Auftakt-Gold im Eiskanal

Die älteste künstlich gebaute Kanu-Slalomstrecke der Welt ist seit 2019 Teil des UNESCO-Weltkulturerbes. Ein Eingriff ist daher schwer umsetzbar. Was macht die Strecke am Lech aber so besonders? »Der Eiskanal ist mein Happy Place«, sagt Olympiasiegerin Funk.
In der Szene ist von der »Streif des Sommers« oder der »Mutter aller künstlichen Kanuslalomstrecken« die Rede. Aber warum heißt die WM-Strecke in Augsburg bei derzeit fast 30 Grad Celsius Eiskanal? Die Eisschollen, die teilweise bis zu den ersten Trainingsfahrten nach dem Winter noch hinter den insgesamt 35 Betonhöckern präsent sind, gaben der Wildwasserstrecke ihren Namen.
Nun freuen sich die Weltklasse-Athleten im Hochsommer über jede Erfrischung. Und über tosendes Wasser. Denn die WM 50 Jahre nach Olympia in München drohte ins (fehlende) Wasser zu fallen. »Es war die erste WM, die wegen der Klima-Krise auf der Kippe stand«, sagte der deutsche Weltverbands-Präsident Thomas Konietzko.
Nach einigen Trainingsabsagen sind die Titelkämpfe auf dem für 21 Millionen Euro sanierten Wildwasserkanal angelaufen. Eine provisorisch in einen Nebenarm des Eiskanals eingebaute Betonwand staut das Wasser auf, damit die WM bis Sonntag planmäßig absolviert werden kann. Mehr Eingriffe sind bei der geschützten Strecke nicht möglich.
Als feststand, die WM kann starten, waren die Sportler erleichtert. »Der Eiskanal ist mein Happy Place«, sagt Tokio-Olympiasiegerin Ricarda Funk. Die Kajak-Weltmeisterin vom KSV Bad Kreuznach trainiert seit zehn Jahren in Augsburg, kennt jedes Detail. So führte sie das deutsche Trio gleich im ersten Wettbewerb am Mittwoch zum WM-Titel. »Dass alle drei Fahrerinnen alles so treffen, das ist schon cool«, sagte Funk zum Auftakt-Gold mit Jasmin Schornberg und Elena Lilik (ehemals Apel). Lilik, im Vorjahr Überraschungs-Weltmeisterin im Canadier, war sichtlich ergriffen. »Mir war schon ein bisschen schlecht, ich war mega aufgeregt. Man will im Team auch keinen Fehler machen. Das war der beste Mannschaftslauf, den wir je gefahren sind«, sagte sie. Sie verbindet mit dem Eiskanal ihre komplette Kindheit. »Ich habe hier jede freie Minute meiner Kindheit verbracht, am Wasser, am Eiskanal. Sei es beim Schwimmen, Picknicken oder Spielen.« Die Allrounderin holte zudem im Canadier-Team mit Andrea Herzog und Nele Bayn in einem Herzschlagfinale nach nachträglicher Zeitkorrektur hinter Tschechien Silber.
Auch Medaillen-Garant Sideris Tasiadis aus Augsburg will das ganze Drumherum aufsaugen. »So eine Heim-WM mitzufahren, ist das Größte, was man in seiner Sportkarriere erleben darf«, sagte der Olympia-Dritte von Tokio, der im Canadier noch nie einen Einzel-WM-Titel geholt hat. Auch mit dem Team ging er leer aus und landete gestern auf Rang vier - anders der Olympia-Dritte Hannes Aigner, der im Kajak zum Auftakt im Team mit Noah Hegge und Stefan Hengst siegte.
Und dennoch müssen die Wassersportler in Zukunft umdenken. Konietzko will, wie schon öfter praktiziert, die Welttitelkämpfe eher im Spätsommer stattfinden lassen. Auch bessere Planungen mit kürzeren Wegen auf einem Kontinent sind denkbar. Selbst Einheitsboote, um die Transporte der Boote weltweit zu minimieren, sind Bestandteil der Überlegungen. Auch wenn es beim Thema Material - wie er offen zugibt - noch einige Widerstände bei den einzelnen Nationen gibt.