Trainings-Diskussionen: Falscher Ort und zu spät
Bad Homburg. Man stelle sich einmal vor: Jugendliche und Heranwachsende im Alter von 13 bis 19 Jahren eines Vereins haben mit ihren Mannschaften in dieser Saison teilweise sogar ungeschlagen die Hessenmeisterschaft gewonnen. Ihr Club hat für die nächste Spielzeit der ältesten Altersklasse U19 erstmals die Jugend-Bundesliga als Ziel ausgegeben. Die Erfolge haben die Motivation nochmals gesteigert, weiterhin ein Teil dieser Geschichte zu sein.
Etwas gemeinsam zu erreichen. Deshalb ist der Nachwuchs gewillt, vielleicht nicht alles, aber bestimmt vieles dafür zu geben. Auch in den Wintermonaten, obwohl es erst im Frühjahr wieder um Punkte geht. Genau einmal pro Woche, an einem Donnerstagabend, von 19.30 Uhr bis 21 Uhr, ist das jetzt noch möglich. Draußen, auf einem Kunstrasenplatz, bei Wind und Wetter.
Es geht um die jungen Footballer der Bad Homburg Sentinels. Für den Club selbst und auch die Stadt ist die momentane Regelung ein akzeptabler Kompromiss. Für manche Mütter und Väter nicht.
Aber der Reihe nach: Für ein Tryout zum Beginn der Off-Season, so wird das im Football bezeichnet, haben sich vor knapp zwei Wochen junge Quarterbacks, Wide Receiver, Linebacker und viele mehr - insgesamt 72 Jugendliche - auf dem Kunstrasenplatz im Sportzentrum Nord-West versammelt, auf dem sonst vor allem Teams des Hockeyclubs spielen. Das Tryout war nicht mehr und nicht weniger als ein Sichtungstraining, um sich den Trainern für das Team der passenden Altersklasse zu empfehlen, das im kommenden Jahr erneut angreifen möchte, wenn es draußen wieder wärmer geworden ist. Darunter war auch Ulrike Waßers Sohn Lennox, der aus der U13 nun in die U16 aufrückt - aber zu einer Trainingszeit, die für einen Teenager, der zur Schule geht, viel zu spät sei.
Außerdem monierte die Oberurselerin den Ort der Veranstaltung. Ebenso wie der Bad Homburger Gerhard Pfeiffer. Einst hätten die Jugendlichen im Winter wenigstens gemeinsam an einem Sonntagvormittag in der regelmäßig überfüllten Albin-Göhring-Halle trainieren dürfen. Doch die Sportstätte in Ober-Eschbach ist inzwischen einem Neubau gewichen, der aber erst noch fertiggestellt werden muss. Die Hallenzeit für die Footballer wurde ersatzlos gestrichen.
Die Alternative ist nun das wöchentliche Outdoor-Training am Donnerstagabend. Die Sportanlage in Kirdorf ist zudem weit entfernt vom vereinseigenen Kraftraum in Ober-Eschbach.
»Ein Armutszeugnis für die Stadt« sei die Trainingszeit, schimpft Pfeiffer.
»Lange hin- und herüberlegt«
Die Kritik blieb sowohl in der Stadtverwaltung als auch dem 2015 gegründeten Club, dessen 1. Männermannschaft inzwischen schon in der 2. Bundesliga spielt, nicht ungehört. Die Problematik sei dem Oberbürgermeister und zuständigen Bürgermeister bekannt, »wir haben auch lange hin- und herüberlegt«, sagt Marc Kolbe, Sprecher der Stadt. Aber die Hallensituation sei in Bad Homburg nun einmal extrem angespannt.
Das liege zum einen am Abriss der Albin-Göhring-Halle und dem damit verbundenen, zeitaufwendigen Neubau. Auch daran, dass die Turnhalle der Maria-Scholz-Schule noch nicht fertig sei. Zudem spiele die Sperrung der drei baufälligen Kreissporthallen in Bad Homburg (Gesamtschule am Gluckenstein), Oberursel (Erich-Kästner-Schule) und Stierstadt (Integrierte Gesamtschule) seit dem Sommer eine große Rolle bei der Vergabe von Hallenzeiten.
So kam es, dass auch Vereine außerhalb der Stadt wie die TSG Oberursel (mit alleine 26 Jugendmannschaften im Handball) Alternativen angeboten bekamen. Teilweise müssen sich zwei Teams eine Halle teilen, teilweise trainieren sie kürzer, teilweise nicht mehr so oft.
»Wir sind ein Verein von vielen, die zurzeit einen Bedarf an Hallenzeiten haben«, weiß Sandra Laumann. Die Bad Homburgerin kümmert sich als 2. Vorsitzende der Sentinels vor allem um die Jugendabteilung. Und sie betont sehr salomonisch, dass in einer Stadt wie Bad Homburg, in der erfreulicherweise so viele gute Sportvereine existierten, eine gemeinsame Lösung gefunden werden müsse. Andererseits könne sie die Eltern voll und ganz verstehen, für die und deren Kinder eine Trainingseinheit am Abend eine unbefriedigende Lösung sei, zumal die Kinder teilweise aus Frankfurt oder der Wetterau in die Kurstadt gebracht werden würden. »Wir sind aber als Verein nur so stark wie unsere Stadt.« Leider sei es nicht möglich, für alle eine zufriedenstellende Lösung zu finden, Es litten einige Vereine unter der derzeitigen Situation, so Stadtsprecher Kolbe.
Thorsten Remsperger