1. Startseite
  2. Sport
  3. Lokalsport

Internationale Bühne

Erstellt:

uaspor_1508_imago1010202_4c_1
Hier noch im Trikot des FC Basel 1893, doch inzwischen kickt Julia Matuschewski für das Team aus Graz, mit dem sie gegen Real Madrid antritt. © Imago Sportfotodienst GmbH

Die aus Bad Homburg stammende Fußballerin Julia Matuschewski tritt am Donnerstag mit Sturm Graz in der Qualifikation zur UEFA Women’s Champions League gegen Real Madrid an.

Bad Homburg/Graz . An diesen Moment kann sie sich noch ganz genau erinnern. »Ja, ich hatte die Auslosung am 24. Juni im Livestream verfolgt. Puh, dachte ich, das ist natürlich ein Hammerlos für uns«, sagt Julia Matuschewski. Die 25-jährige Fußballerin aus Bad Homburg wird mit ihrer neuen Mannschaft, dem SK (Sportklub) Sturm Graz, an diesem Donnerstag im Rahmen der Qualifikationsrunde zur UEFA Women’s Champions League antreten - bei Real Madrid! Bei jenen mit Nationalspielerinnen gespickten »Königlichen«, die in der zurückliegenden Champions-League-Saison im Viertelfinale am späteren Finalisten FC Barcelona mit 1:3 und 2:5 gescheitert sind.

»Eigentlich hatte ich ja insgeheim gehofft, dass wir ein etwas leichteres Los bekommen würden, um die erste Runde sicherer zu überstehen. Aber«, lacht die mit deutscher und polnischer Staatsbürgerschaft ausgestattete Spielerin mit Offensivblut in den Adern, »wer weiß, im Fußball ist nichts unmöglich.« Für Sturm Graz, und das kann Julia Matuschewski nur bestätigen, sei das Match am Donnerstagabend um 21 Uhr im Estadio Alfredo di Stéfano »ein Highlight der ganz besonderen Art - aber das haben sich unsere Mädels nach ihrer Vizemeisterschaft in der ÖFB-Frauen-Bundesliga auch so was von verdient«.

Längst fühlt sich Julia Matuschewski, die am 2. Juni bei Sturm Graz einen Einjahresvertrag unterzeichnet hat, in der 292000 Einwohner zählenden Hauptstadt der Steiermark heimisch. Zusammen mit ihrem Freund hat sie eine Wohnung ganz zentral in der Universitätsstadt an der Mur bezogen. »Zum Training sind es gerade mal vier Kilometer«, berichtet sie. Von ihren Mitspielerinnen in Graz wird sie, die einst beim FC Bomber Bad Homburg in Jungenmannschaften das Fußball-Abc erlernt hat, »Matu« gerufen. »Das liegt halt daran, dass wir noch zwei weitere Julias in der Mannschaft haben«, verrät die ehemalige Jugend-Nationalspielerin. Damit meint sie Julia Magerl und Julia Keutz.

Über die Stationen 1. FFC Frankfurt und 1. FC Saarbrücken (für den Zweitbundesligisten traf sie 2018/19 insgesamt 20 Mal und wurde mit dieser Ausbeute Torschützenkönigin) kam sie in die Schweiz zum FC Basel. Auch dort ließ es »Matu« ordentlich krachen - mit zwölf Pflichtspieltoren.

Erst hü, dann hott beim FC Basel

Sechs Wochen vor Ende der zurückliegenden Saison stellten die Verantwortlichen in der drittgrößten Stadt der Schweiz sie dann allerdings vor vollendete Tatsachen. »Beim FC Basel wollte man nicht mehr mit mir planen«, sagt Julia Matuschewski - um vielsagend hinzuzufügen: »Vier Wochen später wollten sie mich in Basel dann plötzlich doch wieder behalten. Aber da hatte ich mich bereits für meinen neuen Verein entschieden.« Sturm Graz hatte nach Sichtung von Matuschewskis Videos, prallgefüllt mit spielerischen Highlights, schnell geschaltet und großes Interesse an der Verpflichtung der 25-Jährigen angemeldet. Die Weichen wurden gestellt - und Julia sagte alsbald zu.

Ein Schritt, den sie für den »absolut richtigen« bezeichnet: »Ich wurde von Sturm für vier Tage nach Graz eingeladen, konnte mir hier alles genau anschauen und konnte auch mittrainieren. Es hat sich von Anfang an für mich einfach richtig gut angefühlt. Man fühlt sich hier enorm wertgeschätzt - und ich kann hier international spielen.« Drum war für sie die Unterschrift, die sie unter ihren Kontrakt in Graz - im Beisein ihres seit 2018/19 für sie tätigen Beraters Ersel Aybasti - setzte, auch »nur völlig logisch.«

Training geht im »Wingert« immer

In der steirischen Metropole hat sich die gebürtige Bad Homburgerin, die im Juni 2016 an der Nieder-Eschbacher Otto-Hahn-Schule ihr Abitur gemacht hatte, »bestens eingelebt«. Was auch den für sie anfangs durchaus gewöhnungsbedürftigen steirischen Dialekt gilt. »In den ersten Wochen musste ich ab und zu noch mal nachfragen - aber mittlerweile geht’s super«, lacht »Matu«.

Der Kontakt in die Heimat, zu ihrer Familie in Bad Homburg, ist nach wie vor jederzeit präsent und wird regelmäßig aufgefrischt. »Wenn ich mal wieder zu Hause bin, dann kann ich regelmäßig im Wingert-Sportpark der SG Ober-Erlenbach trainieren und mich fit halten«, freut sie sich. Die Vorrundenspiele der Frauen-Europameisterschaft habe sie durchweg »daheim in Bad Homburg verfolgt - die Finalrunde dann bereits in Österreich«. Mit Angriffsspielerin Annabel Schasching und Torhüterin Mariella El Sherif standen auch zwei aus Julia Matuschewskis Sturm-Team im EM-Aufgebot von Irene Fuhrmann, Österreichs Teamchefin.

Im Vergleich zu Deutschland, wo man erst relativ spät in der EM auf Public Viewing setzte, konnte die Bad Homburgerin in Österreich sogar eine noch größere Begeisterung für die Frauen-Spiele auf englischem Terrain in der breiten Öffentlichkeit ausmachen: »Die meisten Cafés und Restaurants hatten von Anfang an jedes EM-Spiel live übertragen. Das war echt krass.«

Gegenüber ihrer vorherigen Station in Basel hat sich für Julia Matuschewski an der Rückennummer, die ihr schwarz-weißes Trikot in Graz ziert, nichts geändert: »Es ist die 31 geblieben.« Allerdings ist die Position, die sie nun unter dem österreichisch/US-amerikanischen Trainerduo Christian Lang/Emily Cancienne beim SK Sturm einnimmt, eine andere als bisher. »Ich hatte ja schon in Basel eine Spur tiefer gespielt. Hier in Graz werde ich definitiv nicht mehr als Stürmerin spielen. Christian Lang attestiert mir super Qualitäten für die Position des Zehners, direkt hinter den Spitzen.«

Neue Position hinter den Spitzen

Die Saisonvorbereitung ist für Matuschewski unterm Strich sehr ordentlich verlaufen. Gleich im ersten Testspiel - beim 4:0 (3:0) gegen den FC Viktoria Szombathely (Ungarn) - war ihr zum 4:0-Endstand der erste Treffer im Sturm-Trikot gelungen. Es folgten zwei 0:0-Unentschieden gegen Diosgyöri VTK (Ungarn) und Sparta Prag, ehe es beim 1. FC Slovacko (Tschechien) eine 0:3-Niederlage setzte. Diesem Resultat misst die Neu-Grazerin allerdings nur wenig Bedeutung bei: »Wir waren von mehreren Corona-Fällen geschwächt und ohne jegliche Auswechselspielerin angetreten.« Inzwischen seien die vom Virus betroffenen Spielerinnen wieder gesund und fit. Der Abschlusstest in Krems gegen Slavia Prag ging dann zwar deutlich mit 1:7 verloren, doch das Tor für Sturm Graz hatte Julia Matuschewski erzielt.

Und nun gilt’s am Donnerstag. Auf geht’s nach Madrid - zum größten Spiel der Grazer Vereinsgeschichte, einem wahren Jahrhundert-Match. »Auch bei mir ist die Vorfreude auf dieses Spiel in den vergangenen Tagen Stück für Stück gestiegen«, kribbelt es der Mittzwanzigerin schon in den Schussstiefeln. Alleine schon die Kulisse im 9000 Zuschauer fassenden Stadionrund werde ihre junge Mannschaft »ordentlich beeindrucken; schließlich sind die Mädels bislang kaum mal mehr als 1000 Zuschauer gewöhnt«.

»Steirerbluat is koa Himbeersaft« - mit diesem geflügelten Wort pflegen die Österreicher die oftmals ausgeprägte Eigensinnigkeit, Geradlinigkeit und unnachgiebige Selbständigkeit der Steirer zu umschreiben. Und als ob sich auch Julia Matuschewski diesen Spruch schon zueigen gemacht hat, betont sie doch: »Wir werden das Spiel bei Real genießen und garantiert nicht mit der Einstellung ins Spiel gehen, dass wir das Ding eh verlieren. Wir werden alles versuchen, um so lange wie möglich die Null zu halten. Vielleicht gelingt uns ja eine große Überraschung.« Im Fall eines Sieges ginge es an gleicher Stelle in der »Quali-Phase« nur drei Tage später mit einer Partie gegen den Sieger der Partie Manchester City - WFC Tomiris-Turan (Kasachstan) weiter.

Regelmäßige Einsatzzeiten

Was sind die Ziele, die sie sich generell für ihre erste Saison bei Sturm Graz steckt? »Gesund bleiben, weiterentwickeln und regelmäßige Einsatzzeiten bekommen« - das steht auf Julia Matuschewskis persönlichem Wunschzettel ganz oben. Und was nimmt sie sich mit ihrem Team vor? »Wir wollen die klasse Leistung aus der Vizemeisterschaftssaison bestätigen und zeigen, dass das keine Eintagsfliege war. Wie viele Tore durch mich fallen, ist mir vollkommen egal. Das Abschneiden mit der Mannschaft steht über allem.« Und wenn’s nach »Matu« geht: Sturm Graz will besser als 2021/22 sein. Klingt ganz nach einer Kampfansage an Meister SKN St. Pölten.

Jenes Topduell mit dem Sportklub Niederösterreich (SKN) wartet am sechsten Spieltag der offiziell als »Planet Pure Frauen Bundesliga« bezeichneten österreichischen Frauen-Beletage. Zum Auftakt der neuen Saison geht es für »Matu« und Co. am 28. August zur SpG. Union Kleinmünchen/BW Linz.

Jetzt aber heißt es volle Konzentration auf den Donnerstagabend - auf den Gang nach Madrid. Im Team von Real-Trainer Alberto Toril stehen mit Torhüterin Misa Rodriguez, Mannschaftskapitänin Ivana Andres, Olga Carmona (beide Abwehr), Esther Gonzalez und Athenea del Castillo gleich fünf Nationalspielerinnen. Verstärkt hat sich das Team der Königlichen für 2022/23 mit den beiden Französinnen Naomie Feller (von Stade Reims) und Sandie Toletti (UD Levante), mit der Brasilianerin Kathellen Sousa (Inter Mailand) und der Schottin Caroline Weir (Manchester City). Lauter klangvolle Namen - die aber Steirerblut mit Taunus-Färbung nichts anhaben können. Wolfgang Bardong

uaspor_1508_imago0028503_4c_1
Im Trikot des 1. FFC Frankfurt spielte Julia Matuschewski in der Bundesliga. © Imago Sportfotodienst GmbH

Auch interessant