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Vor der Team-EM in Frankfurt: Wie Darts in Deutschland populär wurde

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Titelverteidiger: die Schotten Peter Wright (links) und John Henderson. FOTO: PDC EUROPE © Red

Werner von Moltke (51) hat den Darts-Sport in Deutschland populär gemacht. Im Interview spricht der Chef der PDC Europe über eine anfangs fixe Idee, Schlüsselerlebnisse und das Erfolgsrezept.

Werner von Moltke, Sie waren ursprünglich beruflich in der Medienbranche tätig. Was hat sie veranlasst, eines Tages Darts nach Deutschland zu bringen?

Im Jahr 2005 war ich mit meiner Familie im Skiurlaub, mein Sohn war gerade geboren, Apres-Ski fiel entsprechend aus, und abends im TV bin ich bei den Darts-Übertragungen hängen geblieben. Das hat mich fasziniert. Zurück in München habe ich eine Show-Veranstaltung mit Phil Taylor für Jedermann organisiert. Taylor war begeistert, wollte mich unbedingt Barry Hearn, dem Chef der PDC in England vorstellen. Und so saß ich eine Woche später im Flieger auf die Insel, und Hearn hat mich gefragt, ob ich mir nicht vorstellen könnte, die PDC-Vertretung für Deutschland, Österreich und die Schweiz zu übernehmen. Am Anfang gab es nur Turniere für Spieler, mit 50 bis 60 Boardanlagen, aber ohne Zuschauer. Da hatten wir noch keine Bühne und gar nichts. 2006 habe ich mich selbstständig gemacht, und seit 2008 sind wir für Kontinental-Europa zuständig.

Worin haben Sie Potenzial gesehen?

Der Sport ist sehr schnell und auch schnell zu verstehen, anders als beispielsweise Cricket oder Baseball, das man erst 80 Millionen Menschen erklären müsste. Eine Dartscheibe hat im Prinzip jeder schon mal gesehen. Die häufigste Frage war die nach der Triple 20 als höchstem Wurffeld, weil jeder glaubte, dies sei das Bullys-Eye. Dazu kommen die Charaktere, und die Art und Weise, wie die Events aufgezogen wurden. Das hat mich gereizt, und deshalb habe ich auf diese Karte gesetzt.

Dennoch war sicherlich ein langer Atem nötig. Wann kam der Durchbruch?

Da muss ich zwei Schlüsselveranstaltungen nennen. 2008 haben wir uns mit dem Turnier in Frankfurt im Südbahnhof erstmals ins Fernsehen getraut. Donnerstags hatten wir nur 20 Zuschauer im Saal, 20 weitere haben wir mit Freibier vor der Straße gelockt. Von den Kameras wurde das aber gut in Szene gesetzt. Die erste TV-Übertragung nach Großbritannien war für uns ein Meilenstein. Der Durchbruch kam 2011 mit der European Darts Championchips in Düsseldorf, als wir über 10 000 Tickets verkaufen konnten.

Der Gelegenheits-Fan kennt die Darts-WM rund um den Jahreswechsel in London. Wie kann es gelingen, auch außerhalb dieser beiden Wochen den Darts in den Köpfen zu verankern?

Wir müssen - und dies ist ja ganz grundsätzlich unser Ziel - den Menschen eine gute Zeit und eine tolle Unterhaltung bieten. Das ist doch bei Straßen- und Weinfesten und Festivals nichts anders. Jeder will mit Freunden gemeinsam Spaß haben, und das geht im Sommer wie im Winter. Der Standort für die Team-WM hat sich bewährt und etabliert. Die Spieler lieben es, dorthin zu kommen.

Wo sehen Sie die Linie zwischen einer Kneipenveranstaltung und Sport?

Was auf der Bühne geboten wird, ist knallharter Sport. Da geht’s um viel Geld, da wird penibel auf die Rahmenbedingungen geachtet. Die Leute in der Halle wollen Spaß, dafür haben sie Tickets gekauft. Sie inszenieren sich, das ist vergleichbar mit Choreographien in Fußball-Stadien. Dem Publikum muss aber auch guter Sport geboten werden, sonst funktioniert das nicht. Die treibende Energie geht von der Bühne aus. Das merkt man im negativen Sinne, wenn der Average im Wettkampf sinkt, zeigt sich aber auch positiv, wenn die Halle bei einem Neun-Darter durchdreht.

Darts ist Mitglied im Deutschen Olympischen Sport-Bund. Wird man die Pfeilewerfer auch irgendwann einmal bei den Olympischen Spielen sehen?

Olympia hat sich toll an. Darts ist aber ohne Olympische Spiele groß geworden. Und in meinen Augen sind diese Spiele auch Verbrechen an den Sportlern. Sie opfern viele Jahres ihres Lebens für eine Karriere, müssen auf diesen einen Auftritt alle vier Jahre hoffen, um ins Rampenlicht zu kommen, sehen aber nichts von den Milliarden, die damit umgesetzt werden. Das ist ungerecht, doch viele Sportarten sind in ihren Strukturen gefangen. Klar, das Publikum findet die Unterhaltung im Vier-Jahres-Rhythmus toll, doch die klassischen olympischen Sportarten wie Schwimmen, Turnen und Leichtathletik werden doch außerhalb der Spiele immer weniger wahrgenommen. Wer kennt heute noch den Deutschen Meister über 100 Meter? Das war zu meiner Jugend anders. Wir als PDC haben mit Verbänden aber auch nichts zu tun. Bei uns gibt’s keine Nachwuchszentren, keine Landesverbände oder Bundestrainer. Wir sind ein privates Unternehmen, das Dartern die Infrastruktur bietet, den Sport als Beruf auszuüben, in dem wir Turniere veranstalten. Wie sich die Sportler organisieren, anreisen und trainieren, ist deren Sache.

Darts wird zunächst einmal mit Großbritannien in Verbindung gebracht. Sie veranstalten Turniere in Europa. Welche Märkte sind hier im Kommen?

Wir sind schon in vielen Ländern vertreten, In den Niederlanden, Ungarn, Österreich, Tschechien und zuletzt erfolgreich in Belgien. Wir sehen Potenzial in alle Richtungen. In Portugal und Spanien ebenso wie Skandinavien oder Osteuropa. Nur in Frankreich tun wir uns schwer.

Wie stellt sich die neue Realität nach beziehungsweise mit der Corona-Pandemie dar? Worauf können sich die Zuschauer in Frankfurt einstellen?

Wir haben eine höhere No-show-Rate als vor Corona. Bei dem einen oder anderen gibt’s eine gewisse Skepsis. Die, die kommen, die lassen’s allerdings krachen. Wohin der Weg führt, wird sich zeigen. Und geht’s darum, den bestmöglichen Sport anzubieten, die entsprechende Infrastruktur zu stellen und für gute Unterhaltung zu sorgen.

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Werner von Moltke © Red

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