1. Startseite
  2. Sport
  3. Sportmix

Das Maß beim FCB ist voll

Erstellt:

imago1014870561h_190922_4c
Am überragenden Augsburger Rafal Gikiewicz gibt es kein Vorbeikommen - auch nicht für Bayerns Torhüter Manuel Neuer (l.), der in der Schlussphase mit einem Kopfball beinahe noch den Ausgleich erzielt hätte. © IMAGO

Krise auf der Wiesn: Nach der ernüchternden 0:1-Derby-Pleite in Augsburg wird beim FC Bayern München alles hinterfragt - auch Trainer Julian Nagelsmann.

Julian Nagelsmann lächelte in Lederhosen und mit Maßkrug in der Hand gequält in die Kameras. Schon beim Gang ins schicke Käferzelt wirkte der angeschlagene Bayern-Trainer kräftig verkatert, seinen ersten Oktoberfestbesuch als Münchner Coach hatte er sich anders vorgestellt. Statt ausgelassener Wiesn-Gaudi gab es reichlich Anlass, Frust hinunterzuspülen.

Nagelsmann verspürte »keine Lust« auf den Pflichttermin, »die Stimmung ist am Boden«, sagte Sportvorstand Hasan Salihamidzic ernüchtert. Der »fassungslose« Wortführer Thomas Müller sprach angesichts der schwärzesten Serie seit über 20 Jahren von einem »katastrophalen Trend«.

Nach dem niederschmetternden 0:1 (0:0) beim mutigen FC Augsburg und dem vierten Sieglos-Spiel in der Fußball-Bundesliga in Serie wirkte Nagelsmann ratlos. »Ich sortiere meine Gedanken«, sagte er geknickt. Worüber er da grübelt? »Über alles denke ich nach - über mich, über die Situation, über alles.«

Das tun auch die Bosse. »Wir sind übel gelaunt«, sagte Vorstandschef Oliver Kahn am Sonntag, stellte sich aber vor Nagelsmann. »Wir sind von Julian total überzeugt.« Woran es dann liegt? »Bei manchen Spielern hat sich wohl der Glaube eingenistet, man könne die Bundesliga nebenbei machen. Das geht nicht!« Salihamidzic stellte ein Ultimatum: »Jetzt gibt es keine Ausreden mehr, jetzt müssen Siege her!« Zunächst gegen Leverkusen und Pilsen - und dann im Klassiker in Dortmund.

Die Lage ist finster. »Es wird immer dunkler, das ist gerade auch unsere Gefühlswelt«, sagte Müller passend zum verregnet-kühlen Wetter, das die Wiesn-Laune endgültig verdarb. »Die macht mir jetzt keinen Spaß, muss ich ehrlich sagen«, meinte Salihamidzic bedröppelt, »bei drei Punkten aus vier Spielen weiß ich nicht, ob mir die Maß schmeckt«. Klare Tendenz: nein.

Nagelsmann hatte in Augsburg vor den Augen seiner Familie alles versucht. Er versetzte zwischenzeitlich den verdutzten Joshua Kimmich nach rechts hinten, er ließ Torhüter Manuel Neuer stürmen. Der Kapitän scheiterte per Kopf in der Nachspielzeit (90.+5) mit der siebten und letzten guten Bayern-Chance am überragenden FCA-Torwart Rafal Gikiewicz. »Ich bin schon ein wenig beunruhigt. So reicht es nicht«, sagte Salihamidzic und forderte: »Wir müssen gieriger sein!« In den Zweikämpfen, wie beim Augsburger Siegtreffer durch Mergim Berisha (59.), als sich Leroy Sane von Vorlagengeber Iago übertölpeln ließ. »Wir haben brutale Probleme gegen Mannschaften, die gegen uns körperlich spielen und uns auf die Socken hauen«, stellte Salihamidzic etwas verwundert fest.

Der letzte Biss fehlte aber erneut auch vor dem Tor. »Es fließen viele Chancen einfach so aus dem Stadion«, analysierte Nagelsmann genervt, »wir spielen es sehr laissez-faire im letzten Drittel«. Das Passspiel sei zu »schlampig«, die »Abschlusstechnik« ungenügend. Am abermals schwachen Superstar Sadio Mane wollte Nagelsmann aber nicht herumkritteln. »Über Einzelspieler sprechen wir jetzt nicht, das mache ich in der Kabine.« Müller assistierte im ZDF: »Ne, stopp! Er läuft nicht neben der Spur. Das Fass brauchen wir nicht aufzumachen.«

Salihamidzic wurde deutlicher. »Wir reden viel, wir sprechen ihm zu und versuchen, ihn auf den richtigen Weg zu bringen.« Aber: »Auf dem Platz muss er das schon selber machen.« An einem echten Neuner fehle es nicht. »Wir können das, wir haben auch Spieler dafür.«

Nagelsmann wollte die leidige Frage, ob ihm ein Torgarant wie der nach Barcelona abgewanderte Robert Lewandowski fehle, nicht beantworten. »Wenn ich nein sage, sagt ihr, er erkennt die Probleme nicht. Wenn ich ja sage, heißt es, er vermisst Lewandowski.« Doch er weiß: »Der Trend verheißt nix Gutes.« Muss er reagieren? »Ich mache mir meine Gedanken«, sagte er düster, »und entscheide dann, wie es weitergeht«. Auch für ihn selbst.

Auch interessant