Ständig und überall im (Rad-)Einsatz

(htr). Wer regelmäßig Radrennen besucht oder bei Verbandsversammlungen zu Gast ist, wird immer wieder Dr. Peter Pagels antreffen. Der 59-jährige »Tausendsassa« ist nicht nur Vorsitzender des Radsportbezirks Lahn, er wirkt auch als Vizepräsident Geschäftsführung im Hessischen Radfahrerverband maßgeblich mit, und als Koordinator Straße im Bund Deutscher Radfahrer ist er während der Saison praktisch an jedem Wochenende an irgendeiner Strecke in Deutschland im Einsatz.
Wir haben uns mit Dr. Peter Pagels über den Zustand des Radsports in Hessen unterhalten.
Ein Blick auf die Straßen, auf Fahrrad-, Wald- und Wiesenwege beweist es: Der Fahrradsport gewinnt immer mehr Anhänger, zudem sind verstärkt ambitionierte Radfahrer in Gruppen wie auch als Solisten unterwegs. Kommt dieser Trend auch in den Vereinen bzw. beim Verband an? Falls nicht, woran könnte das liegen?
Der Trend, mehr Rad zu fahren, kommt nur zu einem geringen Anteil in den Vereinen an. Die Mitgliedszahlen steigen zwar auf allen Ebenen, so beim Bund Deutscher Radfahrer 2022 auf inzwischen knapp 150 000 Mitglieder und beim Hessischen Radfahrerverband auf 16 000. Die Zuwächse sind aber dort, wo auch die Vereine aktiv sind und Angebote machen, die vor Ort Zuspruch finden. Da das Angebot in den Vereinen sehr heterogen ist, von Hallen- über Renn- bis hin zu Breitensport, ist nicht unbedingt in der Nähe ein Verein, der die gewünschte Sportart anbietet. Viele Vereine sind strukturell nicht in der Lage, ihr Angebot zu erweitern. Denn in vielen Vereinen fehlt es an Nachwuchs im Vereinsvorstand, die Vereinsvorstände überaltern, es finden sich keine Nachfolger. Und meist beschränkt sich das Engagement auch auf die Zeit, in der die eigenen Kinder im Verein aktiv sind
Ein anderer Punkt ist die immer geringere Anzahl von Veranstaltungen und die dafür steigenden Auflagen für Genehmigungen. Diese sind meist mit zusätzlichen Kosten verbunden. Es gab eine Bewerbung für eine Einzelzeitfahr-DM der U19, dort hätten allein die Absperrkosten im oberen fünfstelligen Bereich gelegen. Dies ist für einen Verein nicht finanzierbar, auch kann man es einem Sponsor nicht verkaufen, dessen Geld für die Erfüllung von Auflagen zu verwenden und bei den Sportlern kommt fast nichts an.
Auch haben durch Corona zahlreiche Veranstaltungen nicht stattfinden können, es ist schwer, diese wieder zu aktivieren, zumal das Wissen um die Durchführung verloren geht, da sich Mitglieder zurückgezogen haben. Ein grundsätzliches Problem ist auch, dass Radfahren eine Individualtätigkeit ist. Man kann sie unabhängig von Sportstätten betreiben. Straßen und Waldwege stehen immer zur Verfügung. Anders sieht es im Wettkampfbereich aus. Hier sind Strukturen notwendig.
Mit welchen Problemen haben die Vereine bzw. der Verband am meisten zu kämpfen und wer oder was könnte hier am ehesten Abhilfe schaffen?
Die Probleme in den Vereinen sind vielschichtig. Es fehlen Mitglieder, die bereit sind, sich in der Vereinsarbeit zu engagieren. Da die Leute heute fitter sind, fahren sie viel länger aktiv Rad, nehmen an Veranstaltungen/Wettkämpfen teil. Dafür trainieren sie und haben keine Zeit für den Verein. Auch gibt es immer mehr eine Konsum-Mentalität: Im Verein nutze ich das Angebot, bin aber nicht bereit, wieder was für den Verein zu tun. Es muss nicht gleich ein Vorstandsamt sein, aber schon die helfende Hand bei einer Veranstaltung kann eine große Hilfe sein.
Ein anderer Punkt ist die immer größer werdende berufliche Belastung. Ein gutes Beispiel ist hier die Beteiligung von Vereinen an Ganztagsschulangeboten. Allerdings: Am frühen Nachmittag, wenn die Angebote erwünscht sind, arbeiten die meisten noch.
Die Vereine haben auch oft mit den Genehmigungsverfahren für Veranstaltungen zu kämpfen. Oftmals sind zudem verschiedene Genehmigungen von unterschiedlichen Behörden erforderlich, was zusätzliche Kosten verursacht. Das könnte vereinfacht werden.
Was treibt Sie an, Radsport zu betreiben bzw. sich dafür zu engagieren?
Was motiviert mich? Gute Frage. Als Aktiver habe ich von der Arbeit anderer profitiert, hier will man was zurückgeben. Dann bin ich im Verein angesprochen worden, ob ich nicht kleine Aufgaben übernehmen kann, mit der Zeit sind die Aufgaben immer größer geworden.
Wagen Sie einen Blick in die Zukunft des Radsports bei den Vereinen und beim Verband? Wie würde Ihre Wunschvorstellung ausschauen?
Ich wünsche mir mehr Bereitschaft zur Mitarbeit auf den unterschiedlichen Ebenen im Verein und Verband. Eine Lösung kann nicht sein, alles auf hauptamtliche Kräfte zu verlagern. Ein Verein lebt von der Gemeinschaft. Ich wünsche mir auch das Umsetzen der vielen Lobesworte in tatsächliche Unterstützung.