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Kult-Handballer wird 50

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Stefan Kretzschmar, eine Handball-Ikone wird 50. © Imago Sportfotodienst GmbH

(sid). Eine Midlife-Crisis? Kommt Stefan Kretzschmar nicht in den Sinn. »Mein Leben ist wie ein D-Zug. Es ging auch nach der Spielerkarriere immer nahtlos weiter«, sagt der deutsche Kult-Handballer kurz vor seinem 50. Geburtstag im Sportbild-Interview. Er habe »so viele Ideen und Themen im Kopf. Da bleibt keine Zeit für eine Midlife-Crisis.«

Am Freitag wird es »Kretzsche« aber mal ganz ruhig angehen lassen. Mit seiner Partnerin Dorle und seinen Schwiegereltern werde er »gemütlich zu Abend essen. Schwiegermama kocht. Das war’s«, verrät der Sportvorstand der Füchse Berlin. Ans Telefon werde er »auf gar keinen Fall« gehen.

Die große Sause soll dann im Sommer auf Mallorca folgen. Gut möglich, dass Kretzschmar bis dahin noch einen Grund mehr zum Feiern bekommt. Denn mit den Füchsen steht er momentan auf Platz eins der Bundesliga-Tabelle, die Chancen auf die erste Meisterschaft der Berliner Vereinsgeschichte sind so real wie noch nie.

Dieser Titel, sagt Kretzschmar, sei allerdings »weit weg von der Kategorie ›Geburtstagsgeschenk‹. Das ist absolutes Top of the Tops, ein Lebensziel. Wenn tatsächlich ein Meistertitel am Ende der Saison rauskommt, wünsch ich mir das nicht zum Geburtstag, sondern das ist dann Teil meiner Aufgabe.«

Kretzschmar, der frühere Weltklasse-Linksaußen und Handball-Punk mit den 24 Tattoos, der in früheren Jahren kaum eine Party ausließ und auch abseits des Spielfelds so manche Schlagzeile produzierte, ist in seiner Rolle als Funktionär voll angekommen. Noch immer erklärt er den Zuschauern als geschätzter TV-Experte die (Handball-)Welt, doch inzwischen hat er sich als Füchse-Sportchef und Strippenzieher einen Namen gemacht. Mit seiner Frau wohnt Kretzschmar abseits des Großstadttrubels auf einem Naturgrundstück im brandenburgischen Wandlitz nördlich von Berlin.

»Einen Schreibtisch hat er bis heute nicht bei uns im Büro, denn das würde ihm nicht entsprechen«, schrieb Füchse-Geschäftsführer Bob Hanning in seinem Buch über seinen leitenden Angestellten. Kretzschmar, der seit dem 1. Januar 2020 bei den Füchsen an den Schalthebeln sitzt, arbeite »unkonventionell, aber sehr professionell und ist zu 100 Prozent zuverlässig. Er durchdringt den Handballmarkt besser als jeder seiner 17 Managerkollegen in der Liga. Er kennt jeden«

Genau das ist es, was Kretzschmar ausmacht. Der Sohn der DDR-Handball-Ikonen Waltraud und Peter Kretzschmar absolvierte als Spieler 218 Länderspiele (821 Tore). Er wurde Vize-Europameister (2002) und Vize-Weltmeister (2003), gewann 2004 Olympia-Silber und holte mit dem SC Magdeburg die Meisterschaft und 2002 den ersten deutschen Sieg in der Champions League. Doch in der Szene wird er auch und vor allem für seine unverstellte und charismatische Art geliebt. Kretzschmar moderierte für den Musiksender MTV, trat Ende der 1990er Jahre bei Harald Schmidt auf und galt bzw. gilt stets als Musterbeispiel dafür, dass Sport mehr als nur Sport sein kann.

Kretzschmar würde rückblickend »alles wieder so machen. Ich habe nichts verpasst. Im Gegenteil: Ich glaube, ich habe ein Leben für zehn Menschen gelebt angesichts der vielen Eindrücke und Erlebnisse«, sagt er: »Wenn ich etwas ändern könnte, wäre ich gern ein besserer Vater gewesen.« Mit Tochter Lucie, Profihandballerin bei der HSG Bensheim/Auerbach, und Sohn Elvis, der in der B-Jugend des SC Magdeburg spielt, verstehe er sich glücklicherweise seit Jahren »sehr gut«.

Aufs Sportliche bezogen sei es die größte Errungenschaft, so Kretzschmar, »wenn dir Menschen sagen oder schreiben, dass sie deinetwegen angefangen haben, Handball zu spielen, dass du sie inspiriert hast«. Das sei »höher einzuschätzen als jeder Sieg oder jede Trophäe«.

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