Zweimal auf den Feldberg
Frankfurt (mka). Zu gerne hätte John Degenkolb dieses kleine Geheimnis ganz für sich behalten. »Warum müssen wir eigentlich eine Pressekonferenz machen? Jetzt wissen es doch alle«, sagte der Radprofi gestern - als kleiner Scherz. Schließlich hatte der Oberursel hinter den Kulissen selbst mitgeholfen, dass sein Heimrennen Eschborn - Frankfurt im kommenden Jahr ein neues Streckenprofil bekommen wird.
Ein Profil, das Degenkolb nicht unbedingt entgegenkommen dürfte: Die 60. Auflage des World-Tour-Klassikers am 1. Mai 2023 wird nicht nur um zehn Prozent auf 202 Kilometer Länge anwachsen. Sie wird vor allem schwerer. Der Feldberg muss nun zweimal erklommen werden statt bisher einmal - und das von der schwereren südwestlichen Auffahrt.
»Wir haben uns überlegt, wie wir den Fahrern eine veränderte Plattform bieten können«, sagte Geschäftsleiter Matthias Pietsch. »Es ist zwar ein historisches Rennen, man muss aber immer wieder darüber nachdenken, wie man Spannung erzeugen kann.« Hintergrund der Änderung ist, dass es bei dem deutschen Radklassiker seit nunmehr zehn Jahren meist zu einem finalen Massensprint kam. Ausreißer, die zuvor im Taunus die Flucht nach vorne gesucht hatten, kamen nicht bis ins Ziel durch, wurden eingeholt. Das führte bei den Teams inzwischen zu einem Umdenken. Sie nominierten vorwiegend Sprinter und Klassikerfahrer - und kaum noch Bergspezialisten, deren Erfolgschancen gering eingestuft wurden, sich am Berg entscheidend absetzen zu können. Diese Möglichkeit scheint nun größer. Der Feldberg muss nicht nur traditionell nach 46,5 Kilometern, sondern erstmals auch in der zweiten Rennhälfte nach 116,5 Kilometern überwunden werden. Zuvor steht noch der Anstieg zur Billtalhöhe an. »Das ist eine perfekte Rampe, um das Feld zu teilen. Diese Kombination wird sehr schwer werden«, meint Fabian Wegmann, der Sportlicher Leiter von Eschborn - Frankfurt. »Denn das ist nicht nur ein Anstieg, es sind mehrere hintereinander. Man hat keine Ruhephasen.«
Der Mammolshainer Berg muss »nur« noch drei- statt viermal bezwungen werden. Wichtig: Nach der letzten Überfahrt stehen lediglich noch 35 Kilometer bis zum Finale in Frankfurt an. Bisher waren es 45 Kilometer, in denen Ausreißer leichter einzuholen waren. »Die Chance ist nun größer, dass eine kleine Gruppe durchkommt«, glaubt Wegmann. Schließlich sei es das schönste Szenario im Radsport, wenn sich in einem Rennen an der Spitze eine »kleine Gruppe absetzt und es am Ende ganz knapp wird, ob sie durchkommt«. Diesen Verlauf erhofft er sich im besten Falle auch für den 1. Mai. Ein erneuter Massensprint sei freilich dennoch nicht ausgeschlossen. »Der Kurs bietet jetzt aber mehr Möglichkeiten. Man kann ihn wesentlich selektiver fahren.«
Jens Zemke, Sportlicher Leiter des deutschen Top-Teams Bora-Hansgrohe, denkt bereits an Änderungen in seinem Kader. Nils Politt sei für den Kurs gut geeignet, meinte der Frankfurter. »Man muss jedenfalls generell ins Kalkül ziehen, dass man offensiv fahren lässt.«
Auch Degenkolb (Team DSM), Sieger in Frankfurt 2011, sieht für sich weiterhin »gute Chancen. Ich muss aber in Topform sein.« Der 33 Jahre alte Lokalmatador war von den Veranstaltern in den vergangenen Monaten befragt worden, wie sich der Kurs verändern solle. Weil die Profiteams bereits jetzt dabei sind, ihre Kader für die Rennen 2023 zu nominieren, haben die Veranstalter die Änderungen am Kurs bereits bekannt gegeben.