»Verzweifelte Suche nach Lösungen«

Neu-Anspach . Wohin geht die Reise für den FC Neu-Anspach in der Fußball-Gruppenliga Frankfurt West? Drei Niederlagen in Serie haben das Team von Trainer Jörg Loutchan von der Spitze auf Rang drei rutschen lassen. Der Aufstieg, ja selbst das Erreichen der Aufstiegsspiele scheint mehr denn je infrage gestellt. Vor dem Spiel beim FV Stierstadt (Sonntag, 15.
30 Uhr), der angesichts von nur drei Punkten Vorsprung auf den momentan wahrscheinlichen Relegationsplatz 13 nicht minder in Zugzwang ist, unterhielt sich unsere Zeitung mit Anspachs Coach Loutchan (54), der seit 2019 auf der Trainerbank sitzt. Was dessen Anspacher Zukunft angeht, peilt Martin Schmidt, Sportlicher Leiter des FCNA, bis Monatsende eine Entscheidung an.
0:3 beim SV der Bosnier in Frankfurt, 0:2 gegen den Türk. SV Bad Nauheim, zuletzt 0:3 beim FSV Friedrichsdorf: Die Titelchancen Ihrer Mannschaft stürzen wie ein Kartenhaus ein. Was ist los?
So ist es leider. Wir haben jedenfalls dreimal verdient verloren. Ich könnte mich jetzt als Klugscheißer aufspielen und sagen, dass ich das habe kommen sehen. Schon vor dem ersten Spiel nach der Winterpause hatte ich kein gutes Gefühl. Uns fehlt von der Nummer eins über den Abwehrchef, den Drahtzieher im Mittelfeld bis zum Torjäger eine komplette Achse.
Lassen Sie uns mal die aktuellen Ausfälle durchgehen.
Maziar Namavizadeh, unser Goalgetter, muss wegen eines Meniskusrisses zumindest bis April aussetzen. Stephan Damm hat wegen seiner Beschwerden in beiden Knien, die nach Belastung immer wieder anschwellen, schon zig Ärzte aufgesucht. Er hatte nach der Winterpause nur einen Kurzeinsatz - mehr hätte auch gar keinen Sinn gemacht. Bei Lars Günther, unserem Abwehrchef, wurden gleich mehrere kleinere Risse im Meniskus diagnostiziert. Dieser Tage wird sich klären, ob er sich einer Operation unterziehen muss. Und unserem Tormann Mario Schreiber droht wegen eines Bänderrisses im Ellenbogen eine Pause von Minimum sechs Wochen. Das sind vier Mann, die wir nicht adäquat ersetzen können.
Ist Ihr zweiter Anzug eine Nummer zu klein?
Ja, wir verfügen nun einmal nicht über einen solch starken Kader wie etwa die Sportfreunde Friedrichsdorf. Für mich stellt sich aber neben den Ausfällen, die uns in nahezu kürzester Zeit en bloc erwischt haben, ein noch viel größeres Problem: Wir haben gar keine Hierarchie mehr auf dem Platz. Ich mache, ich tue, ich suche verzweifelt nach Lösungen - aber es findet sich kein Spieler, der jetzt Verantwortung übernehmen würde und der auch von allen anderen akzeptiert wird.
Wer würde Ihnen denn als Verantwortungsträger vorschweben?
Ich hatte ja die leise Hoffnung, dass vielleicht ein Niclas van der Straeten eine solche Rolle übernehmen könnte. Neben René Gilles, der aktuell ja auch die Kapitänsbinde trägt. Zutrauen würde es ich es dem Niclas. Aber zwingen kann ich ihn dazu nicht.
Und wie meinen Sie das, dass ein neuer Verantwortungsträger nicht von allen anderen akzeptiert würde?
Wir haben einige schwierige Charaktere im Team. Leider laufen wir nicht in nur eine, sondern in viele verschiedene Richtungen.
Müssen Sie sich angesichts der fehlenden Qualität im Restkader nun an die eigene Nase fassen?
Natürlich ist jetzt nicht alles schlecht, was vor der Winterpause noch gut gewesen war. Aber selbstverständlich hinterfrage ich mich ständig selbst. Das ist doch klar. Ich denke auf keinen Fall, ich würde alles richtig machen. Mehr als akribisch arbeiten kann aber auch ich nicht. Drum grübele ich, was man in dieser Lage besser machen kann. Dabei habe ich festgestellt, dass ich meinem Bauchgefühl vertrauen kann. Nach wie vor haben wir durchaus einen breiten Kader - aber in der Spitze wird es angesichts dieser Ausfälle eng.
Hätte der Verein angesichts der in kurzen Abständen erfolgten Ausfälle personell in der Winterpause nicht noch einmal reagieren müssen?
Das ist leicht gesagt. Auf die Schnelle noch einmal weitere Neuverpflichtungen mit Qualität können vielleicht die Sportfreunde, aber nicht wir bezahlen. Bei all den aktuellen Sorgen und Engpässen - neben denen ich noch über viele weitere, kleinere Nebengeräusche sprechen könnte - sieht man jedenfalls, dass es keine Selbstverständlichkeit war, dass wir die Hinrunde auf Platz eins beendet haben.
Nach dem 0:3 beim FSV Friedrichsdorf ist Ihr Team auf Platz drei gepurzelt. Findet das weitere Titelrennen nun ohne Ihr Team statt?
Darüber mache ich mir derzeit absolut keinen Kopf. Ich schaue nicht auf die Tabelle. Ich weiß noch nicht einmal, wie die anderen am Wochenende gespielt haben. Das interessiert mich nicht. Wir präsentieren uns derzeit nicht als Spitzenteam. Ehe wir nicht wieder die Kurve gekriegt haben, brauchen wir auch gar nicht auf die Tabelle zu schielen.
In einer Woche möchte Ihr Torjäger Namavizadeh wieder ins Training einsteigen. Ein erster Lichtblick?
Wenn wir uns auf dem Platz wieder als Team zeigen, wieder als Einheit kämpfen, dann kann man von einem Lichtblick sprechen. Eher nicht. Drei Spiele ohne jeglichen Punkt und ohne ein Tor - da muss ich in meiner Trainerkarriere jedenfalls ganz weit zurückblicken. Ich glaube, so etwas war mir mal bei der SG Bornheim/GW passiert - wenn überhaupt...
Wie sieht’s mit der Rückkehr anderer Sorgenkinder aus?
Bei Stephan Damm könnte ich mir das noch am ehesten vorstellen. Vielleicht kann ich ihn ja einfach mal ins kalte Wasser werfen - natürlich nur nach eingehender Absprache mit ihm. Bei allen anderen wird es dagegen noch dauern. Zum Glück stehen mir am Sonntag in Stierstadt Maximilian Lorenz und Patrick Berschick zur Verfügung. Die beiden waren durch Urlaub und Beruf zwei Wochen ausgefallen - so viel zum Stichwort Nebengeräusche.
Wo erwarten Sie Ihre Mannschaft tabellarisch am Saisonende?
Damit beschäftige ich mich zurzeit überhaupt nicht. Ich weiß, dass wir es besser können. Wir sind nach der Winterpause noch immer in einer Art Findungsphase. Je eher wir uns wieder zusammenraufen können, desto eher könnte ich auch diese Frage schlüssig beantworten.
Namavizadeh erklärte gegenüber dieser Zeitung, er könne zu seiner sportlichen Zukunft noch nichts sagen. Auf einen mathematischen Begriff zurückgegriffen: Gibt es noch weitere »Unbekannte« in Ihrem Team?
Was die Gespräche mit den Spielern angeht, befinden wir uns gerade mittendrin. Das ist alles nicht so einfach. Für die Sportfreunde oder auch andere Klubs ist es ja vielleicht einfacher, Spieler zu halten und zu binden.
Müssen Sie für das Spiel beim FV Stierstadt noch weitere Ausfälle berücksichtigen?
Freddy Moebius und Nico Kübler sind noch krank. Marvin Diehl muss wegen einer Ampelkarte aussetzen. Aus dem Urlaub zurückgekehrt ist André Stoss.
Nicht nur Ihr Team benötigt dringend wieder ein Erfolgserlebnis, auch Stierstadt muss am Sonntag punkten. Welches Spiel erwarten Sie vor diesem Hintergrund?
Für uns muss es völlig wurscht sein, in welcher Verfassung sich die Stierstädter befinden. Was uns dagegen angeht, ist es ein Scheißgefühl, das mich diesem Spiel entgegensehen lässt. Es wäre von uns vermessen zu sagen, wir würden die Stierstädter am Sonntag an die Wand spielen. Unsere Negativserie und all die Ausfälle drücken ganz schön auf die Stimmung. Ganz ehrlich: Bei jedem Einzelnen von uns war die Motivationslage schon mal besser.
Ihre Mannschaft fährt am Sonntag als Tabellendritter zum Tabellenzehnten - und trotzdem ist der FCNA wohl nicht der Favorit, oder?
Nein, das sehe ich auch so. Es wäre absoluter Quatsch, uns am jetzigen Tabellenplatz festzumachen. Wir sind nur deshalb Dritter, weil wir eine sehr gute Vorrunde gespielt haben.
Prunkstück des FV Stierstadt ist die Offensive. 59 Tore hat das Team bereits erzielt - sieben mehr als der FCNA.
Die Stierstädter haben von ihrem Potenzial in der Offensive eine richtig gute Mannschaft. Da müssen wir von der ersten Minute an kämpferisch voll dagegenhalten.
Was bedeutet es für Ihre Taktik, dass die Stierstädter allerdings bislang fast doppelt so viele Gegentreffer als Ihre Mannschaft (62 gegenüber 33) schlucken musste?
Daraus können wir nur Kapital schlagen, wenn wir alle an einem Strang ziehen - wie wir es sonst ja auch stets getan haben. Das mag wie eine Phrase klingen, ist für uns jedoch Fakt. In der Vorrunde haben wir bei unseren Siegen auch nicht immer den besseren Fußball als der Gegner gespielt - aber wir waren die bessere Mannschaft.
Ein 0:0 dürfte es am Sonntag angesichts des aktuellen Zustands beider Mannschaften wohl kaum geben, oder?
Nein. Ein 0:0 würde mich auch gar nicht glücklich machen. Ich will das Spiel gewinnen, egal wie. WOLFGANG BARDONG