Kurpark-Rennen steht auf der Kippe
Bad Homburg . Es gibt kein Problem, dass Peter Rohracker in all den Jahren nicht gelöst hat. Als Simon Geschke im Sommer von seinem französischen Radrennstall recht kurzfristig zum Weltcup nach San Sebastian geschickt worden war (an einem Samstag), organisierte der Rennleiter des »Grand Prix der Stadt Bad Homburg« kurzerhand für den frühen Sonntagmorgen einen Flug von Bilbao nach Frankfurt inklusive Chauffeur, damit der gebürtige Berliner nachmittags an der Startlinie am Kurpark stehen konnte.
Natürlich musste das so sein. Geschke hatte kurz zuvor bei der Tour de France neun Etappen das gepunktete Bergtrikot getragen, er wäre fast als erster »Kletterkönig« aus Deutschland in die Geschichte der Frankreich-Rundfahrt eingegangen. Der angesagteste Radprofi aus dem Bundesgebiet war der 36-Jährige mit dem markanten Vollbart allemal, also hatte Rohracker ihn für das Kriterium in Bad Homburg verpflichtet. Der umtriebige Frankfurter, früher selbst Radrennfahrer, tat das nur zu gerne. Kurz nach der Tour gab’s für die Zuschauer im Taunus dann immer Stars der Szene zum Anfassen.
Gut möglich, dass Simon Geschke der 43. und letzte Sieger des Profirennens auf dem Rundkurs um den Kurpark gewesen ist. Auf Seite 33 des Haushaltsplanentwurfs der Stadt Bad Homburg ist die schlechte Nachricht für alle Radsportfans niedergeschrieben. Unter dem Punkt »Besondere Veranstaltungen« des Fachbereichs 31 (Bürgerservice) ist von einer geplanten Kürzung in Höhe von 59 000 Euro zu lesen. Damit gemeint ist die Einsparung der Zuschüsse für das Kurparkrennen (50 000 Euro) sowie den Kurparklauf (9000 Euro), der Hobbyläufer vor der Corona-Pandemie stets im Oktober durch die grüne Lunge Bad Homburgs geführt hatte.
Das Zahlenwerk der Stadtverwaltung muss freilich noch von den politischen Gremien abgesegnet werden. Doch die Stadt muss sparen, die Debatte wird sich um ganz andere Positionen drehen. Und das Rennen heißt nicht umsonst »Grand Prix der Stadt Bad Homburg«. Zwar gibt es auch Sponsoren aus der freien Wirtschaft, doch das Gros des Budgets deckte die Stadt ab, seitdem das Rennen 1979 ins Leben gerufen worden war.
»Wir stehen mit dem Rücken zur Wand«, sagt Peter Rohracker deshalb. Es klingt wie ein Hilferuf. »Ich will die Flinte nicht ins Korn werfen, aber es wird schwierig. Es muss sich etwas tun.«
Nimmt die HTG die Radfahrer auf?
Seit Mitte der Nullerjahre fungiert der Mann als Sportlicher Leiter, arbeitet mit Uwe Friedrich Janovszki Hand in Hand. So lange ist Janovszki schon Vorsitzender des Radsportclubs Bad Homburg. Der RSC sei, so sagt er, 1979 in erster Linie gegründet worden, um das Rennen durchzuführen. Der erste Vorstand bestand aus Rolf Heinen, Anton Koppai, Jürgen Strobel, Heinz Schneider und Albrecht Weisgerber. Die Vereinsmitglieder betreuten mit Helferdiensten seitdem tadellos die Radsportveranstaltung.
Inzwischen steht Janovszki dem RSC und seinen lediglich 31 Mitgliedern nur noch kommissarisch vor. Ende des Vorjahres habe man nach gescheiterten Vorstandswahlen beschlossen, den Verein aufzulösen - noch bevor im Januar die Hiobsbotschaft von der Stadt gekommen sei, berichtet der Bad Nauheimer.
Die Radfahrer hoffen, als neue Abteilung in der Homburger TG (HTG) aufzugehen, das Vorhaben ist bereits konkret besprochen worden. In der kommenden Woche möchte sich Janovszki mit HTG-Präsident Ralph Gotta treffen, auch um über das Kurparkrennens zu sprechen. »Das Interesse am Radsport ist in Deutschland ja da, und wir brauchen vor allem Nachwuchsrennen«, meint Janovszki. Vielleicht sei eine abgespeckte Version für Amateure und die Jugend umsetzbar.
Die Stadt habe Sparzwänge, aber die Durchführung eines Rennens immer begrüßt, meint Janovszki. Gerade zum letztjährigen, mit großem Aufwand betriebenen Comeback nach der Corona-Pause habe es viel positives Feedback gegeben, ergänzt Rohracker. »Die Entscheidung jetzt hat ja nicht mit unserer Leistung zu tun.« Die Stadt würde tatsächlich gern unterstützend wirken, »in welcher Form auch immer«, sagt Pressesprecher Marc Kolbe, »wir warten das neue Format ab.«
Nur mit den Stars macht es Sinn
Für den Sportlichen Leiter macht eine weitere Durchführung des Rennens jedoch nur dann Sinn, wenn es auf gewohntem Niveau stattfindet, sonst lohne sich der Aufwand kaum. »Wenn nur Amateure fahren, haben wir doch keine Zuschauer im Kurpark«, sagt Rohracker. Über die Jahre habe das Rennen - eines der wenigen verbliebenen Kriterien in Deutschland - einen gewissen Status erreicht. So ist Bad Homburg das einzige Kriterium, das noch in den Jahreskalender des Radsport-Weltverbandes UCI aufgenommen wird.
Der dafür ideale Zeitraum direkt nach der Tour de France und das vorhandene Budget sorgten dafür, dass Rohracker (und auch dessen Vorgänger) Jahr für Jahr Zusagen prominenter Fahrer erhielten: Der schillernde Sprintspezialist Alessandro Petacchi aus Italien fuhr einst unter seiner Regie auf der Kaiser-Friedrich-Promenade, Danilo Hondo, Tony Martin, Emanuel Buchmann, natürlich Lokalmatador John Degenkolb aus Oberursel, 1994 war auch Jan Ullrich einmal dabei gewesen.
In diesem Jahr läge der potenzielle Termin nicht ganz so günstig wegen der Weltmeisterschaft in Glasgow (ab 3. August). Viel Vorlauf benötige Rohracker trotzdem nicht. »Das magische Datum ist der 1. Juli.« Dann startet die Tour de France. Derzeit sieht es allerdings so aus, als ob Geschke und Co. danach keinen Abstecher in den schönen Taunus machen. THORSTEN REMSPERGER