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Schmittener Benjamin Weber neuer Sportchef in Paderborn

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Von: Dirk Ortmann

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Benjamin Weber (links), damals noch beim FC Chelsea tätig, stand auch UA-Sportredakteur Dirk Ortmann 2021 für ein Gespräch zur Verfügung. © Red

Neue Heimat im Wetsfälischen: Der Schmittener Benjamin Weber, zuletzt Chef-Videoanalyst beim FC Chelsea in London, steigt als Sportchef beim Fußball-Zweitligisten SC Paderborn ein.

Schmitten (rem). Paris, London und jetzt Sportchef beim Fußball-Zweitbundesligisten SC Paderborn. In diesen Städten hat Benjamin Weber, aufgewachsen im Schmittener Ortsteil Arnoldshain, zuletzt gelebt und gearbeitet. Hört sich nach einem ziemlichen Rückschritt an. Für Weber persönlich ist es aber ein Aufstieg. Einer, der für ihn einerseits vor wenigen Monaten so noch keineswegs geplant war, andererseits aber auch nicht völlig überraschend kommt und in seiner Lebensplanung schon länger eine Option war.

Bisher war der 39-jährige Familienvater von Beruf Chef-Spielanalyst und als dieser ein ständiges Mitglied des Fußballtrainer-Teams von Thomas Tuchel - und seit September ohne Job gewesen. Seit diesem Monat ist Weber nun beim ambitionierten Zweitligisten SC Paderborn angestellt. Als Sportchef fungiert er als einer von drei Geschäftsführern beim früheren Bundesligisten, der ihn gestern offiziell vorstellte.

Weber ist seit Jahren in der Branche hochangesehen, sein Gesicht war den meisten Fußball-Fans dennoch unbekannt. Das hat sich spätestens seit gestern schlagartig geändert. Medienhäuser aus ganz Deutschland schickten ihre Reporter zur Pressekonferenz.

Rückblende in den Sommer 2021. Benjamin Weber sitzt in einem Café in Wehrheim. Schwarzes T-Shirt, schwarze Basecap, Dreitagebart, freundliches Lächeln. Ein Gesprächspartner, mit dem man direkt warm wird. Zum kurzen Heimatbesuch ist er in den Taunus vor allem gekommen, um einen runden Geburtstag eines Freundes mitzufeiern. Aber auch um seiner fast 90 Jahre alten Großtante Gothe »Hallo« zu sagen. Außer den beiden Journalisten am Tisch kennt »Benni«, wie ihn seine Freunde nennen, hier keiner.

Weber nimmt seine Zuhörer mit in den Mai 2004, als auf dem Mainzer Domplatz alles begann. Als Jugendlicher war er in unserer Region einer der besten Tennisspieler seines Jahrgangs, ehe er sich wegen einer Verletzung eine Karriere als Tennisprofi abschminken musste. Weber war aus dem Hochtaunus nach Mainz gezogen, um Sportwissenschaften zu studieren. Dort landete er dann, obwohl Fan von Eintracht Frankfurt, auf der Bundesliga-Aufstiegsfeier des FSV Mainz 05, bei der Trainer Jürgen Klopp der Menge einheizte.

Video-Chefanalyst

In der folgenden Saison nahm ihn ein Mitbewohner seiner WG zu der Medienproduktionsfirma mit, die alle Spiele der »05er« filmte. Weber fand Gefallen an Spielanalysen. Und in der neu gegründeten Scouting-Abteilung war er bald auch mit dabei. Wie unter anderem Thomas Tuchel, damals noch U19-Trainer. Die Chemie zwischen beiden stimmte auf Anhieb. Und als Mainz 05 im Jahr 2009 Tuchel zum Cheftrainer beförderte, begann dessen steiler Aufstieg - mit dem Mann aus dem Taunus als treuem Wegbegleiter an seiner Seite.

Weber war als videoanalysierender Assistenztrainer einer der Garanten für große Erfolge: bei Borussia Dortmund (2015 bis 2017), Paris Saint-Germain (2018 bis 2020) und dem FC Chelsea (2021 bis September 2022). In dieser Zeit wurde er mit den Fußballmannschaften DFB-Pokalsieger (2017), französischer Meister (2019, 2020) sowie Gewinner der Champions League (2021), des Uefa-Supercups und der Fifa-Klub-Weltmeisterschaft (jeweils 2022).

Beim lockeren Kaffee-Plausch in Wehrheim vor rund eineinhalb Jahren äußerte sich Weber begeistert von den Arbeitsvoraussetzungen, die beim FC Chelsea herrschen. Er, der auf dem Trainingsgelände am Mainzer Bruchweg einst aus Paletten ein Podest baute, weil sich bis dahin noch niemand Gedanken darüber gemacht hatte, das eigene Training zu filmen, stand nun einem fünfköpfigen Team für die Videoanalyse vor. Auch während der Spiele war er übrigens mit Tuchel in Kontakt, in den Halbzeitpausen tauschte der Chefcoach sich mit seinen drei Assistenztrainern stets intensiv aus.

Weber schwärmte von einem »professionell und gut geführten Verein, in dem so menschlich und freundschaftlich miteinander umgegangen wird«. Seine Frau und Tochter fühlten sich ebenfalls wohl in London. Beim Kaffeetrinken in Wehrheim signalisierte er - kurz nach der Vertragsverlängerung bis Sommer 2024 - sich auf die weiteren Jahre dort zu freuen. Wenn er auch damals schon andeutete, er könne sich vorstellen, einmal in das Management eines Vereins einzusteigen. Und dass er irgendwann gerne mit seiner Familie ins Rhein-Main-Gebiet zurückkehren wolle.

Ein Schlag muss für ihn im September die plötzliche Freistellung beim FC Chelsea gewesen sein. In der folgenden Auszeit klopfte der SC Paderborn an, der Anfang Dezember Sportgeschäftsführer Fabian Wohlgemuth an den VfB Stuttgart verloren hatte.

»Er hat fast alles, was brauchen«

»Wir waren kreativ. Keiner aus unserem fünfköpfigen Ausschuss kannte Benjamin Weber vorher, aber er bringt fast alles mit, was wir brauchen«, sagte Präsident Thomas Sagel. Mehr als 50 Bewerber hätten sich beim ostwestfälischen Sportclub in der 150000-Einwohner-Stadt gemeldet, der schon zwei Spielzeiten der 1. Bundesliga angehörte (2014/15 unter Trainer Steffen Baumgart, 2019/20 unter André Breitenreiter) und derzeit Tabellensechster der 2. Liga ist.

Keiner passte so gut wie Benjamin Weber. Und dieser zeigte sich vom Konzept des SC 07 beeindruckt. So sehr, dass er die Zusammenarbeit mit Thomas Tuchel beendete und mit seiner Tochter und hochschwangeren Frau nach Paderborn zieht. Gestern flog er aus England ein, wo privat noch einiges zu erledigen war. Einen ersten Eindruck von seiner neuen Mannschaft wird er im heutigen Testspiel (14 Uhr) gegen Drittligist MSV Duisburg bekommen. Am Montag geht’s dann ins Trainingslager nach Spanien, als Vorbereitung auf die Rundenfortsetzung am 27. Januar mit dem Spiel beim Karlsruher SC.

Für Benjamin Weber und seine bald vierköpfige Familie hat also eine neue Episode begonnen. In einem Business, über dessen Schnelllebigkeit der Arnoldshainer sich voll bewusst war und ist. Er hält es für ein Privileg, Teil davon zu sein. Zeigt sich demütig. Gab schon viel zurück, indem er im Taunus Benefiz-Veranstaltungen organisierte. Nie vergessend, wo er herkommt. Nach Hause sind es für ihn jetzt mit dem Auto nur noch drei Stunden.

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