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Beleg von Klasse und Reife

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Umjumbelter Mann bei der EIntracht ist Daichi Kamada (2. v. r.), der an allen drei Frankfurter Toren beteiligt ist. © IMAGO

Eintracht Frankfurt fährt in Stuttgart einen 3:1-Pflichtsieg ein und beweist eine erstaunliche Widerstandsfähigkeit. Trainer Glasner ist hinterher voll des Lobes für seine Truppe.

Ungefähr so wie Oliver Glasner muss jemand aussehen, der sein inneres Gleichgewicht gefunden hat. Zumindest an jenem Samstag in Bad Cannstatt. Rundweg zufrieden stand er da, der Eintracht-Trainer, selig lächelnd, glücklich im Hier und Jetzt. Seine Frankfurter Bundesliga-Fußballer bedachte er nach dem 3:1 (1:0)-Sieg beim VfB Stuttgart mit einer wahren Eloge. »Wahnsinn. Unglaublich. Riesenrespekt.« Worte der Hochachtung, und nur ein kleiner Auszug. Und dann, als Glasner quasi schon weg war, entdeckte er noch diese Käsespätzle im Presseraum, da konnte er nicht widerstehen. »Die gibt’s bei uns auf der Hütt’n immer«, rief der entzückte Österreicher aus. »Aber da komme ich ja nie hin.«

Der 48-Jährige wirkte gerade deshalb so gelöst, weil er die schwierige Partie bei den im Keller steckenden Schwaben zum Charaktertest ausgerufen hatte. Die Strapazen waren ja enorm in den vergangenen Wochen. Makoto Hasebe, der wieder einmal sehr umsichtig auftretende Methusalem in der Abwehr, fasste des Coaches Ansprache mit einem spitzbübischen Lächeln zusammen: »Der Trainer hat uns gesagt, dass alle denken, wir seien müde«, erzählte der 38-Jährige. »Und dann hat er gesagt: Aber wir sind nicht müde, wir sind Eintracht Frankfurt.« Mit einiger Genugtuung hat sich Glasner daher die Statistik zum Spiel angesehen: »Wir sind sechs Kilometer mehr gelaufen als der VfB - und das, nachdem wir am Dienstag 122 Kilometer in Marseille abgespult haben. Großes Kompliment. Ich weiß, was die Jungs geleistet haben.«

Überraschenderweise war sein Team in fast allen anderen Erhebungen nur zweiter Sieger, Zweikämpfe (41:59 Prozent), Pässe (78:81), Ballbesitz (45:55). Doch so können Zahlen eine Partie verwässern, denn der limitierte VfB hatte im Grunde keine Chance, dieses fehlerbehaftete Spiel zu gewinnen. Die Eintracht hat sich akkurat an den ausbaldowerten Plan gehalten, der vorsah, den Kontrahenten kommen zu lassen und die Räume im eigenen Distrikt zu verdichten.

Was nun freilich nicht bedeuten soll, dass die Hessen in Stuttgart die Sterne vom Himmel gespielt hätten, weit gefehlt, das alles war sehr unruhig, ungenau und zerfasert, zeitweise wie am Flipperautomaten. Und doch stellten sie das abgebrühtere Team, waren qualitativ den Stuttgartern überlegen. Kapitän Sebastian Rode (6.), Daichi Kamada (55.) und Kristijan Jakic (88.) entschieden die Begegnung bei einem Gegentreffer von Tiago Tomas (79.). Apropos Kamada: Er bereitete per Freistoß und Ecke zwei Frankfurter Tore vor und war somit an allen Eintracht-Treffern beteiligt. Dieser Pflichtsieg darf sehr wohl als Beleg einer gewissen Klasse und Reife gesehen werden, in der Vergangenheit kam es nicht selten vor, dass genau solche Spiele gegen solche Gegner nicht gewonnen wurden.

Kamada an allen Toren beteiligt

Für Glasner war dieser Wille, die Partie unter allen Umständen zu gewinnen, das entscheidende Kriterium. »Wir waren sehr leidenschaftlich, haben eine unglaublich gute Mentalität gezeigt.« Als Sinnbild für den Fighting-Spirit und die Widerstandsfähigkeit nannte Glasner den Verteidiger Evan Ndicka, dessen Wunde am Kopf aus dem Marseille-Spiel wieder aufgeplatzt war und der mit Turban einfach immer weiterspielte - so lange, bis sein Auge zugeschwollen war.

Glasner freute sich auch deshalb über den Auftritt seines Teams, weil es gerade im Vergleich zu dem deprimierenden Wolfsburg-Spiel (0:1) einen großen Schritt nach vorne gemacht habe. Doch ist das Ensemble vor solchen Rückschlägen gefeit? Man wird es sehen, nach der Bundesligapause gibt es genügend Bewährungschancen - ab 1. Oktober stehen 13 Spiele in 44 Tagen an, dann ist WM. Ein Mammutprogramm. Umso wichtiger, dass die Eintracht nach allerlei Schwankungen und auch Spannungen die Kurve erst einmal bekommen hat. »Wir sind einigermaßen im Soll«, sagte Sportvorstand Markus Krösche am Samstag, dem Tag seines 42. Geburtstages. In der Bundesliga, findet der Manager, habe man so manchen Punkt liegengelassen, »aber wir wollten Kontakt nach oben herstellen, das haben wir geschafft. Die Richtung stimmt.«

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