Der Geist der Berge

Windischgarsten, mal wieder. Marktgemeinde in Oberösterreich, 2397 Seelen, Luftkurort, nördliche Kalkalpen, Gleinkersee und bekannt für das berühmt-berüchtigte Lederhosenfest. Nun also auch für Fußball-Bundesligist Eintracht Frankfurt erneut Windischgarsten, zum vierten Mal in den letzten zehn Jahren schon.
Markus Krösche, der Eintracht-Sportvorstand, war noch nie dort. »Ich bin gespannt«, sagt der Manager. Die Eintracht reist an, um sich bestmöglich vorzubereiten auf die schwierige und anspruchsvolle und spannende Saison. Trainer Oliver Glasner tut viel dafür, gar keinen Schlendrian einziehen zu lassen. »Sechs Wochen lang gab es für uns nur Glückwünsche und Gratulationen«, sagt er. »Aber auf dem Platz ist es damit vorbei.« Auf den Lorbeeren ausruhen ist nicht. Keiner schenkt der Eintracht etwas, ganz im Gegenteil: Der Euro-League-Gewinner wird gejagt. »Wir müssen einen neuen Fokus finden«, mahnt Kapitän Sebastian Rode an. Da bietet so ein Trainingsquartier jede Menge Chancen, um die Mannschaft auf Linie zu bringen. Das hat Coach Glasner angekündigt. Er will sein Team zu einer Einheit formen, den Eintracht-Stil rauskitzeln und wieder das fördern, was während der Sommerferien ein wenig untergegangen ist: Automatismus, Klarheit, Selbstverständlichkeit. Aber auch: Wille, Mentalität, Einstellung.
In Österreich soll der Grundstein gelegt werden. Das mondäne Hotel Dilly in Windischgarsten wird generell sehr gerne als Basiscamp benutzt. »Die Infrastruktur für die Teams ist einzigartig«, sagt der gemütvolle Besitzer Horst Dilly. Die Wege sind kurz, die Plätze nah, das Essen gut, die Aussicht spektakulär. Für die Mannschaften geht es aber eher um Fitness, Taktik, Teambuilding. Um Konkurrenzfähigkeit.
Den ersten Eintracht-Trip in die betuliche Marktgemeinde beaufsichtigte Armin Veh, der das damals aber »überhaupt nicht wollte«, wie der frühere Eintracht-Trainer steif und fest behauptete. Zehn Jahre ist das her, doch er musste dann doch, der Armin Veh aus Augsburg. Schließlich hatte er die Eintracht nach diesem merkwürdigen Abstieg 2011 wieder in die Bundesliga geführt. Das Trainingslager in Oberösterreich hatten andere klargemacht. Veh, der Genießer, konnte sich dann doch damit arrangieren. Nach ein paar Tagen im Schoße des rührseligen Hoteliers Dilly war das Domizil für ihn mehr als okay. Es sollte sich lohnen, ein Jahr später war die Eintracht als Aufsteiger in die Europa League eingezogen. Es war, wenn man so will, der Anfang der magischen Nächte: Eintracht Frankfurt international.
2015 verschlug es die Eintracht erneut nach Windischgarsten, Veh war wieder Trainer, eine eher unerquickliche Episode mit Thomas Schaaf lag dazwischen. Doch die gute Idee, den einstigen Erfolgscoach zurückzuholen, erwies sich als nicht so prickelnd. Okay, im Quartier beim Dilly war alles wie immer, tolle Stimmung, hungriges Team. Alexander Schur, Ex-Kapitän, damals frisch ins Trainerteam aufgenommen und ein begnadeter Entertainer, erzählte auf dem Hüttenabend Schoten über Felix Magath, der Waldläufe niemals auf ausgetrampelten Pfaden ansetzte. Haris Seferovic, der Angreifer, träumte vom Europacup, denn sein neuer Sturmpartner Luc Castaignos, ja, der könne schon was. Wurde dann doch nix. Veh merkte es, konnte es aber nicht stoppen, flog raus - und Niko Kovac musste die Eintracht in der Relegation retten. 2016 war das. Jener Kovac, der den Verein, wie Vorstandssprecher Axel Hellmann noch heute beteuert, auf ein anderes Level gehoben hat. »Niko war für uns von allen sportlichen Verantwortungsträgern der größte Glücksfall. Er hat bei uns eine andere Arbeitsmentalität eingeführt und auch das Denken, Grenzen durch Fleiß zu verschieben«, sagt der 50-Jährige. »Davon profitieren wir bis heute.«
Auch Adi Hütter war demnach einer dieser Profiteure, er war mit seiner Mannschaft 2019 in Windischgarsten. Es war eine komische Zeit, die Eintracht flog direkt aus Österreich zum Euro-League-Quali-Spiel nach Tallinn, gewann glanzlos - und reiste wieder zurück ins Basiscamp. Es folgte eine Saison, die es so noch nie gegeben hatte, sie endete Ende Juni, das Aus in der Euro-League folgte in Basel im August 2020 - vor Beginn der nächsten Spielzeit. Die Pandemie hatte die Welt auf den Kopf gestellt.
Nun also das vierte Mal Windischgarsten, der Geist der Berge soll die Eintracht Frankfurt durch die Saison tragen.