Das Glasner-Grübeln

Die Eingespieltheit der ersten Elf war ein Schlüssel des Erfolges von Eintracht Frankfurt. Nun muss Trainer Oliver Glasner überlegen, ob er seine Mannschaft nach der saftigen Niederlage von Köln personell verändern wird. Keine leichte Entscheidung.
Das Gefühl des Verlierens, sagte Oliver Glasner nach der 0:3-Klatsche in Köln, kenne er gar nicht mehr. Allzu häufig musste sich der Trainer mit seinem Eintracht-Team ja nicht geschlagen geben, sonst hätten sich die Frankfurter nicht weit oben im Klassement der Fußball-Bundesliga eingereiht und nicht das Achtelfinale der Champions League erreicht. Auffällig aber ist: Immer wenn die Eintracht mal ein Spiel vergeigte, brachte die Mannschaft zumeist eine sehr überschaubare Leistung auf den Rasen. Und: Die Niederlagen hatten zumeist unmittelbaren Einfluss auf den weiteren Saisonverlauf.
Das fing schon mit dem Beginn an, als die Hessen als frisch gekrönter Europa- League-Sieger die Bayern zum Eröffnungsspiel erwarteten. Es folgte der Sturm ins Verderben, 0:5 nach 43 Minuten, 1:6 nach 90. Die Eintracht war auf dem Boden zurück. Auch nach der nächsten punktemäßigen Nullrunde, 0:1 am sechsten Spieltag daheim gegen Wolfsburg, ging es hoch her. Dissonanzen zwischen Glasner und Sportvorstand Markus Krösche schwappten an die Öffentlichkeit. Das feste Gebilde schien plötzlich ins Wanken zu geraten. Klingt heute wie eine Episode aus einer anderen Zeit. Die Kunst aber war: Immer dann, wenn es turbulent wurde und die Mannschaft in die falsche Richtung abzubiegen drohte, riss Glasner das Ruder herum, scharte alle Mann hinter sich und ging mit aller Macht den Turnaround an. Das klappt nur, wenn das Verhältnis zwischen Coach und Mannschaft intakt ist und der Fußballlehrer große Akzeptanz erfährt. Das ist ganz sicher so.
Der große Wendepunkt in dieser Saison war eine Partie im Ruhrpott, 0:3-Abreibung beim VfL Bochum im Oktober - inklusive grottenschlechter Leistung und fehlerhafter Aufstellung des Trainers. Glasner hatte sich dazu entschieden, sein Team auf fünf Positionen zu verändern, bot die Doppelspitze Rafael Borré und Lucas Alario auf. Der Schuss ging nach hinten los. Und der 48-Jährige zog seine Konsequenzen. Seitdem verändert er seine Startformation nur noch in Nuancen, setzt immerzu aufs selbe System.
Härtefall Kristijan Jakic
Die Frage ist nach der Pleite von Köln, wie er mit der Mannschaft umgeht, ob er weiterhin nicht an seinem Stamm rütteln wird. Klar ist, dass sich der Ton intern verschärft hat. Denn nicht nur Sportchef Krösche hat eine etwas zu laxe Einstellung erkannt, auch der Österreicher ist sensibilisiert. Natürlich ist nichts Dramatisches passiert, der Auftritt im Rheinland war nicht bodenlos, aber eben auch nicht mehr so Eintracht-like. Deshalb sind die Antennen ausgefahren. Glasner wird wieder eine andere Haltung zum Spiel einfordern.
Und personell? Einige Spieler sind von ihrer Bestform ein Stück weit entfernt. Jesper Lindström etwa oder auch Djibril Sow und Daichi Kamada. Alle drei WM-Fahrer. Für den Trainer kein Zufall, er hatte unlängst betont, dass diese Spieler eine gewisse Zeit brauchen, um wieder in den Rhythmus zu kommen. Also was tun? Anderen mal eine Chance geben? Andererseits ist es gerade die Eingespieltheit der ersten Elf, die ein Schlüssel des Erfolges ist. Und eine lange Zeit fast schon perfekt harmonierende Offensive auseinanderzureißen wegen eines kurzzeitigen Leistungsabfalls Einzelner, birgt auch Risiken.
Und der Trainer wird überlegen müssen, wie er die Schwäche bei Standards in den Griff bekommen will. 13 Gegentore nach ruhenden Bällen sind der Spitzenwert in der Liga - in negativer Hinsicht. Ein Problem ist, dass die Mannschaft generell nicht groß gewachsen ist, weshalb Glasner einen kopfballstarken Spieler einbauen könnte. Hrvoje Smolcic etwa. Dann müsste allerdings Makoto Hasebe wieder raus, mit dem das Spiel prinzipiell besser ist - auch wenn der Japaner zuletzt ebenfalls leicht schwächelte.
Oder der Trainer bietet mal wieder Kristijan Jakic auf. Denn er muss auch schauen, dass er das Klima im Team auf einem guten Level hält. Neben Rafael Borré ist der 25 Jahre alte Kroate ein Härtefall. Im alten Jahr war der Allrounder eine feste Größe, Stammspieler auf allen möglichen Positionen, auch in der Champions League in alle sechs Partien in der Startelf. Und auf einmal steht der WM-Fahrer im Abseits, hat in den letzten fünf Partien gerade mal sieben Minuten gespielt. Jakic würde dem Team auch als Typ guttun, er ist ein furchtloser Dazwischenfeger, ein Mentalitätsspieler. An Biestigkeit und Bissigkeit mangelte es zuletzt.
Andererseits ist der nächste Gegner Werder Bremen ein Kontrahent, gegen den spielerischen Mittel gefragt sind. Schwierige Gemengelage. Grübler Glasner muss die Antwort finden.