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Die Last der Verantwortung

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Der Druck steigt: Der FC Bayern ist unter Trainer Julian Nagelsmann seit vier Spielen ohne Bundesliga-Sieg und erwartet heute Bayer Leverkusen. © IMAGO

Wochen der Wahrheit für den FC Bayern München und Julian Nagelsmann: Beginnend mit dem Krisengipfel gegen Leverkusen, müssen Stars und Trainer liefern.

Julian Nagelsmann nahm elf Minuten Anlauf, dann öffnete er sein Herz. »Dass die letzten zwei Wochen mich total kaltlassen, wäre gelogen«, sagte der massiv in die Kritik geratene Trainer von Bayern München ernst. Ja, er »spüre die Verantwortung für die Situation«, für vier Bundesliga-Spiele ohne Sieg und die Leistungsdelle vieler Stars, »aber ich weiß auch, dass ich nicht für alles verantwortlich bin«.

Hinter Nagelsmann, das wurde bei der Pressekonferenz am Donnerstag klar, liegen aufreibende Tage. Vielleicht die schwersten in seiner immer noch jungen Trainerkarriere. Vor dem Start in sechs englische Wochen mit 13 Pflichtspielen vor der WM und dem Krisengipfel gegen Bayer Leverkusen am heutigen Freitagabend (20.30 Uhr/DAZN) hat er jeden Stein umgedreht, um den Krisen-Bayern wieder mehr »Mia san mia« einzuimpfen.

Allerdings nur bis zu einem gewissen Punkt, wie er betonte. »Ich hinterfrage mich immer, jeden Tag. Aber ich hatte jetzt keine Rücktrittsgedanken.« Er schlafe auch als Fünfter mit fünf Punkten Rückstand auf Spitzenreiter Union Berlin so gut wie vorher, »Fußball ist meine Leidenschaft, aber definiert nicht mich als Mensch oder mein Lebensglück«.

Dennoch ließ es der 35-Jährige nicht dabei bewenden, noch einmal »alle« Saisonspiele zu analysieren, wie er berichtete. Er kontaktierte »viele alte Weggefährten«, um »den Horizont zu öffnen«. Allerdings hätten all die Gespräche und das Grübeln »keine extrem neuen Erkenntnisse« gebracht: »Wir müssen nicht alles umkrempeln.«

Das sehen die Bosse genauso, Nagelsmann kann sich ihrer Rückendeckung vorerst sicher sein. In der Länderspielpause verging kaum ein Tag ohne öffentlichen Zuspruch. »Wir sind von Julian total überzeugt«, sagte Vorstandschef Oliver Kahn, Präsident Herbert Hainer ersetzte in seiner gleichlautenden Botschaft das Wort »total« durch »komplett«.

Sportvorstand Hasan Salihamidzic meinte, der Beistand müsse »nicht immer wieder betont werden« - und tat es dennoch: »Julian ist sehr klar. Er und sein Trainer-Team wissen genau, was zu tun ist.«

Was also? Nagelsmann zitierte die Poetry-Slammerin und Sängerin Julia Engelmann und deren Sinnspruch: »Mut ist das Anagramm von Glück.« Das sollte wohl heißen, dass seine Stars ihr Glück auch mal erzwingen müssen.

»Uns muss bewusst sein, dass wir Bayern München sind und nicht auf dem Tabellenplatz stehen, der unserem Anspruch gerecht wird«, führte der Coach aus: »Ich erwarte, dass wir investieren, das ist mit das Wichtigste.« Dann werde auch die Chancenverwertung endlich besser.

Personell kann er nahezu aus dem Vollen schöpfen. Kapitän Manuel Neuer und Leon Goretzka sind nach ihren Corona-Infektionen dabei, Kingsley Coman und Lucas Hernandez fallen aus. »Wir brauchen Punkte und Siege!«, forderte Nagelsmann, nach Leverkusen geht es in der Champions League gegen Pilsen weiter, dann zum Klassiker nach Dortmund. »Ich kann und werde die Dinge selbst beeinflussen«, sagte Nagelsmann kämpferisch.

Doch schon gegen Leverkusen werde es schwer, Bayer verfüge über einen »herausragenden Kader und sehr guten Trainer«. Dieser aber steht nach nur einem Sieg und als Tabellen-15. noch heftiger in der Kritik. »Natürlich liegt in den Resultaten auch ein gewisser Zusammenhang mit der Kontinuität eines Coaches«, sagte Bayer-Trainer Gerardo Seoane. Das weiß auch Julian Nagelsmann.

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