Die Zukunft muss warten

Im ausverkauften Kölner Stadion und vor einer Rekordkulisse verlangt der SC Freiburg dem VfL Wolfsburg im DFB-Pokal- Finale der Frauen alles ab. Am Ende aber recken Alexandra Popp und Svenja Huth die Trophäe in die Höhe.
(dpa/lhe). Seine Wohnung in Frankfurt hat Oliver Glasner bereits gekündigt. Die Zeit des Trainers bei der Eintracht neigt sich dem Ende entgegen. Für Wehmut ist vor den noch anstehenden zwei Partien in der Fußball-Bundesliga und dem Finale im DFB-Pokal gegen RB Leipzig am 3. Juni aber noch kein Platz. »Es ist noch nicht die Zeit gekommen, um zurückzublicken«, sagte der scheidende Coach zwei Tage vor dem Spiel beim Abstiegskandidaten FC Schalke 04 am Samstag (15.30 Uhr/Sky).
Vor etwas mehr als einer Woche verkündeten die Hessen den vorzeitigen Abgang des Österreichers nach dieser Saison. Im ersten Spiel nach der Bekanntgabe beendete die Eintracht ihre Serie von zehn sieglosen Liga-Spielen mit einem 3:0 gegen den FSV Mainz 05. Die Chance, sich über die Bundesliga doch noch für den Europapokal zu qualifizieren, besteht weiterhin.
In der eigenen Hand haben es die Hessen als Tabellenachter aber nicht mehr. Maximal könnten sie noch auf den sechsten Rang springen. Vieles hängt jedoch davon ab, was die von Frankfurt gejagten VfL Wolfsburg und Bayer Leverkusen am 33. Spieltag machen. Die Hessen haben nicht nur drei Punkte weniger als das Duo auf dem Konto, sondern auch die schlechtere Tordifferenz.
Wagt Glasner, der in sechs Pflichtspielen noch nie gegen Schalke verlor, in Gelsenkirchen also mehr Risiko? »Wir versuchen eigentlich, in jedem Spiel so viele Tore wie möglich zu schießen. Das gelingt halt nicht immer«, sagte er am Donnerstag. »Wichtig ist, dass wir uns nicht sagen, wir müssen 6:0 gewinnen und alles nach vorn werfen. Dann ist hinten alles offen.«
Etwas überrascht wurde Glasner davon, dass die letzten beiden Spieltage schon zum dritten Mal nacheinander nicht parallel stattfinden. Erst vor wenigen Wochen sei er davon in Kenntnis gesetzt worden, gestand er. »Ich dachte, dass das noch so ist«, sagte er. »Aber ich verstehe, dass das organisatorisch gar nicht so einfach ist. Da spielen relativ viele Themen mit rein. Deswegen nehmen wir es so, wie es ist.« Aus personeller Sicht gibt es kaum Neuigkeiten. Die unter der Woche angeschlagenen Jesper Lindström und Aurelio Buta konnten wieder mit der Mannschaft trainieren und Angreifer Rafael Borré steht nach abgesessener Sperre wieder zur Verfügung. Bei Philipp Max hofft Glasner auf eine Rückkehr in der kommenden Woche.
Noch etwas länger wird es dauern, bis sich der 48-Jährige zu seiner persönlichen Zukunft äußert - trotz gekündigter Wohnung. »Ich habe ja zum Glück noch eine andere«, sagte Glasner, der nach einer Innenraumsperre an die Seitenlinie zurückkehren wird. »Ich beschäftige mich ausschließlich mit Eintracht Frankfurt. Ich finde, dass die Mannschaft, die Fans und die Stadt bis zum letzten Spiel zu 100 Prozent Oliver Glasner verdient haben. Da fühle ich mich in der Pflicht und der möchte ich gerecht werden.«
Zwischen diesen Worten und einem der größten Triumphe der Vereinsgeschichte in der Europa League liegen exakt 365 Tage. Seither hat sich das Stimmungsbild bei der Eintracht verändert. Drei Siege würden aber helfen, um Glasners Kapitel bei der Eintracht versöhnlich enden zu lassen.
Nach 95 kräfteraubenden Minuten ging Alexandra Popp erschöpft kurz in die Knie, wenige Minuten später stemmte die Wolfsburger Kapitänin gemeinsam mit Svenja Huth schwungvoll den elf Kilo schweren DFB-Pokal in die Höhe. Trotz Startschwierigkeiten haben die VfL-Fußballerinnen zum neunten Mal hintereinander die Trophäe gewonnen und sich nach dem 4:1 (1:1) am Donnerstag gegen den SC Freiburg vor der Rekordkulisse von 44 808 Zuschauern in Köln feiern lassen. »Wow! Ich bin sehr glücklich«, sagte Popp in der ARD mit stark angeschlagener Stimme und schwärmte über die Atmosphäre: »Erst jetzt sieht man, was wir mit der EM angerichtet haben. Es war eine wahnsinnige Stimmung hier im Stadion. Das macht den Fußball aus, dass so viele Fans uns unterstützten, Freiburg unterstützen und den Frauenfußball unterstützen.«
Bei Klängen von »Sweet Caroline«, dem Hit der EM 2022 in England, tanzten die Wolfsburgerinnen auf dem Rasen. Der Favorit krönte sich mit dem insgesamt zehnten Erfolg zum alleinigen Rekordsieger. Nach der praktisch verspielten Meisterschaft holte der VfL damit den ersten Titel in dieser Saison. Im Finale der Champions League am 3. Juni in Eindhoven gegen den FC Barcelona können sie noch einen draufsetzen.
Vier Tage nach dem überraschenden 0:4 in der Bundesliga bei Eintracht Frankfurt ließen die VfL-Frauen von Trainer Tommy Stroot zunächst keine Zweifel, dass sie den neunten Cupsieg in Serie holen wollen. Nach einer Hereingabe von Lynn Wilms bugsierte Lisa Karl den Ball zum 0:1 ins eigene Tor (4.). Nach dem unglücklichen Auftakt für Freiburg glich Jung-Nationalspielerin Janina Minge im ausverkauften Rhein-Energie-Stadion aus (42.). Rebecka Blomqvist (57.), Popp (84.) und Dominique Janssen per Handelfmeter (89.) trafen in der zweiten Halbzeit gegen Freiburgs starke Torhüterin Gabrielle Lambert.
»Natürlich sind wir wahnsinnig enttäuscht. Wir hatten die Chance, den ersten Titel für uns zu holen. Das ist uns nicht gelungen, aber wir müssen es jetzt einfach hier genießen, die mega Stimmung«, sagte die Freiburgerin Minge: »Das werden wir so schnell nicht vergessen.«
SC-Fans brennen Pyrotechnik ab
Der bisherige Rekordbesuch von 26 282 Fans bei der Premiere 2010 in Köln zwischen FCR Duisburg und USC Jena wurde deutlich gesteigert. Ungewöhnlich für ein Frauenspiel, dass der Stadionsprecher vor dem Anpfiff die lautstarken Freiburg-Fans erst einmal ermahnen musste, keine Pyrotechnik abzubrennen. »Fantastisch! Wir freuen uns alle, genießen es alle, es ist eine super Stimmung. Gerade der Freiburger Block macht richtig Alarm«, sagte Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg zur Halbzeit im Sky-Interview und lobte die Freiburgerinnen: »Am Anfang waren sie sehr nervös, jetzt sind sie im Spiel. Jetzt ist es offen.«
Wolfsburg übertrumpfte am Ende den 1. FFC Frankfurt, der den Pokal neunmal gewonnen hatte. Für Popp war es bereits der zwölfte Sieg im DFB-Pokal, da sie bereits zweimal mit Duisburg triumphiert hatte. Die Spielführerin des deutschen Nationalteams verpasste nach einer Viertelstunde das 2:0, als ihr Schuss knapp vorbeiging. Ansonsten musste die 32-Jährige viel einstecken gegen nicht zimperliche Gegnerinnen.
Auch ohne die verletzten DFB-Auswahlspielerinnen Lena Lattwein und Marina Hegering und mit Torjägerin Ewa Pajor zunächst nur auf der Bank dominierte der VfL anfangs die Begegnung. Die SC-Spielerinnen, die im Finale 2019 gegen Wolfsburg nur mit 0:1 verloren hatten, rannten von Beginn an viel hinterher. Das Team von Trainerin Theresa Merk musste immer öfter Torchancen des routinierten Gegners zu lassen, meldete sich aber kurz vor der Pause zurück: Erst rettete Nationaltorhüterin Merle Frohms gegen Lisa Karl, dann köpfte Minge zum Ausgleich ein. Mit viel Selbstvertrauen ging Freiburg in den zweiten Durchgang, zeigte sich aber beim nächsten Gegentor zu unsortiert gegen einen nur streckenweise überzeugenden VfL, der in der Schlussphase aber einen Gang höher schaltete.
