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Der erste Sieg soll her

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Trainer Hansi Flick (M.) instruiert seine Spieler vor dem Auftritt in Ungarn. FOTO: DPA © DPA

Bloß nicht schon wieder ein Unentschieden. Hansi Flick will in der Nations League endlich gewinnen und noch mehr WM-Lust entfachen. Der Auftritt der DFB-Elf in Ungarn hat aber seinen Tücken. Der Gegner ist unbequem, die Stimmung wie beim brisanten EM-Duell aufgeheizt.

Als Joshua Kimmich und Leon Goretzka mit ihren Elektrorädern am Trainingsplatz eintrudelten, war Hansi Flick schon lange da. Ungeduldig erwartete der wegen der großen Juni-Belastung extrem besorgte Bundestrainer die Ankunft der Nationalspieler zur finalen Übungseinheit vor dem Abflug nach Ungarn.

»Jeder Einzelne muss 100 Prozent Leistungsbereitschaft zeigen«, forderte Flick bei der anschließenden Pressekonferenz vor der Nations-League-Partie der Fußball-Nationalmannschaft am Samstag (20.45 Uhr/RTL). »Es wird eine ganz große Aufgabe für uns«, fügte Flick noch in Herzogenaurach an. Das klang, als solle gegen den wohl schwächsten Gruppenkontrahenten Ungarn ein Konzentrationsabfall nach den Klassikern gegen Italien und England unbedingt vermieden werden.

Das Duell in Budapest, der dritte Auftritt innerhalb einer Woche, ist für Flick im Juni-Länderspiel-Quartett der vorletzte Trumpf. Mäßig, aber nicht verloren gegen Italien, schwungvoll, aber nicht gewonnen gegen England. Nach den beiden 1:1 gegen die EM-Finalisten muss gegen Ungarn der erste Sieg in der laufenden Runde des immer noch fremd anmutenden UEFA-Wettbewerbs her, als maximal positiver WM-Wegweiser Richtung Katar.

Das machte auch Thomas Müller klar, der in seinem 115. Länderspiel wieder ein großer Antreiber sein will - und zwar auf dem Platz, wie er selbst anmerkte. »Es wäre dringend notwendig, dass wir die sechs Punkte jetzt holen. Dann wäre ich auch im verspäteten Urlaub zufrieden«, sagte der 32-Jährige und ergänzte damit die Siegvorgabe gleich noch für die abschließende zweite Partie gegen Italien am Dienstag in Mönchengladbach. Dann wäre man Tabellenführer in der starken Gruppe 3 der Liga A - ein deutliches WM-Signal.

Flick trat beim letzten öffentlichen Auftritt vor der Abreise aus dem vertrauten fränkischen Trainingscamp aber als besorgter Mahner und ziemlich deutlicher Spielplan-Kritiker auf. »Vier Spiele sind einfach zu viel nach so einer langen Saison«, sagte er und hatte dabei schon die Ende Juli mit DFB-Pokal und Supercup beginnende WM-Saison im Blick.

»Man sollte sich dem schon mal annehmen und hinterfragen, wie man den Spielern eine Pause gönnen kann«, sagte Flick und nahm den Weltverband FIFA und die Europäische Fußball-Union UEFA in die Pflicht. Die Experten sollten »die Dinge untersuchen und ein paar Maßnahmen festlegen«, fügte Flick mit besorgter Miene an.

Thomas Müller war ein bisschen pragmatischer und meinte zur wieder aufkochenden Termin-Debatte: »Es ist einfach so, wie es ist. Das ist unser Job, den wir erledigen müssen.« Der Spielkalender sei nicht »der Wunschtraum«. Ohne den Herbst-Termin in Katar würde die WM im klassischen Rhythmus genau an diesem Wochenende beginnen. Auch dann wäre die Belastung hoch.

Flick muss schon gegen Ungarn genau abwägen: Wieder wie gegen England stark rotieren und Kräfte schonen oder jetzt endlich mal eine starke Wunschformation einspielen Richtung Katar? Wechselspiele light dürfte die Antwort sein, in Budapest eine Mischung aus den Teams gegen Italien und England beginnen. »Es tut gut, wenn man eingespielt ist«, sagte der Chefcoach. Eine Einsatzgarantie von Beginn an bekam aber nur Kapitän Manuel Neuer: »Wir werden da keine Änderung machen«.

Fraglich ist der Einsatz von Offensivspieler Serge Gnabry wegen muskulärer Probleme in der Wade. Der Bayern-Profi absolvierte am Freitag nur eine Laufeinheit. Wie Timo Werner war er am Dienstag gegen England eingewechselt worden. Werner ist laut Flick wieder eine Startoption für die Position in der Angriffsspitze: »Er ist einer, der vorne Tore schießt, der eine gute Quote hat.« Tore schießen, das war ja zuletzt das Manko und viel diskutierte Thema der DFB-Elf.

Wie unbequem die Ungarn sein können, haben die Nationalspieler noch gut in Erinnerung. Beim 2:2 im letzten EM-Gruppenspiel wurde der Vorrunden-K.o. vor einem Jahr mit Ach und Krach vermieden.

(sid). Leon Goretzka formte mit seinen Händen ein Herz und schickte das starke Zeichen der Liebe an den aufgebrachten schwarzen Mob. Der besondere Torjubel des Nationalspielers vor einem Jahr lieferte eines der bleibenden Bilder der EURO. Jetzt trifft der Bayern-Profi mit dem Gespür für gesellschaftliche Themen die ungarischen Fans wieder, die mit ihren rassistischen und homophoben Ausfällen längst zum schlimmen Ärgernis im europäischen Fußball geworden sind.

Ob er am Samstag (20.45 Uhr/RTL) beim Nations-League-Duell in Budapest erneut ein solches Zeichen setzen wird, weiß Goretzka noch nicht. »Da habe ich in meine Gefühle noch nicht so reingehört«, sagte der 27-Jährige: »Ich bereite mich genauso vor wie auf andere Spiele.«

Hansi Flick versuchte, das Thema im Vorfeld klein zu halten. »Jeder Einzelne hat schon viele Spiele in aufgeheizter Stimmung gemacht«, sagte er über die erwarteten Pfiffe, »das muss jeder auf diesem Niveau aushalten. Wir fokussieren uns auf unser Spiel, alles andere ist Nebensache.«

Doch das ist nicht immer so einfach, wie die englischen Nationalspieler vor einer Woche erfuhren. Als sie vor dem Anpfiff ihres Gastspiels in Ungarn aus Protest gegen Rassismus niederknieten, pfiffen und buhten die 30 000 Besucher im Ferenc-Puskas-Stadion - vorwiegend Schulkinder. Der erneute Eklat erinnerte an die Skandale im vergangenen Jahr: an die Affenlaute, die die Stürmer Jude Bellingham und Raheem Sterling in der WM-Qualifikation in Budapest begleitet hatten, an die Auswüchse bei den EM-Gruppenspielen im Puskas-Stadion, und eben in München, wo die Atmosphäre nach den Diskussionen um eine Regenbogen-Beleuchtung der Arena als Reaktion auf die diskriminierende Politik von Viktor Orban ohnehin aufgeheizt war.

Seine Herzgeste »kam ein bisschen aus dem Bauch heraus«, erklärte Goretzka im Rückblick, »und hat zum Thema davor gepasst, ob wir die Arena in Regenbogenfarben anstrahlen dürfen oder nicht«. Am vergangenen Dienstag hatten sich die deutschen Spieler mit ihren englischen Kollegen solidarisiert und waren in München ebenfalls auf die Knie gegangen.

Ein ähnliches Zeichen in Budapest sei nicht angedacht, berichtete Oliver Bierhoff. »Nein, die Überlegung gab’s noch nicht«, antwortete der Geschäftsführer Nationalmannschaften und Akademie auf eine entsprechende Frage, »für Ungarn ist nichts geplant.«

Doch auch Bierhoff weiß, dass die Nationalspieler mehr denn je über ihre sportlichen Leistungen hinaus im Blickpunkt stehen. »Sie müssen sich damit auseinandersetzen, Haltung und Position beziehen«, sagte er.

Am Samstag ist das Puskas-Stadion in Budapest wieder ausverkauft, der Zuschauerausschluss als Strafe für die homophoben und rassistischen Ausfälle, den die Ungarn gegen England mit 30 000 Schulkindern und ihren Begleitpersonen umgingen, ist auf Bewährung ausgesetzt. Und der nächste Eklat womöglich nur eine Frage der Zeit.

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Rückblende: Leon Goretzka formt nach seinem 2:2-Treffer in München gegen Ungarn mit seinen Händen ein Herz als Zeichen gegen den aufgebrachten Mob. FOTO: IMAGO © IMAGO

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