Die NFL ist gekommen, um zu bleiben

(sid). Am Ende eines gewaltigen Spektakels fiel das Urteil einstimmig: »Oh, wie ist das schön«, hallte es aus mehr als 69 000 Kehlen durch die Arena in München. Und als Superstar Tom Brady unter dem ebenfalls lautstark mitgesungenen »Sweet Caroline« und tosendem Applaus winkend vom Feld ging, dürften die Herzen nicht zuletzt bei den Strategen der National Football League (NFL) hochgeschlagen haben.
Für den 45 Jahre alten Brady wird das 21:16 seiner Tampa Bay Buccaneers gegen die Seattle Seahawks, die beide noch am Sonntagabend abreisten, ein Abschied für immer gewesen sein.
Sicher aber ist: Die NFL ist nach Deutschland gekommen, um zu bleiben, länger als bislang angenommen. Auch der beeindruckte Brady beteuerte, dieser deutsche »Super Bowl« sei eine »der großartigsten Erfahrungen« seiner Karriere gewesen. Er habe schon schon einiges erlebt: »Aber das war episch.«
Brady trug seinen Teil dazu bei: Er spielte trotz Pfiffen und Buhrufen der lautstarken Seahawks-Anhänger stark, warf zudem die ersten beiden und damit historischen Touchdown-Pässe in einem NFL-Spiel auf deutschem Boden. Aber ihm unterlief auch eine Interception, die es Seattle gegen Ende des Spiels ermöglichte, mit einem Touchdown auf 16:21 zu verkürzen. Brady war angesäuert, am »Heimsieg« der Bucs änderte das jedoch nichts mehr.
Selbst bei den Verlierern hinterließ die Atmosphäre einen gewaltigen Eindruck. Er schätze sich glücklich, bei diesem Spiel dabei gewesen zu sein, betonte Seattles Headcoach Pete Carroll, der vom in der Tat auch sogenannten »12. Mann« in der Stadt am Pazifik einiges gewohnt ist. »Was für ein Spektakel«, sagte der 72-Jährige über das Publikum, »so etwas habe ich noch nicht erlebt, großartige Atmosphäre«. Ganz offensichtlich seien die Leute in Deutschland geübte Fans.
Tatsächlich nahmen die auch sachkundigen Besucher die wohl einzigartige Mischung aus Sport und Show begeistert auf. Beide Mannschaften wurden unterstützt - in einer Lautstärke, die für die Münchner Arena eher ungewöhnlich ist. Einziges Ärgernis für die Zuschauer, die sich bereits am Vormittag auf der Esplanade vor dem Stadion versammelten: Der Andrang an den Zugängen verzögerte den Einlass bisweilen um eineinhalb Stunden.
Bis 2025 sollen sich nun München und Frankfurt als Schauplätze für reguläre Saisonspiele abwechseln. NFL-Chef Roger Goodell, der am Samstag vom Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter zu einem Abendessen im Rathaus empfangen worden war, hat aber schon durchblicken lassen, dass es mehr als die bisher geplanten vier Spiele werden: »Ich wäre nicht überrascht, wenn sich das sehr bald darüber hinaus ausdehnen würde.«
Angesichts des Hypes, den das Spiel in München ausgelöst hat, wäre das auch nur logisch. Gut möglich, dass Deutschland ab dem kommenden Jahr sogar zwei NFL-Spiele in München und Frankfurt bekommt. Goodell hat den Besitzern der 32 NFL-Franchises in Aussicht gestellt, den Umsatz der Liga bis 2027 auf 25 Milliarden Dollar zu steigern. Dafür muss er die weltweite Expansion weiter vorantreiben. Im Jahr 2021 setzte die NFL insgesamt 17,1 Milliarden Dollar um.
Nicht ausgeschlossen scheint, dass es im Zuge der Ausbreitung auch eine Division der NFL in Europa geben könnte: mit vier Mannschaften, davon zwei in England und mindestens eine in Deutschland. Die entsprechenden Gerüchte halten sich jedenfalls hartnäckig.