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»Mehr hocheskalierte Konflikte«

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Von: Dirk Ortmann

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Platzverweis: Die Fußball-Schiedsrichter in Deutschland sehen sich einem seit Corona angestiegenen Aggressionspotenzial auf den Plätzen gegenüber. © Imago Sportfotodienst GmbH

Im Amateurfußball erreichte die Anzahl der Spielabbrüche in der vergangenen Saison einen Höchststand. Die Gründe sind vielfältig, viele Konflikte werden hitziger geführt als früher.

Hochtaunuskreis (dio/dpa). Mehr Spielabbrüche und immer heftigere Konflikte: Seit der coronabedingten Spielpause scheint es im Amateurfußball aggressiver zuzugehen. Das zeigt eine Statistik des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), der in der abgelaufenen Spielzeit eine deutliche Steigerung an nicht beendeten Partien registrierte. In der Saison 2021/22 hätten die Schiedsrichter 911 Amateurspiele abbrechen müssen, teilte der DFB am Mittwoch mit. So viele wie noch nie in einer Saison. Die über die vergangenen Jahre stabile Quote der Abbrüche stieg von 0,05 auf 0,075 Prozent. Umgerechnet bedeutet das: Im Schnitt wurde jedes 1339. Spiel in der vergangenen Saison abgebrochen. »Es gibt offenkundig mehr hocheskalierte Konflikte als vor Corona«, sagte die Kriminologin Thaya Vester, die zu Gewaltvorkommnissen im Amateurfußball forscht, in einer dazu vom DFB einberufenen Medienrunde. Bei mehr als einem Drittel aller Spielabbrüche seien Konflikte durch den Vorwurf von Parteilichkeit oder vermeintlicher Fehlentscheidungen der Schiedsrichter Auslöser. Dahinter folgen Abbrüche nach eskalierten Meinungsverschiedenheiten über die Frage, ob ein Zweikampf nur hart geführt wurde oder ob ein grobes Foul vorlag. Einflüsse von außen, etwa durch Zuschauer, seien dagegen weniger von Bedeutung, erklärte die Kriminologin »Ein Spielabbruch muss immer das Ultima Ratio sein. Aber bei Angriffen auf Schiedsrichter wird abgebrochen, das steht außer Frage«, stellte Vester klar. Etwa bei der Hälfte aller Spielabbrüche sei dies der Fall gewesen. Aber nicht immer sorge eine Schiedsrichterentscheidung für einen Abbruch. In 15 Prozent aller Fälle mussten Spiele abgebrochen werden, nachdem eine Mannschaft die Fortsetzung des Spiels verweigert hatte, sagte Vester. In der zurückliegenden Saison wurden über Online-Spielberichtsbögen mehr als 1,2 Millionen Begegnungen im Amateurfußball erfasst und vom DFB ausgewertet. Von Schiedsrichtern gemeldet wurden 5582 Vorfälle, davon 3544 Gewalthandlungen, wie Tätlichkeiten oder Bedrohungen, und 2389 Diskriminierungen. Darunter fallen Äußerungen, die die Würde der betreffenden Person verletzen, menschenverachtende Gesten und diskriminierende Handlungen. Insgesamt notierten Unparteiische damit bei etwa 0,5 Prozent aller Spiele sogenannte Störungen - kaum eine Veränderung im Vergleich zu vergangenen Lagebildern des Amateurbereichs, die es beim DFB seit der Saison 2014/15 gibt. Doch warum wird dann häufiger abgebrochen? »Der qualitative Anstieg von Gewalt zeigt, dass Auseinandersetzungen heftiger und hemmungsloser werden«, sagte Gunter A. Pilz am Mittwoch. Der Fan- und Gewaltforscher beobachtet gesamtgesellschaftlich aufgrund vielfältiger Krisen eine sinkende Frustrationstoleranz. Der Fußball sei »nicht nur ein Spiegelbild der Gesellschaft, sondern ein Brennglas für gesellschaftliche Probleme«, betonte der Soziologe. »Wir wissen, dass auf dem Platz soziale Konflikte ausgetragen werden.« Dabei sei das Geschehen auf dem Fußballplatz oft zwar Auslöser von Gewalt, aber nicht immer Ursache.

ABernhardt:

Wir beobachten einen Anstieg von aggressiven Verhalten nach Corona auch im Kreis. Allerdings ist es nicht zu mehr Spielabbrüchen gekommen. Bereits vor Corona hat der Vorstand des Hessischen Fußball-Verbandes, dem ich als Kreisfußwart auch angehöre, im Jahr 2019 mit der Grünberger Erklärung ein Zeichen gesetzt und Maßnahmen beschlossen, die besonders präventiv hier dem Entgegenwirken sollen.

Beispielsweise wurde die Einführung des Trainer-Passes auch am Verbandstag im September 2021 verpflichtend in die Spielordnung aufgenommen. Jeder Trainer muss eine Schulung zum Thema Respekt und Fairplay besuchen. Die Trainer tragen dann bei den Spielen sichtbar diese Pässe um auch dem Schiedsrichter zweifelsfrei zu signalisieren, dass sie der Hauptansprechpartner bei Geschehnissen rund um das Spiel sind.

»Ich weiß nicht ob es mit den Personalquerelen an unserer Verbandsspitze zu tun hat, aber ich habe den Eindruck, dass gerade das Thema Trainer-Pass verbandsseitig vollkommen inkonsequent verfolgt wird.« Bis heute kommen ständig Rückmeldungen von unseren Trainern, dass die Schiedsrichter, die überwiegend aus Austauschkreisen kommen, vom Trainerpass nichts wissen. Auch hat der HFV die entsprechenden Bestimmungen zwar im Juli an die Kreisfußballwarte geschickt, aber online sind die zur Einsicht der Vereinsvertreter noch nicht hinterlegt.

Wir haben im Kreis Hochtaunus 160 Trainer geschult. Dies sollte nur für Frauen und Männer gelten. Aber unser Kreisjugendwart hat dafür gesorgt, dass auf Kreisebene auch A- und B-Juniorentrainer beschult werden.

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Auch er sieht einen Anstieg aggressiven Verhaltens: Kreisfußballwart Andreas Bernhardt. © Gerhard Strohmann

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