen und vor allem Tennisspieler sind mit in der Klasse. Die Präsenzpflicht ist deutlich geringer als an normalen Schulen, ansonsten können die Schüler sich jederzeit per Videokonferenz in den Unterricht einwählen, aber auch Stoffe nacharbeiten, Einzelunterricht erhalten und den Zeitpunkt der Klausuren auswählen. »Ich hatte einmal drei an einem Tag. Da haben alle gedacht, ich hätte einen Schaden«, lacht Mara Guth.

Am Limit

Trotz der so flexiblen Zeiteinteilung sei sie im Winter an ihr Limit gekommen. Denn das Training geht ja inzwischen nicht mehr beim UTHC, sondern an der Regensburger Tennisakademie von Michael Geserer über die Bühne. Der vormalige Coach von Australian-Open-Finalistin Jennifer Brady, Julia Görges und Philipp Kohlschreiber beschäftigt wiederum den Slowaken Ivo Klec, der als Trainer alleine für Mara Guth zuständig ist.

Die (naheliegende) Alternative wäre die Alexander Waske Tennis-University in Offenbach gewesen. »Ich wollte unbedingt etwas Neues ausprobieren«, begründet Mara Guth, weiterhin froh gelaunt, den nicht so kleinen »Schritt zur Selbstständigkeit«, wie sie sagt - inklusive einer eigenen Wohnung, die ebenfalls im Vorjahr bezogen wurde.

In Regensburg sei sie nun sehr zufrieden und fühle sich wohl, an ihrem Trainer schätze sie die direkte Ansprache. »Er sagt mir genau, was er von mir erwartet und sagt mir auch, wenn ihm etwas nicht gefallen hat.«

Nach dem Abi-Ball im Juli wird sich weisen, wo es das Duo Guth/Klec noch alles hinverschlägt. Ihren wohlverdienten Urlaub wird die Merzhäuserin zugunsten erster Turniere der unteren Kategorie ausfallen lassen. Bei einem »W15er« (in Monastir/Tunesien) hatte sie im Februar bereits das Halbfinale erreicht. »Ich freue mich sehr, wieder viel zu spielen«, sagt die 18-Jährige.

Der einvernehmlich aufgestellte Masterplan ihrer Familie sieht mindestens zwei Jahre als Profi vor. Dann soll Mara Guth ihren Beruf als Tennisspielerin selbst finanzieren können. Länger möchte sie von ihren Eltern auch gar nicht finanziell abhängig sein.

»Es kann so schnell nach oben gehen, alles ist bei uns möglich«, sagt Mara Guth. Das beste Beispiel sei jüngst Emma Raducanu gewesen, die als 18-jährige Qualifikantin die US Open gewann. »Tennis wird immer Teil meines Lebens sein«, fügt Mara Guth an, »aber wenn es nicht klappen sollte, werde ich mir das eingestehen und einen normaleren Beruf anstreben.« Ein Lehramtstudium könne sie sich vorstellen, »vielleicht auch an einer renommierten Universität in den Vereinigten Staaten«, schlägt ihr Vater flugs vor. Schon vor Jahren hätten Hochschulen wie Yale und Stanford seiner Tochter über die Sozialen Netzwerke einen Studienplatz angeboten.

Fußball für den Leistungskurs

Mara Guth mustert ihren Vater erst einmal skeptisch und zieht die Augenbrauen hoch, wie das 18-Jährige gerne öfters gegenüber ihren Eltern tun. Neulich haben die beiden sich sogar auf Rasen gegenüber gestanden. Im eigenen Garten in Merzhausen, die Tochter musste noch für ihre Praxisprüfung für den Leistungskurs in Sport üben. Das Thema: Fußball. »Ist eigentlich nicht so meins«, schmunzelt Mara Guth.

Dann doch lieber Tennis spielen. Zum Beispiel bei den Bad Homburg Open. Auf einem Rasen, der exakt die Grashalmlänge der Courts in Wimbledon hat. Mit der Eintrittskarte in die große Tenniswelt, die sie so liebt. Und falls nicht im Kurpark »vor der Haustür«, dann plant Mara Guth spätestens im nächsten Monat als Tennisprofi durchzustarten.

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Ganz in Weiß: Auch beim Junior-Turnier in Wimbledon hat die Merzhausenerin Mara Guth schon ihre Erfahrungen gesammelt und gejubelt. © Imago Sportfotodienst GmbH

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