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Mit Schnelligkeit punkten

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Tobias Hagen (am Ball, FC Neu-Anspach) greit wieder für das Team des Gruppenligisten an. © Gerhard Strohmann

Neu-Anspach/Weilrod . Fußball-Gruppenliga, 29. September 2021, ein Mittwochabend. Im Taunus-Derby zwischen dem viertplatzierten FC Neu-Anspach und dem Titelfavoriten Sportfreunde Friedrichsdorf läuft die 81. Minute. Beim Stand von 1:1 bringt FCNA-Trainer Jörg Loutchan in Tobias Hagen einen jungen, quirligen und ehrgeizigen Joker aufs Feld, der durchaus die Qualität besitzt, solch ein enges Spiel noch zugunsten seines Vereins zu entscheiden.

Wenige Minuten nach der Einwechslung steht Hagen dann auch im Mittelpunkt - allerdings nicht so, wie er und sein Trainer sich das erhofft hatten.

»Es war extrem unnötig«, erinnert sich der 23-Jährige, »ich bin einem »toten« Ball hinterher, der von einem Verteidiger abgeschirmt wurde. Mit meiner Geschwindigkeit habe ich versucht, den Ball trotz des großen Abstands noch zu erreichen, hab auch kurz vor der Auslinie keinen Halt gemacht und bin richtig ungestüm reingelaufen.« Sekunden später liegt Hagen am Boden, das Spiel ist für ihn vorbei: Kreuzbandriss im rechten Knie. Die wahrscheinlich schlimmste Verletzung für jeden Fußballer.

»Ich würde behaupten, man hat es gehört. Ich habe zumindest gespürt, dass da innen auf jeden Fall was kaputt gegangen ist. Aber ich wollte es zunächst nicht wahrhaben«, erinnert sich Hagen an den Schockmoment.

Die Partie war für ihn beendet, doch ins Krankenhaus, wie bei derlei Verletzungen üblich, ging er nicht. »Ich war noch drei Tage arbeiten, bei einem Fahrdienst, wo ich viel gesessen habe. Das war eine relativ angenehme Position für das Knie, und es hat auch gar nicht so weh getan. Aber beim Laufen habe ich gemerkt, dass sich mein gesamtes Knie verschiebt.« Erst am vierten Tag nach dem Zusammenstoß auf dem Rasen folgte der Arztbesuch und die Gewissheit - Kreuzbandriss, Teilabriss des Meniskus, eine lange Zwangspause vom Fußball.

So sehr Hagen die Verletzung zunächst verdrängt hatte - als der Befund vorlag, akzeptierte er diesen samt der Konsequenzen, die nun folgen sollten. »Ich habe nicht gehadert, stattdessen das Ganze hingenommen. Und zum Glück hatte ich recht schnell meinen OP-Termin«, berichtet er. Knappe vier Wochen nach dem Sportunfall begab Hagen sich in Offenbach bei Professor Markus Schofer unters Messer.

Nachteil

Teamkollege Najmaddin Abuhoureyah, der bereits selbst unter einem Kreuzbandriss litt, hatte den Gelenkspezialisten empfohlen. Die Operation verlief auch gut. Doch der wirklich schwierige Part lag erst vor Hagen: die Reha. Und spätestens hier unterscheidet sich der Weg eines Profis von dem eines Amateurfußballers.

»Als Kassenpatient stehen dir nämlich nur sehr begrenzt Reha-Rezepte zu. Man muss um jedes einzelne kämpfen«, erklärt Hagen, der einst beim TuS Weilnau mit dem Kicken begann. Vom operierenden Arzt gab es vier Rezepte, von der Hausärztin danach nochmals zwei. Jedes Rezept ist für sechs Termine gut, zweimal pro Woche traf sich Hagen mit einem Physiotherapeuten. Bedeutet: Nach rund vier Monaten stand Hagen ohne Anspruch auf Reha da. Sein Knie war aber noch nicht das alte. »Bei nur zweimal 20 Minuten in der Woche kann man es fast auch ganz sein lassen«, meint er. Doch Hagen biss sich durch, arbeitete nach Ablauf des gesetzlichen Anspruchs eigenständig im Fitnessstudio an der Stabilität des Knies und dem Aufbau der Muskulatur. »Als der ›Physio‹ am Anfang dabei war, hat er mir sofort jede Angst genommen«, sagt Hagen. Das Kreuzband, so der Experte, sei neu eingesetzt worden und würde mit Sicherheit halten.

»Was mir allerdings niemand gesagt hatte: Das neue Kreuzband wurde aus einer Sehne gemacht, die mir aus dem Oberschenkel entnommen wurde«, schildert Hagen. Dort hatte er schon viele Jahre immer wieder mit muskulären Problemen zu kämpfen. Direkt im ersten Mannschaftstraining nach knapp einem dreiviertel Jahr Pause zog er sich beim ersten Schritt prompt einen Faserriss im Oberschenkel zu. Seitdem steht auch dieser Bereich auf seinem Fitnessplan im Studio.

Obendrein hat bei Tobias Hagen ein Umdenken stattgefunden: »Die Lehre, die ich für mich gezogen habe, ist, dass ich nicht mehr übermotiviert sein darf, verlorene Bälle auch verloren gebe.« Weiterhin will er mit seiner Schnelligkeit auf dem Platz punkten, ans Umschulen hat er nicht gedacht. »Ich bin nicht zum Trainer und habe gesagt, stell mich bitte lieber auf die Sechs«, verrät er schmunzelnd, »dazu ist irgendwann am Ende der Karriere in der B-Liga noch Zeit.« Jetzt steht für ihn die Gruppenliga mit dem FC Neu-Anspach, für den er seit der D-Jugend stürmt, wieder voll im Fokus. ROBIN KUNZE

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