Der letzte Vorhang

Roger Federer steht vor seinem letzten großen Auftritt, in London nimmt der Maestro Abschied. Dem Tennis will der Superstar aber erhalten bleiben.
Roger Federer schäkerte mit Novak Djokovic, er herzte Andy Murray, quatschte mit Björn Borg und spielte sich mit Stefanos Tsitsipas ein paar Bälle hin und her. Dazu lächelte Federer für Selfies. Erleichtert und bestens gelaunt präsentiert sich der Superstar vor seinem großen Abschied von der Tennis-Bühne.
»Ich bin sehr glücklich, dass ich die Karriere absolvieren konnte, die ich hatte«, sagte Federer, der nach dem Laver Cup in London (23. bis 25. September/Eurosport) in Rente gehen wird. Der Prozess, das Ende seiner großen Karriere zu verkünden, habe ihn emotional sehr mitgenommen. »In den letzten zwei, drei Wochen hatte ich einen Knoten im Magen«, sagte Federer, auch »ein oder zwei Tränen« seien geflossen: »Aber jetzt fühle ich mich gut.«
Noch ein letztes Mal kann Federer sich dem widmen, was er am liebsten mag: Tennis. »Ich habe sehr lange nicht mehr gespielt. Ich werde versuchen, wettbewerbsfähig zu sein«, sagte der 41-Jährige, dessen Körper nach all den Titeln, Triumphen und Strapazen nicht mehr will: »Aber immerhin kann ich auf einem Niveau spielen, das ich völlig akzeptabel finde.« Für ein Einzel wird es bei Federer nicht reichen, aber beim Doppel am Freitagabend bei diesem Kontinental-Wettstreit zwischen Team Europa und Team Welt will er unbedingt dabei sein.
Eine »Last« sei von ihm abgefallen, sagte Federer in London. An seinem Abschiedsbrief habe er zwei Wochen gearbeitet. Nun, da der unvermeidliche Zeitpunkt gekommen ist, will er alles noch einmal genießen. Den Auftritt als Teil der »Big Four« im Team Europa mit Rafael Nadal, Djokovic und Murray, dazu die Legende Borg als Trainer. Die Liebe der Fans. Und das alles in der Stadt, in der er achtmal in Wimbledon gewann. »London trage ich im Herzen«, sagte Federer.
Ebenfalls in London spielte Federer zuletzt vor mehr als einem Jahr auf der Tour, in Wimbledon 2021, und musste danach zum dritten Mal am rechten Knie operiert werden. »Die letzten drei Jahre waren, gelinde gesagt, hart«, sagte der Maestro, der über die Schwere seiner Verletzung keine Angaben machen will: »Ich finde, es ist Privatsache. Und ganz ehrlich - ich weiß es auch nicht genau und will es manchmal nicht genau wissen.«
Im normalen Leben bereitet ihm das Knie jedenfalls keinen Kummer, und das Leben mit Frau Mirka und den vier Kindern will Federer nach der Karriere nun in vollen Zügen genießen. »Irgendwo« seien die Kinder auch traurig, »dass ich aufhören werde. Aber sie haben immer den Wunsch geäußert: ›Hör mal auf mit Tennis, wir wollen Ski fahren‹«, sagte Federer: »Ich habe es allen vier gleichzeitig gesagt und drei von vier haben geweint.« Tränen werden jetzt wohl auch wieder in London fließen, denn: Einer der ganz Großen nimmt Abschied.